Darum gehts
Von einem Marktumfeld mit hoher Unsicherheit und wirtschaftlicher Abkühlung spricht der Industrie- und Bergbaukonzern Glencore mit Blick auf das laufende Jahr. Das zeigt, wie delikat das Rohstoffgeschäft für das Unternehmen mit Sitz in Baar ZG derzeit ist.
Wenn Glencore-CEO Gary Nagle (50), ein südafrikanischer Strahlemann, das Risikomanagement als Priorität ausruft und wegen der angekündigten US-Zölle auf drohende Schwierigkeiten in den Lieferketten hinweist, muss das beunruhigen. Ebenso wie die scheibchenweise oder gar nicht verkündeten Massnahmen in den Produktionsstätten weltweit.
Unübersichtliche Strukturen
Der global grösste Bergbaukonzern mit einem Umsatz von umgerechnet rund 200 Milliarden Franken operiert aus der Schweiz, wo Nestlé, Novartis oder UBS als Pfeiler der Wirtschaft angesehen werden. Der vielfach grössere Industrieriese Glencore – aus dem 1974 von Marc Rich gegründeten Rohstoffimperium hervorgegangen – ist wegen seiner unübersichtlichen Firmenstruktur mit weltweit tätigen Tochtergesellschaften eine Sphinx.
Auch deshalb, weil der an der Londoner Börse kotierte Konzern defensiv kommuniziert und vor allem dann für Schlagzeilen sorgt, wenn Minen mit Umweltsünden in Verbindung gebracht werden oder Stilllegungen von Förderanlagen zu Massenentlassungen führen.
Glencore – mit 150'000 Angestellten in Dutzenden von Ländern – diente den Promotoren der Konzernverantwortungs-Initiative denn auch als meistgenanntes Beispiel für die Notwendigkeit ihres Anliegens. Nach dem knappen Scheitern des Begehrens 2020 – am Ständemehr – sollen Unternehmen nach erfolgreicher Unterschriftensammlung jetzt in einem zweiten Anlauf zu Verpflichtungen gegenüber Mensch und Umwelt gezwungen werden.
Umstrittene Kohleproduktion
Glencore hält fest, der Konzern habe 2024 weltweit umgerechnet über 6 Milliarden Franken an Steuern bezahlt und fast 120 Millionen Franken für soziale Projekte aufgewendet. Zudem bemühe sich das Unternehmen, die mit hohem Energieaufwand verbundene Rohstoffförderung zusehends zu elektrifizieren. Was dazu führt, dass Glencore seinen eigenen Kohleabbau torpediert und Arbeitsplätze gefährdet.
Immer wichtiger und begehrter werden Kupfer und das Nebenprodukt Kobalt. Was die Zukunft der Kohleförderung betrifft, müht sich Glencore mit einer Strategie ab. Die Schliessung von Minen bringt ganze Regionen – etwa in Kolumbien – in wirtschaftliche Nöte, und der Versuch, Anlagen, beispielsweise in Südafrika, zu verkaufen, ist bisher wenig erfolgreich.
In der kolumbianischen Mine Cerrejòn mit über 5000 Angestellten verkündete Glencore vor einigen Wochen eine Reduktion der Produktion von Energiekohle. So wolle man den Markt wieder ins Gleichgewicht bringen, begründete CEO Gary Nagle.
Schwieriger Markt
Noch akuter aus den Fugen ist der Markt mit Kupfer und Kobalt. Glencore legte eine Kupfermine auf den Philippinen «wegen der zunehmend schwierigen Marktbedingungen» temporär still. Was die Massnahmen in den Minen für die Angestellten heissen, führt Glencore-Sprecherin Sarah Antenore nicht konkret aus. Sie sagt zu Blick lediglich: «Wir versuchen, Entlassungen wenn immer möglich zu vermeiden.» Die wandelnden Entwicklungen an den Rohstoffmärkten verfolge Glencore aufmerksam, um flexibel und verantwortungsvoll auf Veränderungen reagieren zu können.
Das Glencore-Portfolio umfasse Produkte, die für die Energiewende benötigt würden. «Wir planen, vermehrt in diese Art von Rohstoffen zu investieren», sagt Antenore.
Chinesisches Regime
Der hohe Kupferpreis hilft den Konzernen, hohe Schmelzkosten und geringe Erlöse von anderen Rohstoffen auszugleichen. In der Energiewirtschaft, für elektrische Fahrzeuge und andere Technologien ist der Bedarf an Kupfer künftig gross. Wegen der drohenden US-Zölle und Hamsterkäufen entstanden Lücken.
China erhöht seine Kapazitäten zum Kupferschmelzen, um den globalen Markt zu steuern. Weil das Konzentrat zur Verarbeitung von Kupfer zu knapp ist, bezahlen chinesische Werke Kunden sogar dafür, dass sie das Konzentrat in China verarbeiten lassen. Diese Preisverfälschungen drücken auf die Auslastung von Werken westlicher Konzerne wie Glencore, was den Stillstand des Betriebs auf den Philippinen verursachte.
Batterien ohne Kobalt
Glencore ist zusätzlich damit konfrontiert, dass ein Überangebot an Kobalt besteht. Das Nebenprodukt von Kupfer wird etwa für Batterien von Elektroautos gebraucht. Trotz grosser Nachfrage wurde zu viel produziert, sodass die Preise des Metalls in den Keller fielen und die Regierung der Demokratischen Republik Kongo, wo Glencore zwei Minen betreibt, im letzten Februar ein Exportverbot für Kobalt verhängte. So stapeln sich die Reserven in den Glencore-Lagern. Zudem ist China erfolgreich auf der Suche nach Möglichkeiten, um Batterien ohne Kobalt herzustellen.