Gemeindepräsidentin Andrea Keller steht vor schmerzlichen Entscheidungen. Ihr fehlt das Geld, um die Folgen des Corona-Lockdowns für die Bevölkerung abzufedern. Bubikon ZH erwarte einen «massiven Einbruch» der Steuereinnahmen, gleichzeitig einen «erheblichen Anstieg» der Ausgaben. Mitten in der Krise muss Keller deshalb Sparmassnahmen anordnen.
Experten beobachten Entwicklungen wie diejenige in Bubikon mit Sorge. «Sparpakete oder Ausgabestopps können die Entwicklung einer Rezession verschärfen», sagt etwa Mathias Binswanger, Ökonomie-Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz.
Andrea Keller sieht dennoch keinen anderen Weg. Kredite, eine Alternative zu Einsparungen, kommen nicht infrage. Bubikon sitze bereits auf einem Schuldenberg von 23,5 Millionen Franken: «Ich kann schlicht keinen Kredit aufnehmen, das wäre unverantwortlich gegenüber den Steuerzahlern.»
Verschuldung muss vermieden werden
Gemeinden seien gesetzlich verpflichtet, ihren Finanzhaushalt im Gleichgewicht zu halten, erklärt sie weiter. «Der Gemeinderat hat sich darum entschieden, alles zu unternehmen, um eine weitere Verschuldung zu vermeiden und einen Anstieg des Steuerfusses zu dämpfen.»
Bubikon steht nicht allein. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sind aber nicht für jede Gemeinde gleich. Vor allem jene, die von Unternehmenssteuern abhängig sind, haben jetzt Sorgen. Befürchtet wird der Rückgang dieser Einnahmen um rund die Hälfte, schätzt Yngve Abrahamsen, Ökonom an der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich.
«Es wird Gemeinden geben, die Investitionen und Ausgaben nach hinten verschieben», pflichtet Jörg Kündig bei. Er ist oberster Gemeindepräsident des Kantons Zürich und Vorstandsmitglied des Schweizerischen Gemeindeverbandes. Die meisten hätten jedoch keine Veranlassung zu einer Vollbremsung, betont er.
Viele Gemeinden folgten dem Grundsatz: «Spare in der Zeit, so hast du in der Not», sagt Ökonom Binswanger. «Verglichen mit anderen Ländern sieht es bezüglich Verschuldung und finanzieller Situation bei den Schweizer Gemeinden sehr gut aus. Sie haben die Möglichkeit, sich kurzfristig zu verschulden, um Steuerausfälle zu kompensieren.»
Einberufung eines runden Tischs
Auch Städte rechnen mit Steuerausfällen. Da ihr politisches Gewicht grösser ist als das von kleineren Kommunen, sehen sie aber auch noch eine andere Möglichkeit, ihre Defizite zu decken: das Geld der Nationalbank, von deren Gewinnausschüttung normalerweise Bund und Kantone exklusiv profitieren.
Nun haben die Städte um die Einberufung eines runden Tischs gebeten. Dort solle es unter anderem um «eine Beteiligung der Städte an der Gewinnverteilung der Nationalbank» gehen, sagt Silvia Steidle, oberste Finanzchefin der Schweizer Städte. Im Mai werden sich also Städte, Kantone und Finanzminister Ueli Maurer um vier Milliarden aus dem Nationalbank-Überschuss streiten.
Gemeindevertreter Kündig findet es «nicht optimal», wenn die Gemeinden dort zur Zuschauerrolle verdammt sind. «Wir werden aber nach den Gesprächen sicher bei den Kantonen anklopfen.»
«Die öffentliche Hand muss ein verlässlicher Partner sein»
Solche Verhandlungen seien immer schwierig, so Kündig. «Sobald es darum geht, wer was finanzieren soll, ist die Solidarität vorbei und jeder sitzt auf seinem Geldtopf.»
In Bubikon müssen derweil 730'000 Franken eingespart werden – als Sofortmassnahme. Konkret bedeutet das: Kürzungen im Strassenunterhalt, Sanierungen von Verwaltungsliegenschaften werden verschoben und Klassenlager gestrichen. Kündig appelliert an die Gemeinden: «Gerade in der aktuellen Situation muss die öffentliche Hand ein verlässlicher Partner sein.»