Darum gehts
- Swiss verstösst gegen Fluggastrechte und wird vom Bazl gebüsst
- Lufthansa-Gruppe erhielt acht Bussen, davon zwei für Swiss
- 2024 gab es 7600 eröffnete Verwaltungsstrafverfahren für alle Airlines
Nach aussen beteuert die Swiss, die Rechte von Passagieren bei Annullierungen oder Verspätungen zu respektieren. Gemäss der EU-Fluggastrechteverordnung, die auch in der Schweiz gilt, haben Passagiere in bestimmten Fällen Anspruch auf Entschädigung, wenn der Flug mehr als drei Stunden verspätet ist oder annulliert wird. Die Höhe der Entschädigung beträgt bis zu 600 Euro. Ausserdem müssen die Airlines Kosten für Verpflegung und Hotel übernehmen.
Doch immer wieder kommt es vor, dass Airlines Passagiere mit Entschuldigungen vom Kundendienst abspeisen und nicht zahlen wollen. In solchen Fällen können die Passagiere Anzeige beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) erstatten, das Bundesrat Albert Rösti (57) untersteht. Das Bazl leitet dann ein Verwaltungsstrafverfahren ein und kann die Airlines büssen.
Recherchen von Blick zeigen: In letzter Zeit hat das Bazl acht Mal Airlines der Lufthansa-Gruppe gebüsst, zu der die Swiss gehört. Zwei Bussen fielen auf die Swiss, vier auf die Lufthansa und zwei auf die belgische Tochter Brussels Airlines. Die Strafbefehle sind rechtskräftig.
Swiss verstösst «wiederholt» gegen die Verordnung
Worum gings bei der Swiss? Am 25. Oktober 2024 – der neue Swiss-CEO Jens Fehlinger (44) ist erst gut drei Wochen im Amt – muss die Swiss einen Flug annullieren. Die Swiss speist einen Fluggast mit der Begründung ab, dass seine Reise ausserhalb der EU begonnen habe und nicht im Geltungsbereich der EU-Verordnung ende. «Die Verordnung gilt nicht für Ihre Reiseroute», behauptete die Swiss.
Der Passagier zeigte die Swiss beim Bazl an – und bekam recht. Die Aussage der Swiss, dass die Verordnung «nicht auf die Reiseroute des Fluggastes anwendbar sei, ist eine unrichtige Darstellung», schreiben Röstis Beamte. Und weiter: «Da durch Swiss bereits Verstösse gegen die Verordnung begangen wurden, liegt eine wiederholte Verletzung der Pflichten des Luftfahrtunternehmens gegenüber seinen Fluggästen vor.» Zur Strafe gibt es zwei Bussen à 1000 Franken.
Was sagen die Verantwortlichen dazu? Die Swiss zeigt sich wenig einsichtig: «Wir haben uns entschieden, die Bussen nicht weiter juristisch anzufechten, da der Aufwand nicht verhältnismässig gewesen wäre», teilt die Airline mit. Die Swiss spricht von «bedauerlichen Ausnahmefällen, aus denen wir lernen». Die Fluggesellschaft bemühe sich stets, «alle gesetzlichen Vorgaben korrekt umzusetzen. Wir nehmen allfällige Rückmeldungen sehr ernst und arbeiten kontinuierlich daran, unsere Prozesse zu verbessern.»
Experte: Passagiere sollen sich juristisch wehren
Doch sind es wirklich Einzelfälle? Es dürfte eine gewisse Dunkelziffer geben, weil viele Passagiere gar nicht wissen, dass sie die Airlines beim Bazl anzeigen können. Trotzdem gab es 2024 einen neuen Negativrekord: Das Bazl meldet für alle Airlines 7600 eröffnete Verwaltungsstrafverfahren. Wie viele davon auf die Swiss und wie viele auf andere Airlines fallen, ist unklar. 2024 kam es zu 62 Bussen – auch hier ist unklar, wie viele die Swiss betreffen.
Laut dem Juristen Simon Sommer (35) gibt es immer wieder Fälle, in denen die Swiss erst auf juristischen Druck hin aktiv wird. Sommer hat die Firma cancelled.ch gegründet, die darauf spezialisiert ist, Passagiere zu ihrem Recht zu verhelfen: «Pro Jahr führen wir mehrere Dutzend Gerichtsverfahren gegen die Swiss sowie unzählige aussergerichtliche Verfahren.» Sommer betont: «Wenn eine Airline eine Entschädigung verweigert, muss sie gemäss der Beweislastumkehr der EU-Fluggastrechteverordnung konkret und nachvollziehbar darlegen, weshalb ein aussergewöhnlicher Umstand vorlag.»
Swiss räumt Verbesserungspotenzial ein
Die blosse Behauptung, dass die Swiss etwa aus technischen Gründen einen Flug nach Singapur annullieren musste, sei nicht ausreichend. «Die Swiss muss konkret nachweisen, dass es sich nicht um ein Risiko handelte, das zum normalen Geschäftsbetrieb gehört», betont Sommer. Deswegen lohne es sich, sich juristisch zur Wehr zu setzen.
Die Swiss räumt ein, dass es Verbesserungspotenzial gibt: «Wir arbeiten kontinuierlich daran, Prozesse so zu gestalten, dass berechtigte Ansprüche künftig noch klarer und zügiger anerkannt werden – auch ohne juristischen Druck.»