Seit heute gelten die Negativzinsen
Was bedeutet das für uns?

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) setzt seit heute auf ein neues und bis jetzt unerprobtes Instrument im Kampf gegen die Aufwertung des Frankens: Negativzinsen auf Guthaben. Was ist das, wer muss sie bezahlen und wie sollen sie wirken?
Publiziert: 22.01.2015 um 10:49 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:18 Uhr

Inhaber eines Girokontos bei der SNB müssen ab heute einen Strafzins von 0,75 Prozent auf einem Teil ihrer Einlagen zahlen. Wer muss alles zahlen?
Betroffen von der Massnahme sind alle Banken, Versicherungen und Vermögensverwalter. Die Nationalbank gewährt ihnen jedoch grosszügige Freibeträge. Einlagen unter 10 Mio. Fr. oder das 20-fache der gesetzlichen geforderten Mindestreserven müssen nicht verzinst werden. Diese Freibeträge führen dazu, dass die meisten grösseren inländischen Banken voraussichtlich keine Strafzinsen zahlen müssen. Ausländische Banken und nicht reservepflichtige Institute wie Versicherungen, internationale Organisationen und andere Zentralbanken jedoch müssen mit zusätzlichen Kosten rechnen.

Warum führt die SNB sie ein?
Die Schweizer Nationalbank kämpft seit der Finanzkrise mit verschiedenen Massnahmen gegen die Aufwertung des Schweizer Frankens. Die Einführung von Negativzinsen ist ein weiteres Mittel in diesem Kampf. Die Nationalbank setzt neu auf diese Massnahme, weil die Beibehaltung des Mindestkurses viel zu viel gekostet hätte. Allein im Januar wären 100 Milliarden Franken gekostet.

Wieso ist der Franken überhaupt so stark geworden?
Zur Aufwertung tendiert der Schweizer Franken, weil er als sichere Währung in Krisenzeiten gilt. Aktuell sorgen vor allem die Krise in Russland und die verschiedenen Massnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) gegen die Eurokrise dafür, dass der Schweizer Franken stark gefragt ist. Eine Aufwertung des Frankens schadet der Schweizer Exportwirtschaft und dem Tourismus, weil er ihre Produkte gegenüber der Konkurrenz im Ausland verteuert.

Kann die SNB einfach so Negativzinsen einführen?
Um Negativzinsen einzuführen, musste die Nationalbank die allgemeinen Geschäftsbedingungen anpassen. Dies kann sie nur unter der Einhaltung einer Frist von einem Monat. Sie hatte die Einführung von Negativzinsen erstmals am 18. Dezember angekündigt, damals aber nur 0,25 Prozent Strafzins angekündigt.

Wieso führt die SNB die Negativzinsen am 22. Januar ein?
Datumswahl dürfte auch darum auf den 22. Januar gefallen sein, weil an diesem Tag die erste zinspolitische Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) stattfindet. An dieser soll über das Paket einer quantitativen Lockerung beschlossen werden, das geeignet ist, den Schweizer Franken weiter aufwerten zu lassen.

Welche Schweizer Banken führen jetzt Negativzinsen ein?
Die Credit Suisse und die Privatbank Lombard Odier haben bereits beschlossen, eine Kommission auf Guthaben von Grosskunden einzufordern. Die Postfinance sowie andere Finanzinstitute wie die UBS, die ZKB und die Migros Bank erwägen ebenfalls, die Negativzinsen auf Grosskunden zu überwälzen.

Müssen bald auch Kleinsparer zahlen?
Gemäss der SNB müssen die Schweizer Bankkunden nicht damit rechnen, dass auch sie in Zukunft für die Hinterlegung von Geld bei den Banken zahlen zu müssen. Denkbar ist jedoch, dass die Banken die Zinsen auf Sparguthaben weiter senken. Ebenfalls dürfte der Negativzins dazu führen, dass die Hypothekarzinsen weiterhin tief bleiben. Einschneidender für Schweizerinnen und Schweizer wird jedoch sein, dass mit der weiteren Absenkung des Zinsniveaus auch die Verzinsung der Pensionskassengelder sinken dürfte.

Was hat das Ganze für Auswirkungen?
Für Banken und andere Finanzmarktteilnehmer wird es teuer, liquide Mittel zu halten. Für Banken wird es damit einerseits unattraktiver, neues Geld in Franken anzunehmen, weil dies die Liquidität erhöht. Andererseits wird es für Banken vorteilhafter, das Geld einer anderen Bank auszuleihen. Folge davon ist, dass die Zinsen auf dem Interbanken-Geldmarkt sinken, was bereits durch die Ankündigung dieser Massnahme geschehen ist. Der 3 Monats-Libor befindet sich seit dem 18. Dezember im negativen Bereich. Banken zahlen also zurzeit dafür, dass eine andere Banken ihnen Geld abnimmt.

Hat es schon früher Negativzinsen gegeben?
Die SNB hat zwar bereits in den 1960er und 1970er Jahren insgesamt vier Mal Negativzinsen verordnet. Die damaligen Massnahmen sind jedoch nicht mit der aktuellen zu vergleichen. Als erste grosse Notenbank hat die EZB Anfang Juni 2014 Negativzinsen auf Einlagen erhoben. Die Erfahrung damit sind bis jetzt positiv. Unklar ist jedoch, wie sich diese Strafzinsen mittel- und langfristig auswirken. Verschiedene Ökonomen warnen vor unerwarteten Nebenwirkungen. So sei es zum Beispiel denkbar, dass die Banken ihre Zinsen nicht wie erhofft weiter senken, sondern erhöhen, um die zusätzlichen Kosten zu decken. Das hätte negative Folgen für die Schweizer Konjunktur: Eine Kreditklemme würde die Wirtschaft zusätzlich belasten.

Kauft die Nationalbank jetzt keine Euro mehr, um den Franken zu stützen?
SNB-Präsident Thomas Jordan zeigt sich davon überzeugt. Die aktuell starke Aufwertung des Frankens bezeichnete er als «massives Überschiessen» der Märkte, das sich im Laufe der Zeit korrigieren werde. Mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses gab die Nationalbank auch bekannt, dass sie auch künftig am Devisenmarkt intervenieren wolle, sollte der Franken weiterhin stark von seinem wahren Wert abweichen. Experten zeigen sich jedoch skeptisch, ob ein solches Eingreifen noch genügend Wirkung zeigen wird. Mit der völlig überraschenden Aufgabe des Mindestkurses habe die Nationalbank nämlich an Glaubwürdigkeit an den Märkten eingebüsst. (sda)

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