SNB-Präsident Thomas Jordan
Über einem Vermächtnis lastet der ewige Schatten der CS-Pleite

Die Untersuchungen der PUK werden für Thomas Jordan nichts Belastendes zutage fördern. Dass der SNB-Präsident den Zusammenbruch der Credit Suisse nicht verhindern konnte, wird sein Vermächtnis dennoch für immer überschatten.
Publiziert: 03.03.2024 um 09:10 Uhr
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Aktualisiert: 03.03.2024 um 13:39 Uhr
Thomas Jordan stand zwölf Jahre an der Spitze der SNB und erlebte viele Krisen – die schlimmste war der Kollaps der Credit Suisse.
Foto: keystone-sda.ch
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Beat SchmidFester Mitarbeiter Blick

Der Zeitpunkt seines Rücktritts wirft Fragen auf. Trat Thomas Jordan (61) zurück, weil er die Ergebnisse der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) fürchtete? Der Chef der Schweizerischen Nationalbank dementiert: Sein Rücktritt habe nichts mit der PUK zu tun, sagte er am Freitag vor den Medien.

Nach Informationen von Blick kann Thomas Jordan dem PUK-Bericht tatsächlich gelassen entgegensehen. Die Befragung durch die Sonderkommission hat er bereits hinter sich. Dabei sei es nicht zu unschönen Wortgefechten gekommen, als er seine Sicht des Zusammenbruchs der Credit Suisse darlegte. Jordans Aussagen sollen sich weitgehend mit dem decken, was er bereits öffentlich über den Niedergang der Bank und seine Rolle gesagt hat.

Er dürfte vor allem zwei Punkte hervorgehoben haben. Dass es mit dem Notverkauf der Credit Suisse an die UBS gelungen sei, die Finanzstabilität wiederherzustellen. Damit habe die Nationalbank eine zentrale Aufgabe ihres gesetzlichen Auftrags erfüllt. Er dürfte auch die Kritik zurückgewiesen haben, er hätte den aufgebrachten Märkten klarmachen müssen, dass er die Credit Suisse unter keinen Umständen untergehen lasse.

Auch hier dürfte er auf das Mandat der Notenbank verwiesen haben, das es nicht gestattet, Versprechungen zu machen, die man nicht einhalten kann. Mit seinem Auftritt vor der PUK scheint Jordan die Mitglieder überzeugt zu haben. Wenn der Bericht Ende Jahr vorliegt, dürfte darin wenig Belastendes über das Krisenmanagement des SNB-Präsidenten zu lesen sein.

Warum ausgerechnet jetzt?

Warum also tritt er jetzt zurück? Warum bleibt er nicht noch bis zum Ende seiner regulären Amtszeit 2027? Die offizielle Erklärung lautet, dass in den zwölf Jahren seiner Präsidentschaft eine Krise die nächste jagte: Negativzinsphase, Covid-Krise, Ukraine-Krieg und eben die Credit Suisse. Deshalb konnte er die Kommandobrücke nie verlassen. Jetzt nutzt er das kurze Zeitfenster der relativen Ruhe, um Platz zu machen für einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin.

Das mag stimmen – oder nur halb. Es ist nicht auszuschliessen, dass auch seine Gesundheit bei der Rücktrittsentscheidung eine Rolle gespielt hat. Vor zwei Jahren musste er sich einer Herzoperation unterziehen. Zum anderen steht die Nationalbank vor einem epochalen Umbruch. 

Jordans Jahre waren von der letzten Finanzkrise geprägt. Schon bei der Rettung der UBS war er dabei, allerdings nicht als entscheidender Akteur – das waren der damalige SNB-Präsident Jean-Pierre Roth (77) und sein Vize Philipp Hildebrand (60), der später an die Spitze rückte, bis Jordan im April 2012 selbst das Präsidium übernahm.

In den folgenden Jahren spielte er eine entscheidende Rolle, als es darum ging, die Lehren aus der ersten Grossbankenkrise zu ziehen. Diese flossen in das «Too big to fail»-Regime ein. Dieses erwies sich aber im vergangenen Jahr als völlig ungeeignet für den Ernstfall. Die aufgepolsterten Eigenkapitaldecken konnten die schlingernde Credit Suisse nicht auffangen. 

Die CS stürzte ab, weil sie am Schluss zu wenig Liquidität hatte. Weil es zu einem digitalen Bank Run gigantischen Ausmasses kam. Die Nationalbank war auf diesen Ernstfall schlecht vorbereitet. Als sogenannter Lender of Last Resort ist es die Aufgabe der Notenbank, die Finanzinstitute mit Liquidität zu versorgen, wenn andere Finanzierungsquellen versiegen. 

Im entscheidenden Moment fehlten jedoch die notwendigen Mittel, die über die sogenannte Emergency Liquidity Assistance für aussergewöhnliche Situationen hinausgingen. Instrumente wie «ELA plus» und «Public Liquidity Backstop» mussten in einer Nacht-und-Nebel-Übung und unter Anwendung von Notrecht aus dem Boden gestampft werden.

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Darum geht Thomas Jordan:«Die aktuelle Stabilität ist der richtige Moment»

Die Schelte der Finanzministerin

In jenen dunklen Stunden im März 2023 zeigte sich Thomas Jordan nicht gerade flexibel, um es höflich auszudrücken. In der tiefsten Krise pochte er auf die Unabhängigkeit der SNB und zeigte wenig Einsicht, über das eng definierte gesetzliche Mandat hinauszugehen. Mit seiner Sturheit strapazierte er die Geduld von Finanzministerin Karin Keller-Sutter (60), die später im Parlament sagte: «Aber wir mussten uns mit der Nationalbank – ich kann es nicht diplomatischer sagen – auch einigen.» 

In den nächsten Jahren wird es darum gehen, das «Too big to fail»-Regime anzupassen. Dabei werden viele neue Anforderungen an die Nationalbank gestellt. Schon jetzt tobt ein Kampf, der weitgehend im Verborgenen stattfindet. Dabei geht es um die Frage, welche Sicherheiten Banken hinterlegen müssen, um im Krisenfall Liquidität von der Nationalbank zu erhalten. Die Nationalbank, so ist aus der Finanzbranche zu hören, stellt sich dabei – wen wunderts – stur. 

So ist es nur folgerichtig, dass Thomas Jordan die anstehende Reform der Grossbankenregulierung neuen Kräften überlässt. Etwa seinem «Praktikanten» Martin Schlegel (47), der ihn ablösen dürfte. Der scheidende SNB-Präsident wird als exzellenter Pilot des Schweizer Frankens in die Geschichte eingehen. Dass er den Zusammenbruch der Credit Suisse nicht verhindern konnte, wird sein Vermächtnis aber für immer überschatten.

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