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Schuldenberaterin über Geld-Elend in Corona-Zeiten
«Wir sind auf einen Ansturm vorbereitet»

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sorgen für eine Malaise im Portemonnaie von Tausenden. Hilfe finden die Betroffenen beim Kanton.
Publiziert: 12.12.2020 um 19:27 Uhr
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Katharina Blessing (54): Seit über zehn Jahren hilft sie überschuldeten Menschen.
Foto: Valeriano Di Domenico
Marc Iseli

Die Corona-Krise hat Zehntausende Menschen in die Arbeitslosigkeit geführt. Hunderttausende sind auf Kurzarbeit. In vielen Haushalten klafft deswegen ein Loch im Portemonnaie. Bei einigen stapeln sich die unbezahlten Rechnungen.

Am härtesten trifft es die Geringverdiener. Sie haben kaum Erspartes. Sie geben den ganzen Lohn aus für Miete, Krankenkasse, Essen und Versicherungen. Wenn über längere Zeit ein paar Hunderter weniger pro Monat auf dem Konto landen, droht der finanzielle Kollaps.

Noch halten sich viele Betroffene knapp über Wasser. Aber schon bald dürften die kantonalen Anlaufstellen massiv mehr Arbeit haben. «Wir sind auf einen Ansturm vorbereitet», sagt Katharina Blessing (54) von der Schuldenberatung Zürich.

Wucher bei Inkassofirmen

Blessing macht den Betroffenen Mut. Seit über zehn Jahren arbeitet sie als Beraterin. Sie hat vieles gesehen, selbst vermeintlich kleine Rechnungen haben sich innert Monaten zur unbezahlbaren Last aufgetürmt. Sie berichtet von einer Person, die eine Rechnung über 60 Franken unbezahlt liess. Nach 12 Monaten sind daraus 640 Franken geworden. In einem anderen Fall ist innert vier Jahren aus 35 Franken eine Rechnung von 1060 Franken geworden.

In beiden Fällen sind es die Inkassofirmen, die massiv draufschlagen. Blessing spricht von einem Zinssatz von bis zu 12 Prozent, der verlangt wird. Dies ist massiv mehr als die fünf Prozent Verzugszinsen, die das Gesetz vorsieht. «Da zocken andere ab», sagt die Sozialarbeiterin. «Das löst bei mir massives Unverständnis aus.»

Über 400 Personen finden jedes Jahr ein offenes Ohr und eine helfende Hand bei der Beratungsstelle in Zürich. Mehrere Tausend sind es schweizweit. Die Schweiz ist zwar ein reiches Land. Aber noch immer kommen viele Leute in massive Schwierigkeiten, wenn plötzlich eine hohe Rechnung ins Haus flattert. In Corona-Zeiten erst recht.

Kredit als Schuldenfalle

Die Ursachen für finanzielle Probleme sind oft: Arbeitslosigkeit, Krankheit, Unfall, Scheidung. «Ein Budgetplan ist das A und O», sagt Blessing. Sie warnt davor, einen Kredit aufzunehmen, um die Rechnungen zu zahlen. «Das ist eine Verlagerung der Schulden.»

Blessing warnt auch vor unseriösen Finanzsanierern. Sie versprechen, die Geldsorgen unkompliziert zu beseitigen. Stattdessen hinterlassen sie noch mehr Schulden. Der Schaden geht schweizweit in die Millionen. Die Bundesanwaltschaft ermittelt in einigen Fällen.

Über Schulden zu sprechen, ist wichtig. Doch Schulden sind ein Tabu-Thema in der Gesellschaft. Und die Vorurteile sind schnell gemacht: Wer Schulden hat, habe sein Leben nicht im Griff, heisst es. «Das stimmt nicht», stellt Blessing klar. Bei ihr sassen auch schon Grossverdiener, die deutlich über 10’000 Franken im Monat verdienten und trotzdem in Zahlungsnot kamen. Auch hier bot sie Hilfe an. Einfühlsam – und doch entschieden. «Wir sprechen Probleme an», sagt Blessing. «Aber wir verurteilen niemanden.»

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