Tü-ta-tot in Bern
Die letzte Postmusik der Schweiz steht vor dem Aus

Ihre Unschuld hat die Post des 21. Jahrhunderts schon vor Monaten verloren. Jetzt droht ihr auch noch eines der letzten Überbleibsel der guten alten Zeit wegzusterben: Die Postmusik Bern, die letzte ihrer Art im Land, ist überaltert.
Publiziert: 30.03.2019 um 14:39 Uhr
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Hornist Kurt Rüegg ist eines der erfahrensten Korps-Mitglieder.
Foto: zvg

Früher war diese Art von Unterhaltung sogar sexy: 1970 trat die Postmusik Bern anlässlich des Delegiertentreffen des Welttelegrafen-Bundes mit Majoretten auf, einer europäischen Form von Cheerleadern. Heute ist die Kapelle froh, wenn jedes Register zweistimmig besetzt ist. Seit den 80er-Jahren – damals hiess die Post noch PTT – hat sich der Musikerbestand um die Hälfte auf 30 reduziert und ist der Altersschnitt auf 57 angestiegen.

«Rosig sieht anders aus», sagt Stefan Wildbolz, Präsident der Postmusik Bern und mit 56 Jahren einer der Jüngeren im Korps gegenüber dem Medienblog des gelben Staatskonzerns. «Ich will nicht schwarzmalen und keine Notenblätter mit dem Abgesang auf die Postmusik verteilen – doch die Zeit spielt gegen uns.» Man brauche eine Frischzellenkur, wenn man überleben wolle und weiterhin die Zuhörer in Altersheimen oder in der Kirchgemeinde beglücken wolle.

Schweizweit gab es fünf Korps

Wenn das nicht passiert – und die Chancen dafür sind ziemlich schlecht – stirbt mit der Berner Postmusik eine Schweizer Tradition aus. Vor 114 Jahren, also 1905, spielten die Briefträger Otto Zimmermann und Christian von Gunten am Familienabend der Berner Pöstler so gut, dass sie andere dazu motivierten, mit ihnen zusammen ein Orchester zu gründen.

Danach kamen Korps in Zürich, Basel, St. Gallen und Lausanne dazu – und gingen bis vor der Jahrtausendwende wieder ein. 

«Es wird kritisch»

In Bern spitzt sich die Situation nicht nur demografisch zu, sondern auch finanziell: Früher waren es mal über 500 zahlende Passivmitglieder, heute sind es noch 200. «Uns sterben die treuen Mitglieder weg und mit ihnen auch unsere finanzielle Basis», klagt Wildbolz.

Zudem sei es wegen eines neuen Verteilverfahrens viel aufwändiger geworden, an die Kulturgelder der Stadt Bern zu gelangen. Dabei kostet alleine die Saalmiete für Konzerte rasch einmal mehr als tausend Franken. Hinzu kommen Weiterbildungstage und Revisionen oder Reparaturkosten an Instrumenten. Wildbolz fasst zusammen: «Es wird kritisch.»

Wer helfen oder sogar Mitglied werden will, kann dies hier tun. (kst)

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