Darum gehts
- Abschaffung des Eigenmietwerts könnte zu Konflikten in Tourismusgemeinden führen
- Gemeinden haben zwei Optionen: Kosten einsparen oder neue Einnahmen generieren
- Walliser Gemeinden verlieren 35 Millionen, Graubünden 40 Millionen an Einnahmen
Die Abschaffung des Eigenmietwerts könnte in Tourismusgemeinden zu neuen Konflikten zwischen Einheimischen und Zweitwohnungsbesitzern führen. In Graubünden, im Berner Oberland oder im Wallis gibt es Gemeinden, in denen viel mehr Ferienwohnungen als Erstwohnungen stehen – in Extremfällen beträgt ihr Anteil über 80 Prozent. Die Gemeinde Goms VS ist nahe an dieser Marke. Gemeindepräsident Gerhard Kiechler (60) hat deshalb wenig Freude am Abstimmungsergebnis. «Es kann nicht sein, dass die Einheimischen, die einen Viertel der Wohnungen belegen, sowieso schon fast die gesamte Infrastruktur finanzieren müssen», sagt er.
Kiechler meint damit Ausgaben wie die allgemeine Verwaltung, Sicherheit, Schneeräumung, Gesundheit, Hochwasserschutz oder Strassensanierungen. «Davon profitieren alle. Aktuell zahlen die 76 Prozent Ferienwohnungsbesitzer aber nur 20 Prozent der Steuereinnahmen», so Kiechler. Seine Schätzung: Fällt der Eigenmietwert bei den Ferienwohnungen weg, verliere die Gemeinde 5 bis 10 Prozent der gesamten Steuereinnahmen. «Diese einseitige Finanzierung der Gemeindekosten vergrössert den Graben zwischen Einheimischen und Chaletbesitzern.»
Kosten senken oder neue Steuer einführen
Die Nachbargemeinde Obergoms VS wollte es 2022 genau wissen und liess ein Zürcher Beratungsunternehmen nachrechnen. Das Ergebnis: Bei den Zweitwohnungen sind 1,1 Millionen Franken an Kosten nicht gedeckt, was 45 Prozent der direkten Gemeindesteuern entspricht. Aufseiten des Dachverbands Allianz Zweitwohnungen Schweiz wird dieses Ergebnis stark angezweifelt. «Es gibt keine ungedeckten Kosten», sagt Heinrich Summermatter (78), Präsident des Dachverbands der Schweizer Ferienwohnungsbesitzer.
Den Walliser Gemeinden sollen mit dem Wegfall des Eigenmietewerts 35 Millionen an Einnahmen fehlen, so die Kantonsbehörden. Im Kanton Graubünden ist von 40 Millionen die Rede. Interessanterweise haben die Tourismusgemeinden in den Kantonen Bern und Graubünden für die Abschaffung des Eigenmietwerts gestimmt. Der hohe Anteil an Eigenheimbesitzern dürfte hier sicher eine Rolle gespielt haben. Den gibt es zwar auch im Wallis. Dort stimmten die meisten Gemeinden jedoch Nein.
Die Gemeinden haben nun zwei Optionen, die Ausfälle aufzufangen: Kosten einsparen oder neue Einnahmen generieren. «Irgendwann wird der Punkt kommen, an dem wir Leistungen reduzieren, beispielsweise den Winterdienst einschränken oder den Strassenunterhalt vernachlässigen müssen», sagt Kiechler.
«Grosser bürokratischer Aufwand»
Die andere Möglichkeit: Eine Erhöhung der Einkommensteuer oder die Einführung einer Liegenschaftssteuer auf selbst genutzte Ferienwohnungen, zu der die Schweiz am Sonntag Ja gesagt hat. Dafür muss aber erst der Kanton die rechtliche Grundlage schaffen. Kiechler ist skeptisch: «Eine solche Steuer wird ein grosser bürokratischer Aufwand. Allein schon wegen der Frage, welche Chalets nun selbst genutzt sind.»
Auch Heinrich Summermatter war dafür, den Status quo beizubehalten, damit nicht als Ersatz eine Steuer auf Ferienwohnungen eingeführt wird. Nun aber will er gemeinsam mit den Gemeinden gute Lösungen finden. «Ich bin überzeugt, dass es uns gelingt, dass die Gemeinden bei den Liegenschaftssteuern nicht überborden», sagt er. In vielen Gemeinden dürfte der Knatsch rund um die Einführung von deutlich höheren Kurtaxen für Ferienwohnungen noch präsent sein und dieses Mal womöglich zu einem diplomatischeren Vorgehen führen.