Schweizer Jungunternehmer schürfen «digitales Gold»
Die alten Goldminen von Gondo VS leben wieder

Die alten Goldminen von Gondo VS leben wieder: Schweizer Jungunternehmer schürfen dort jetzt «digitales Gold»: Kryptowährungen. Hoch in den Alpen profitieren sie von kühlen Temperaturen und billigem Wasserstrom. Doch davon gibt es nicht mehr genug.
Publiziert: 12.07.2019 um 20:27 Uhr
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Ende des 19. Jahrhunderts waren die Goldminen leergeschürft. Gondo VS geriet in Vergessenheit.
Foto: Claudio Cerasoli

Kryptowährungen sind im Kommen. Viele machen damit ein Geschäft, was jetzt auch neues Leben in die alten, verlassenen Goldminen des kleinen Walliser Dorfs Gondo zurückbringt. Hoch in den Alpen, am Simplonpass zwischen der Schweiz und Italien, haben sich nach den Goldsuchern von damals jetzt moderne, digitale «Kryptoschürfer» heimisch gemacht.

Im 17. Jahrhundert boomte Gondo, das Dorf der Goldminen. Auf die Hochblüte folgte der Niedergang. Die Goldausbeute lohnte sich bald nicht mehr. Ende des 19. Jahrhunderts schlossen die Minen. Gondo geriet in Armut und Vergessenheit. Heute zählt das Dorf noch rund 50 Bewohner – und zieht eine neue Art von Goldsuchern an: Kryptowährung-«Mineure», die von den kühlen Temperaturen und der billigen Wasserkraft im Gebiet profitieren.

Neue Schweizer «Goldgräber»

Die ersten neuen «Bergleute», die in Gondo ankamen, waren junge Schweizer Unternehmer des Start-ups Alpine Tech. Sie bauten einen fensterlosen Bunker mit 900 Grafikkarten, um Kryptowährungen inklusive Bitcoin und Ethereum «abzubauen».

«Unsere Geschichte begann in Gondo», schreiben die Jungunternehmer auf ihrer Webseite, »einem kleinen Bergdorf in den Schweizer Alpen an der italienischen Grenze, wo der Bergbau vor einigen Jahrzehnten blühte. Im Jahr 2016 haben wir beschlossen, die Minenindustrie in dieser Region wieder zum Leben zu erwecken, allerdings für eine völlig neue und wohl viel wertvollere Ressource: Rechenleistung und Kryptowährungen.»

Extrem energieintensiv

Digitale Währungen benötigen massive Rechenleistungen, um Blockchain-Transaktionen zu verifizieren. Es wird geschätzt, dass der jährliche Energieverbrauch allein von Bitcoin dem der Schweiz entspricht. Wer diese Rechenleistung erbringt, wird mit neu geprägten digitalen Münzen belohnt.

In Gondo verbinden sich altes und neues Goldgräbertum, was der italienische Fotograf Claudio Cerasoli mit «Das Gold von Gondo» dokumentierte. Alpine Tech lud Cerasoli ein, die hochmodernen Computeranlagen mit Grafikkarten im unterirdischen Betonbunker von Gondo zu fotografieren. Ein Dutzend Kunststoffschläuche pumpen jede Stunde 30'000 Kubikmeter gekühlte Luft in den Bunker. Kryptowährungen zu minieren, kann extrem viel Energie beanspruchen. 

Wie ähnlich der Goldrausch von damals und der von heute sind, zeigt sich nicht zuletzt im ähnlichen Sprachgebrauch. Sowohl der Begriff für das Schürfen von Gold als auch von Kryptowährungen lautet im Englischen «mining», was so viel wie «abbauen», «gewinnen» bedeutet. Wie im Berg- und Minenbau.

Digitaler Boom überfordert Gondo

Fotograf Cerasoli, der Bilder von damals und heute gegenüberstellt, fragt sich, was in hundert Jahren vom Bitcoin-Boom übrig bleiben wird. «Sowohl die Goldgräber von damals als auch die modernen Bergleute sind getrieben vom Wunsch, eine neue Welt zu entdecken.»

Alpine Tech ist noch immer in Gondo ansässig, betreibt inzwischen aber ähnliche Anlagen in ganz Europa. Das Geschäft boomt, doch weil Gondo weder neue Räumlichkeiten noch genügend Strom zur Verfügung stellen kann, investierte Alpine Tech letztes Jahr mit einem Partner gross in Schweden.

Gondo hätte 500'000 Franken in eine neue Trafostation investieren müssen, sagte Gemeindepräsident Roland Squaratti dem «Walliser Boten». Und nötiges Bauland hätte eine Umzonung mit hohen Investitionen in Schutzmassnahmen gegen Naturgefahren erfordert. (kes)

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