Rohstoffgigant wirft ein schlechtes Licht auf hiesige Wirtschaft
Glencore ist der grösste Trumpf der Kovi-Befürworter

Die immer neuen Skandale um den Rohstoffgiganten Glencore spielen den Befürwortern der Konzernverantwortungs-Initiative in die Karten. Für den Ruf der Schweiz ist der Konzern womöglich eine Hypothek.
Publiziert: 22.10.2020 um 00:06 Uhr
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Aktualisiert: 22.10.2020 um 11:47 Uhr
Die Befürworter der Konzern-Initiative nutzen die vorgebrachten Fälle von Menschenrechtsverletzungen durch Glencore in ihrer Kampagne.
Foto: geisser
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Claudia Gnehm

Keine Firma liefert den Befürwortern der Konzernverantwortungs-Initiative (Kovi) so viele Argumente wie der Rohstoffmulti Glencore mit globalem Sitz in Baar ZG. In der Kampagne vor der Abstimmung Ende November stammen vier von sechs prominenten Beispielen von Menschen- und Umweltrechtsverletzungen von Glencore und seinen Tochterfirmen.

Glencore ist als global führender Rohstoffhändler und -förderer, der in Drittweltländern mit schwachen Regierungen und Rechtssystemen tätig ist, stark exponiert. Im Kreuzfeuer der Kritik war Glencore aber schon lange vor der globalen Dominanz.

Hervorgegangen ist der Konzern mit 160'000 Mitarbeitern, davon 850 in der Schweiz, aus einer vom legendenumwobenen Rohstoffhändler und Steuerflüchtling Marc Rich (†78) 1974 gegründeten Handelsgesellschaft im Kanton Zug. Offen dreckige Geschäfte machte der «King of Oil» bereits in den 80er-Jahren, als er trotz Embargo mit dem Apartheid-Regime in Südafrika Erdöl handelte.

Glencore-Schlagzeilen schaden Ruf der Schweiz

Mit der strengeren Regulierung und den Transparenzvorgaben, die der Börsengang 2011 in London brachte, konnte sich Glencore definitiv nicht mehr um Politik und Reputation foutieren. Mit der Verschwiegenheit war nun Schluss.

Nichtsdestotrotz ist die Liste der Übertretungen, die Nichtregierungsorganisationen (NGO) nach teils langwierigen Recherchen anprangern, seither immer länger geworden. Mit negativen internationalen Schlagzeilen ist Glencore für die Schweiz ein Reputationsrisiko.

Konzernchef Ivan Glasenberg (63) reagiert selten auf Kritik. Eine Ausnahme machte er vor zwei Jahren nach einem Bericht zu mutmasslichen Umweltschutz- sowie Menschenrechtsverletzungen von Glencore bei Minen in Südamerika. Glasenberg sagte: «Wir arbeiten in keiner unserer Minen unethisch.»

Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Glencore

Allerdings besteht der Verdacht auf Korruption und Verletzungen von Rechten nicht mehr nur bei Entwicklungsorganisationen. So läuft bei der Schweizer Bundesanwaltschaft seit Juni eine Strafuntersuchung gegen Glencore wegen Korruptionsfällen im Kongo. Auch das US-Justizdepartement und die britischen Aufsichtsbehörden ermitteln wegen Verdachts auf Geldwäscherei und Korruption in verschiedenen Ländern.

Die Ermittlungen zum Kongo stehen im Zusammenhang mit zwielichtigen Methoden und Dumpingpreisen, mit denen sich das Zuger Unternehmen Minenrechte gesichert haben soll. Dabei hatte die kongolesische Regierung der Minenfirma Katanga, einer Tochter von Glencore, zuerst hohe Forderungen für Abbaurechte an Kupferminen gestellt.

Aber dann sandte die Firma den dubiosen israelischen Geschäftsmann Dan Gertler (46) zu Verhandlungen mit der Regierung Kongos. Ihm gelang es, die Abbaulizenzen zu einem Viertel des üblichen Preises zu erstehen.

Dass Gertler Regierungsmitgliedern Schmiergeld bezahlt hat, ist Teil der Verfahren. Bereits in einem früheren Fall hatte er für Schürfrechte geschmiert. Dem vom Rohstoffeinkommen abhängigen Kongo sind durch den Dumping-Verkauf dringend benötigte Einnahmen entgangen.

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Immer wieder undurchsichtige Zahlungen

In der Kritik steht Glencore auch für das Kupferschmelzwerk von Mopani im Sambia. Die «Rundschau» von SRF berichtete über den Ausstoss von hochgiftigem Schwefeldioxid und dokumentierte mehrere Todesfälle.

Futter für die Kovi-Initianten liefern auch undurchsichtige Zahlungen Glencores für Abnahmerechte bei der staatlichen Ölgesellschaft im Tschad. Das peruanische Mädchen auf den Kovi-Plakaten steht für den Fall einer Mine, die Glencore in Cerro de Pasco (Peru) kontrolliert und die Luft und Wasser mit Schwermetallen vergiftet.

Übername «Lex Glencore»

Glencore entgegnete kürzlich, dass es erst seit zwei Jahren Mehrheitsbesitzer der Mine sei und unter anderem die Wasseraufbereitung repariert und die Zinkhalden saniert habe. Zuvor gehörte das Unternehmen dem Staat.

Auch wenn Glencore einige der Kritikfälle geerbt hat, kann sich das Unternehmen für die lange Liste der Übertretungen nicht ganz der Verantwortung entziehen. Kein Wunder, hat die Konzernverantwortungs-Initiative auch den Übernamen «Lex Glencore».

Einlenken nur auf öffentlichen Druck

Laut Glencore-Kritikern hat der Rohstoffmulti seit dem Börsengang die Kommunikation verbessert. Sie begrüssen auch die Publikation von Nachhaltigkeitsberichten.

Doch Chantal Peyer von der Entwicklungsorganisation Brot für alle entlarvt das Muster des Rohstoffgiganten: «Glencore erkennt Umweltverschmutzung oder Menschenrechtsverletzungen nicht an und beginnt fast immer mit dem Leugnen der Fakten», sagt sie. Erst der Druck internationaler Öffentlichkeitsarbeit bewege Glencore jeweils.

Glencore-Sprecherin Sarah Antenore entgegnet, Menschenrechte und Umwelt seien seit Jahren im Mittelpunkt der Nachhaltigkeitsstrategie. «Leider besteht ein Teil der Kampagne daraus, irreführende Informationen über Glencore zu verbreiten, indem der historische Kontext ignoriert wird», kritisiert sie.

Im Übrigen prüfe Glencore sämtliche Bedenken und Anliegen, die zu Unternehmensaktivitäten eingereicht werden. Antenore betont, dass sich Glencore bemühe, berechtigte Bedenken im Einklang mit den geltenden internationalen Standards, wie den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, zu lösen.

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