Es muss nicht immer der kompliziert ausgeklügelte Millionen-Betrug sein, der erst durch die Arbeit von Detektiven aufgedeckt wird. Es reicht der Gedanke, der vielen Arbeitnehmern schon durch den Kopf gegangen ist: Sich einfach einmal für eine Woche krankschreiben zu lassen, obwohl man eigentlich purlimunter ist.
Woran dabei kaum einer denkt: Die Folgen von solchen missbräuchlich erschlichenen Leistungen kosten die Versicherungen in der Schweiz Dutzende von Millionen Franken.
Mehr Bemühungen gegen Versicherungsbetrüger
Und die Anzahl von Verdachtsfällen steigt massiv, wie neue Zahlen der Suva zeigen. Der grösste Schweizer Unfallversicherer nahm letztes Jahr 949 Fälle genauer unter die Lupe, weil sie verdächtig wirkten. Das sind 375 mehr als im Vorjahr.
«Der Grund für den Anstieg ist nicht, dass immer mehr Leute uns übers Ohr hauen wollen», sagt Roger Bolt (42), Teamleiter Missbrauchsbekämpfung der Suva, zu BLICK.
Der Grund für den Anstieg an entdeckten Fällen ist ein anderer: «Wir haben unser Personal zur Missbrauchsbekämpfung auf 13 Personen aufgestockt und arbeiten neu auch mittels Datenanalyse gegen Betrüger an. Es gibt konkrete Verhaltensmuster von Verunfallten und Arbeitgebern, die auf eine Mehrheit der Missbrauchsfälle zutreffen.» Detektive sind seit letztem Herbst nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht mehr erlaubt (BLICK berichtete).
Wohl über 180 Millionen missbräuchlich bezogen
In 300 Fällen hat die Suva missbräuchliche Bezüge entdeckt. Das entspricht 0,1 Prozent aller Versicherungsfälle. Damit hat die Suva missbräuchliche Leistungsbezüge von 18 Millionen Franken verhindert. Das sind fünf Millionen mehr als im Vorjahr.
Bolt schätzt allerdings, dass konstant ein bis zwei Prozent aller Versicherungsfälle missbräuchlich sind. Das ist mindestens zehn Mal mehr, als die Suva aufdeckt. Rechnet man die real eingesparten 18 Millionen Franken also hoch, ergibt das ein Sparpotential von 180 bis 360 Millionen Franken. Alleine bei der Suva!
Suva erhält nur einen Drittel der erbrachten Leistungen zurück
Davon, dass die Suva das Geld nicht auszahlt, profitiert der Rest der Versicherten durch tiefere Prämien.
Was passiert mit den Überführten? «Wir streichen Leistungen oder passen diese an. Zudem fordern wir ungerechtfertigte Zahlungen zurück», sagt Bolt. Das Problem: Im besten Fall erhält die Suva nur einen Drittel der bereits erbrachten Leistungen zurück.
In besonders krassen Fällen mit viel krimineller Energie kann es auch zu einer Strafanzeige kommen. Bolt: «Das waren 2016 aber nicht mehr als eine Handvoll.»