Take-away-Kette hat Liquiditätsprobleme – Angestellte warten auf Lohn
«Ich weiss nicht, wann das Geld kommt»

Die Gastrobranche ist ein hartes Pflaster: Das mussten die Mitarbeitenden eines Lieferdienstes im Mittelland erfahren, die teilweise Wochen auf ihren Lohn warten mussten. Wie der Chef der Gastrokette sich erklärt.
Publiziert: 27.11.2024 um 19:41 Uhr
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Aktualisiert: 28.11.2024 um 07:58 Uhr
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Blick-Reporter Christian Kolbe (Bildmitte) im Gespräch mit Mitarbeitenden, die unter den verspäteten Lohnzahlungen leiden.
Foto: Philippe Rossier

Auf einen Blick

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Christian KolbeRedaktor Wirtschaft

Magomed Gabzaev (28) ist verzweifelt. Mit seinem Lohn muss er seine Eltern und seine jüngere Schwester durchbringen – doch dieser Lohn landet immer später auf seinem Konto. «Wie soll meine Rechnungen bezahlen, wenn ich nicht weiss, wann das Geld kommt», klagt Gabzaev. Der Vermieter habe schon mit der Kündigung gedroht und wenn er nach dem Lohn fragte, hiess es immer «Morgen Bro, morgen». 

Gabzaevs Familie flüchtete 1996 vor dem Krieg in Tschetschenien in die ukrainische Hafenstadt Odessa. Und vor zwei Jahren – nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine – in die Schweiz. Seit drei Monaten arbeitet der ausgebildete Zahnarzt mit drei Jahren Berufserfahrung als Kurier für einen Gastro-Lieferdienst. 

Geld für die Familie

Dieser bietet an diversen Standorten im Mittelland asiatische Spezialitäten «auf einem äusserst hohen Niveau» zur Lieferung oder als Take-away an, wie es auf der Firmenwebsite heisst. 

Denn Kunden mag es schmecken, für die Angestellten ist es hartes Brot. Gabzaev arbeitet in der kleinsten Filiale der Kette im Kanton Solothurn. Schon den Septemberlohn hat er mit Verspätung bekommen, den Oktoberlohn am 20. November – und nicht wie abgemacht zwischen dem 8. und 10. November. «Mit meinem Lohn muss ich meine Eltern und meine jüngere Schwester unterstützen», erzählt Gabzaev.

Er ist nicht der Einzige, der lange auf seinen Lohn warten muss. In der Filiale arbeiten neben Gabzaev ein weiterer Kurier, vier Angestellte in der Küche und Filialleiter Jurai R*. (27). «Den anderen Angestellten geht es gleich wie Magomed», sagt der Slowake. «Seit Mai arbeite ich hier und habe meinen Lohn noch nie pünktlich bekommen, wenn auch etwas früher als die anderen.» Wie er gehört habe, sei es in den anderen Filialen auch nicht besser, ergänzt R. 

Besitzer gesteht Verzögerungen ein

Und noch etwas anderes macht ihm Sorgen: «Im nächsten Jahr bekommt die Firma einen neuen Namen. Ich befürchte, der Besitzer wird Konkurs anmelden.» In diesem Fall dürfte es schwierig werden, möglicherweise ausstehende Lohnzahlungen einzufordern. Oder aufgelaufene Ferienguthaben in Geld umzuwandeln, wie es einem der Angestellten versprochen wurde. 

Nach Langem hin und her nimmt der Besitzer des asiatischen Lieferdienstes gegenüber Blick Stellung und gesteht die verzögerten Lohnzahlungen ein: «Die Verspätungen betrafen meist nur einige wenige Tage, nur im Ausnahmefall waren es 14 Tage.» Aber gerade für die Angestellten mit kleinen Einkommen zählt jeder Tag, da sie nicht über grosse finanzielle Reserven verfügen. Da nützt es wenig, wenn sich der Chef für die Verspätungen nachträglich entschuldigt – das Geld fehlt trotzdem. 

Bezüglich des befürchteten Konkurses sagt er: «Die Unternehmung bleibt bestehen, ein Konkurs ist ausgeschlossen und die betreffenden Löhne werden vollständig und rechtzeitig bezahlt.»

Als Grund für die verzögerten Lohnzahlungen nennt der Gastrounternehmer Liquiditätsprobleme: «Im Herbst dieses Jahres hätte eine Investition eingehen sollen. Da sich diese Investition wider Erwarten verzögerte und der Oktober ein umsatzschwacher Monat war, kam es im Oktober zu einem temporären Liquiditätsengpass.»

Es geht auch pünktlich

Offenbar war das Unternehmen auch in den Monaten zuvor eher knapp bei Kasse, wie es die Schilderungen von Jurai R. vermuten lassen. Der Besitzer weiss um die Risiken in der Gastrobranche: «Zusammen mit Mitaktionären stieg ich vor ein paar Jahren in die Firma ein. Weil die Gastrobranche ein hartes Geschäft ist, kam es zu Problemen und die Mitaktionäre stiegen aus.» Er habe alleine weiter gemacht – auch «aus Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden», wie er betont. «Ich habe einen Grossteil meines Vermögens in die Firma investiert und habe auf viel verzichtet.» 

Immerhin: Die November-Löhne wurden am Mittwoch alle pünktlich ausgezahlt. Blick erreicht eine Textnachricht von Jurai R.: «Wir sind alle megaüberrascht und megaglücklich!» Und hoffentlich hat auch der Gastrounternehmer etwas gelernt: Das unternehmerische Risiko dürfen nicht die Angestellten tragen – das ist sein Job. 

*Name der Redaktion bekannt


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