Fertig! Schluss! Feierabend! Seit Montag sind sämtliche Bars, Non-Food-Läden, Restaurants, Schulen, Freizeit- oder Unterhaltungsbetriebe geschlossen. Einzig Lebensmittelläden, Apotheken und Tankstellen dürfen offen bleiben.
Besonders hart trifft der Lockdown Kleinbetriebe und Selbständige: Sie haben keine Einnahmen mehr, Fixkosten wie Lohn, Miete und Versicherungen aber bleiben. Zwar beschloss der Bundesrat am Freitag, dass neu auch Selbständige Taggelder beantragen können. Dennoch bleibt die Situation für die Betroffenen schwierig: Wer kein finanzielles Polster hat, dem droht der Konkurs.
«Wir haben Angst um unsere Existenz», sagen Malaika Gysi (45) und Daniela Grisoli (49) in ihrem Coiffeurgeschäft Salon7zehn in Winterthur ZH. Sie stehen vor leeren Stühlen. In der Ecke noch ein Häufchen Haare der letzten Kunden vor dem Lockdown.
Gysi und Grisoli sind in einer speziellen Situation – sowohl Mieterinnen als auch Vermieter: «Die Salon7zehn GmbH, die uns gehört, bezahlt Miete an eine grosse Immobilienverwaltung. Gleichzeitig haben sich fünf selbständige Coiffeusen bei uns eingemietet, die auf eigene Rechnung arbeiten.»
Miete auf eigenes Risiko erlassen
Zwei der fünf sind Gysi und Grisoli selbst. Mit den drei Eingemieteten zeigen sie sich solidarisch: «Wir haben ihnen per sofort die Hälfte der Miete erlassen, um ihre Situation zu entschärfen.» Das Duo tut dies auf eigenes Risiko. Ob auch ihre GmbH eine Mietzinsreduktion erhält, ist unklar. «Wir haben bei der Verwaltung darum gebeten, aber noch keinen Bescheid.»
Eine Umfrage von SonntagsBlick zeigt: Die Chancen auf eine Stundung, also eine Verlängerung der Zahlungsfrist, scheinen intakt. Tobias Burkhalter, Präsident des Stadtberner Gastgewerbes: «Viele Vermieter sind bereit, vorerst auf Miete zu verzichten, und sich dann, wenn ein Ende absehbar ist, darüber zu unterhalten, wie es gehandhabt wird.» Vor allem private Vermieter, Städte, Stiftungen und Zünfte handhabten das unkompliziert. «Einige Betriebe haben sogar bereits eine Reduktion erhalten.»
In Basel-Stadt kennt Gewerbedirektor Gabriel Barell «mehrere Beispiele von vollzogenen Mietzinssenkungen». Andere Eigentümer hätten bereits «grosszügige Lösungen» signalisiert, um den Mietern Luft zu verschaffen.
Gewerbeverbände rufen Kleinbetriebe und Selbständige auf, sich schnellstmöglich mit den Vermietern in Verbindung zu setzen, um über Möglichkeiten einer Senkung, eines Erlasses oder eine Stundung der Mietkosten zu diskutieren.
Post um Mieterlass geht viral
Hoffnung machen Beispiele wie Ivo Kuster (41) aus Eschenbach SG. Er schrieb diese Woche auf Facebook: «Habe meiner Mieterin soeben die Miete erlassen, bis sie die Arbeit in ihrem Kosmetikstudio wieder aufnehmen darf.» Sein Post geht viral, wird rund 60'000-mal geteilt, fast 13'000-mal kommentiert. «Grosses Kino», sagen viele.
Kuster freut sich über das riesige Echo und hofft auf Nachahmer. Gleichzeitig sagt er aber auch: «Eigentlich ist es traurig, dass ich für meine Aktion so viel Lob erhalte. Eigentlich sollte es ja selbstverständlich sein, dass man sich in einer Krise solidarisch zeigt.»
Kuster ist in einer komfortablen Situation: Auf seinem Haus liegt keine Hypothek, da er es relativ günstig von seinen Eltern übernehmen konnte und anschliessend selbst umgebaut hat. «Ich komme deshalb gut eine Zeit lang ohne die Miete des Kosmetikstudios aus», so der gelernte Zimmermann.
Ihm ist jedoch klar, dass es auch Vermieter gibt, die darauf angewiesen sind, dass jeden Monat etwas reinkommt. Der SP-Lokalpolitiker sagt aber auch: «Für die grossen Immobilienkonzerne gilt das definitiv nicht. Die müssten locker ein paar Monate ohne Mietzinseinnahmen auskommen. Schliesslich wurde ihnen das Geld in den letzten Jahren praktisch ins Füdli geschoben.»
Trotz Milliarden kein Erlass
Tatsächlich: Alleine Swiss Life, Besitzerin des grössten privaten Immobilienportfolios der Schweiz, hat 2019 Mieteinnahmen von 1,3 Milliarden Franken generiert – fast doppelt so viel wie zehn Jahre zuvor.
Trotzdem macht der Lebensversicherungskonzern keine Anstalten, dem Beispiel von Ivo Kuster zu folgen. «Die Mieterträge leisten einen wesentlichen Beitrag, die eingegangenen Verpflichtungen gegenüber den Versicherten erfüllen zu können.» Durch eine Mietzinsstundung könne zwar auf individueller Basis und je nach Betroffenheit eine Lösung gefunden werden. Der Mietzins bleibe aber grundsätzlich geschuldet.
Bei anderen grossen Immobilienkonzerne wie Allreal oder Swiss Prime Site klingt es ähnlich.