Ökonomen sind sich einig: Die Schweiz kommt wirtschaftlich erstaunlich gut durch die Corona-Pandemie. Jan-Egbert Sturm etwa, Leiter der ETH Konjunkturforschungsstelle KOF, sagte kürzlich im Interview mit Blick: «Auf den steilen Absturz folgt postwendend eine rasante Erholung.»
Gewerkschaften fordern nun, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an diesem wirtschaftlichen Aufschwung beteiligt werden. Der Gewerkschaftsdachverband Travailsuisse forderte daher am Donnerstag gemeinsam mit der Gewerkschaft Syna und der Hotel & Gastro Union Lohnerhöhungen.
Allerdings nicht für alle. «Allgemeingültige Lohnforderungen sind nicht angezeigt, und eine differenzierte Sichtweise ist nötiger denn je», heisst es in der Mitteilung der Gewerkschaften.
Gastroangestellte bleiben auf der Strecke
Will heissen: Für Gastroangestellte gibt es in den allermeisten Fällen nicht mehr Lohn. Die Branche wurde von der Krise zu stark getroffen. Die mehrheitlich ausbleibende Lohnrunde ist allerdings besonders problematisch, weil Beizer bereits heute über Personalengpässe klagen. Bleiben die Löhne tief, dürfte auch der Fachkräftemangel anhalten.
Auf der anderen Seite der Skala steht die Baubranche, die weitgehend unbeschadet durch die Krise gekommen ist. Hier seien Lohnerhöhungen möglich und nötig, fordern die Gewerkschaften vor den Medien in Bern.
Bis zu 4 Prozent mehr Lohn fürs Gesundheitspersonal
Auch in der Gesundheitsbranche sehen sie Bedarf für Lohnerhöhungen. Die teilweise prekäre Lage im Gesundheitswesen rückte seit Beginn der Pandemie immer wieder ins öffentliche Bewusstsein. Der Fachkräftemangel sei akut, «und die Löhne haben in den vergangenen Jahren zu stark stagniert», sagte Mathias Regotz von Syna gemäss Mitteilung.
Auch im Detailhandel seien die Löhne seit Jahren chronisch zu tief. «In diesen Branchen sind Lohnerhöhungen von drei bis vier Prozent zwingend.»
Die schlimmsten Szenarien für den Arbeitsmarkt seien zwar nicht eingetroffen. Die Arbeitslosigkeit liege aber immer noch rund 35 Prozent höher als vor der Krise. Zudem hätten zahlreiche Arbeitnehmende wegen Kurzarbeit auf Einkommen verzichten müssen. Und die anziehende Teuerung gefährde ihre Kaufkraft.
«Ein genereller Teuerungsausgleich für alle Arbeitnehmenden ist nötig, um die Kaufkraft zu erhalten und den privaten Konsum zu stützen», sagte Gabriel Fischer von Travailsuisse. Lohnerhöhungen seien folglich auch wichtig, um die Krise schneller bewältigen zu können.
Fokus auf Löhne von Frauen
Auch bei den Löhnen der Frauen bestehe nach wie vor grosser Handlungsbedarf. Das revidierte Gleichstellungsgesetz verlange zwar eine Lohngleichheitsanalyse von Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten. Kontrolliert werde dies aber nicht. Travailsuisse und die angeschlossenen Verbände haben eine Plattform geschaffen, die für mehr Transparenz sorgen soll. Die Verbände rufen alle Unternehmen auf, dort nachzuweisen, dass sie die Vorgaben des Gleichstellungsgesetzes einhalten. (SDA/sfa)