Die SBB sind pünktlich. So die landläufige Meinung. Die Kundenpünktlichkeit besagt, wie viele Reisende insgesamt auf allen Strecken pünktlich ankommen. Drei Minuten Verspätung gelten dabei noch als pünktlich. Sie beträgt laut SBB für 2017 beachtliche 89,0 Prozent.
Als zweite Zahl führen die SBB die Die zweite Kennzahl, die Anschlusspünktlichkeit, misst, wie viele Reisende ihre Anschlüsse erreichen. Laut SBB waren das 2017 sehr hohe 97,2 Prozent.
Open-Data-Plattform gibt Aufschluss
Was die SBB aber laut «NZZ» nicht kommunizieren, ist die Zugpünktlichkeit. Also Zahlen darüber, wie viele Züge auf welchen Strecken pünktlich oder verspätet fahren. Der Bahnkunde weiss somit zwar, dass schweizweit rund neun von zehn Passagieren pünktlich ankommen, aber nicht, wie viele Züge auf seiner täglichen Pendlerstrecke unpünktlich sind oder ob seine häufig gewählte Reisestrecke besonders verspätungsträchtig ist.
Diese Lücke füllt die Website www.pünktlichkeit.ch. Die Site nutzt täglich aktualisierte Rohdaten der Open-Data-Plattform öV Schweiz, eine seit 2016 bestehende riesige Sammlung mit Fahrplan- und Echtzeitdaten, in die alle konzessionierten Transportunternehmen einspeisen. Die Open-Data-Plattform wurde laut NZZ vom Bundesamt für Verkehr (BAV) in Auftrag gegeben, um die Entwicklung von innovativen Systemen zum öffentlichen Verkehr durch Private wie jene Gutwenigers zu beflügeln.
16 Prozent der Züge verspätet
Was dabei herauskommt, wirft ein ganz anderes Licht auf die Pünktlichkeit der SBB. Im Intercity-Verkehr waren laut diesen Daten im letzten Jahr 16,2 Prozent der Züge verspätet. Auf 33 Strecken betrug der Anteil 20 oder mehr Prozent. Als Problemgebiete, wo mehr als die Hälfte aller Intercitys verspätet fahren, erweisen sich Strecken im Wallis mit fast 85 Prozent unpünktlichen Zügen sowie Strecken um Lausanne und Chiasso, wo Verspätungen zum Teil im Ausland eingefahren werden.
Auf acht Strecken sind mehr als ein Drittel aller Intercitys unpünktlich, auf sieben mehr als ein Viertel. Als Hotspot erweist sich der Knotenpunkt Olten. Unpünktlichkeit herrscht aber auch auf Paradestrecken, etwa von Zürich nach Bern mit 27,4 und von Basel nach Zürich mit 32 Prozent verspäteten Intercity-Zügen.
Problemstrecke Bern-Zofingen
Im Interregio-Verkehr erreichten im letzten Jahr 87,6 Prozent der SBB-Züge ihr Ziel pünktlich. Damit lagen die SBB vor der RhB, aber hinter der Zentralbahn. Auch hier stechen Problemstrecken hervor: Zwischen Bern und Zofingen AG hatten rund ein Viertel der SBB-Interregios Verspätung, von Zürich nach Zug 23 Prozent, von Aigle VD und Bex VD nach St-Maurice VS mehr als 27 Prozent.
Besser sieht es bei den Regio-Express-Zügen aus. Dort lagen die SBB mit 91,9 Prozent Pünktlichkeit vor der BLS und der RhB, aber hinter Transports publics fribourgeois, SOB, Regionalps und Thurbo. Bei den Regio-Zügen fuhren die SBB mit 91,7 Prozent pünktlichen Zügen im Mittelfeld zwischen RhB und Transports régionaux neuchâtelois. Im S-Bahn-Verkehr erreichten 91 Prozent der SBB-Züge ihr Ziel zur geplanten Zeit, ebenfalls ein Wert im Mittelfeld zwischen RhB und Zentralbahn.
Bundesamt für Verkehr lobt die Website
Beim BAV kommt die Website pünklichkeit.ch gut an. Auf Linkedin lobte Direktor Peter Füglistaler: «Nur statistisch erhobene Werte, ganz ohne Schönreden der Kommunikationsabteilungen.» Er habe damit auf eine Informationsquelle hinweisen wollen, die ungefilterte Daten zur Verfügung stelle, ergänzte Füglistaler auf Nachfrage.
Er ist laut der «NZZ» der Überzeugung, dass solche Daten möglichst ungewichtet zu veröffentlichen seien, damit sich die ÖV-Benutzer selber ein Bild machen könnten. «Der Seitenhieb gegen die Kommunikationsstellen ist dahingehend zu deuten, dass die Kunden nicht Erklärungen wollen, sondern pünktliche Züge.» (zas)