Rütli-Wirt Thomas Haller (64) aus Muri AG regt sich über Gastro-Experten auf
«Lieber Kutteln als Kebab»

Hunderte Dorfbeizen haben in diesem Jahr schon dichtgemacht. BLICK hat eine klassische Beiz in Muri AG besucht. Und dem Wirtepaar beim zuweilen harten Überlebenskampf über die Schultern geschaut.
Publiziert: 21.11.2017 um 23:51 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:41 Uhr
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Marianne und Thomas Haller führen das Restaurant Rütli seit dem Jahr 2000.
Foto: Anja Wurm
Patrik Berger

Es steht schlecht um die gutschweizerische Dorfbeiz. Bereits 534 Restaurants haben in diesem Jahr Konkurs angemeldet. Gastro-Experte Leo Egloff (77) erhob im BLICK schwere Vorwürfe. Die Wirte hätten den Trend verschlafen und viel früher in den Markt mit Fastfood und Take-away einsteigen sollen. Zudem würden sie Wucherpreise verlangen.

Bei diesen Worten können Thomas (64) und Marianne (59) Haller aus Muri AG nur den Kopf schütteln. «Soll ich auch noch Pizza und Kebab anbieten?», fragt Thomas Haller. «Da setze ich lieber auf gutbürgerliche Küche – eine Metzgete, Kutteln oder einen Wurst-Käse-Salat!»

Seine Frau kocht ihren Gästen täglich zwei Menüs für 17 und 19 Franken. Gestern gab es Hacktätschli mit Rotkraut und Herdöpfelstock, dazu eine Suppe oder einen Salat – für 17 Franken. Das 19-fränkige Menü: Rindshuftsteak mit Pommes, Kräuterbutter, Gemüse und einer Suppe.

Gut einkaufen und wenig wegwerfen

«Wer behauptet, dass das zu teuer ist, der versteht nicht allzu viel vom Metier», sagt Thomas Haller. Das Zusammenstellen und Kalkulieren der Menüs sei gar nicht so einfach. Es gibt Tage, da gehen vier Menüs über den Tresen, an anderen zwanzig. «Da muss man schauen, dass man einigermassen über die Runden kommt, gut einkauft und möglichst wenig wegwirft.» Der Mittagsservice muss um 11.30 Uhr beginnen, und um 12.45 Uhr müssen die Letzten bedient sein. «Schaffen wir das nicht, bleiben die Gäste aus», sagt sie.

Seit dem Jahr 2000 betreiben die beiden das Restaurant Rütli. Es hat drinnen 40 Plätze, einen Garten mit 50 Plätzen und ein Säli. Der Job ist hart. Das Wirtepaar steht Tag für Tag zwölf Stunden auf den Beinen. Aufgeben kommt für sie nicht in Frage.

Auch wenn für Thomas Haller klar ist: «Das Beizensterben kann man nicht stoppen.» Schuld daran sind falsche Renditeerwartungen von Neueinsteigern. «Und ist ein Restaurant erst einmal runtergewirtschaftet, lässt es sich nie mehr erfolgreich betreiben.» Ist der Ruf erst ruiniert, dauert es lange, bis Gäste wiederkommen. 

Küche auf dem neusten Stand

Vielen Wirten fehlt das Geld für Investitionen. «Die Küche muss immer auf dem neusten Stand sein», sagt Thomas Haller. Eben hat er einen Kombi-Steamer für 15’000 Franken gekauft. In den letzten Jahren haben die Hallers 250’000 Franken investiert. 

Ein weiteres Problem: Die Gäste werden immer älter. «Langjährige Stammgäste, die vier-, fünfmal pro Woche bei uns waren, sterben langsam weg», sagt Thomas Haller. Junge würden nur noch einmal wöchentlich kommen. Auch der gute alte Jass am Nachmittag sei ein Auslaufmodell. «Noch vor wenigen Jahren waren nachmittags viele Gäste am Jassen, weitere haben zugeschaut.»

Handwerker trinken nur noch eine Stange

Auch Handwerker, die nach Feierabend noch zwei Grosse getrunken haben, gibt es praktisch nicht mehr. Schuld daran sind die strengeren Promillegrenzen. «Heute trinken sie noch eine Stange oder kommen gar nicht mehr.»

Immerhin: Die Folgen des Rauchverbots seien weniger gravierend als befürchtet. Man habe zwar ein paar Raucher verloren, dafür aber Gäste gewonnen, die sich am Rauch gestört hatten und nun wieder öfter essen kommen.

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