Im Oktober tauchen sie auf, nach dem Dreikönigstag verschwinden sie wieder. Dazwischen aber findet man Spanische Nüssli überall – in Chlaussäckli oder beim Altersheim-Höck. Sie stammen nicht aus Spanien, verdanken ihren Namen auch nicht der Verbreitung durch spanische Entdecker. Vielmehr kamen den Menschen Erdnüsse «spanisch» vor, als sie vor über 200 Jahren zum ersten Mal auch in der Schweiz erhältlich waren.
Heute kommen die meisten der gerösteten Erdnüsse via Frauenfeld zu den Schweizern. Dort hat Gerelli, die grösste Erdnüssli-Rösterei des Landes, ihren Sitz. 55 bis 60 Prozent des Markts beherrscht sie. Als BLICK sich am Firmensitz umschaut, stechen erst Kartons mit Mangos, Orangen, Avocados und allerlei Gemüse ins Auge. Es sind die Produkte der Schwesterfirma Giovanelli. Erst auf den zweiten Blick fallen die Säcke mit den Erdnüssen auf.
«Jeder hat einen Bezug zu den Nüssli»
Im Herbst und Winter werden – zusammen mit den Frischprodukten – Nüssli an grössere und kleinere Geschäfte ausgeliefert. Herr über die 80-jährige Traditionsfirma Giovanelli und die erst 15-jährige Gerelli mit ihren saisonal 20 Mitarbeitern ist Raphael Weiss (36).
Im weissen Kittel und mit Mütze führt der Geschäftsführer durchs Haus. Sein Vater sitzt im Verwaltungsrat der beiden Firmen. Mit den Gebrüdern Giovanelli ist in vierter Generation noch die Gründerfamilie im Unternehmen aktiv. Mit dem Einstieg von Vater und Sohn Weiss leiten die beiden den Übergang an eine neue Familie ein. Auch die Weiss-Männer sind Unternehmer – mit Lebensmitteln hatten sie zuvor aber nichts am Hut.
Raphael Weiss war zehn Jahre in der Finanzbranche tätig, bevor er bei Gerelli die Geschäftsleitung übernahm. «Statt um Finanzprodukte kümmere ich mich jetzt um Früchte, Gemüse und eben Nüssli.» Was gefällt ihm am Geschäft mit den Erdnüssen? «Jeder hat einen Bezug zu unserem Produkt. Kennt es, isst es oder wartet vielleicht gar sehnsüchtig auf die nächste Saison.»
Die Bio-Nüssli von Coop kommen aus China
Viel Wert legt Weiss auf die Herkunft seiner Produkte. Regelmässig reist er in die Anbaugebiete. Bei Erdnüssli sind das vor allem Ägypten, zum kleineren Teil Israel und seit diesem Jahr auch China. Dort kommen etwa die Coop-Nüssli her, die gleichzeitig Bio- und Fairtrade-zertifiziert sind. Eine rare Kombination, die Gerelli in China gefunden hat.
Derweil in Frauenfeld: Alle Produkte werden per QR-Code erfasst und sind so zurückverfolgbar. Derzeit sind zwei Röstmaschinen in Betrieb, bald kommen weitere dazu. «Wir prüfen auch den Ausbau des Sortiments, Haselnüsse zum Beispiel oder Pistazien», so Weiss zu seinen Zukunftsplänen.
Bald als ganzjähriger Snack
Auch bei Erdnüssli sieht er Chancen, diese als ganzjährigen Snackartikel noch beliebter zu machen. Der Trend zu gesunder und schneller Ernährung spreche für sein Produkt. Bereits gibt es Kleinstsäckchen – diese kommen etwa bei Coop Pronto in den Verkauf. Auch mit Kiosken sei er im Gespräch, so Weiss. Und wie wärs mit Selecta-Automaten? Das wärs, lacht Weiss verschmitzt, wer weiss.
Zurück zum Hier und Jetzt und in die Produktion: die Erdnüssli müssen durch den Ofen. Vorher sind sie zwar essbar, aber sicher kein Genuss, wie ein Selbsttest zeigt: weich und leicht gummig im Biss, mit grasigem Geschmack. «Wie Erbsen», sagt Weiss und erklärt, dass die Nüssli zu den Hülsenfrüchten gehören.
Ein Produkt aus der Wüste
Von der gekühlten Lagerung gehts für die Rohware über Förderbänder durch verschiedene Reinigungsschritte und kreuz und quer durch den Raum. «Erdnüssli sind ein Produkt aus der Wüste, da ist es immer etwas staubig», erklärt der Chef. Ein erstes Mal werden sie zwar schon im Ursprungsland gereinigt. Doch die Erdnüsse wachsen unterirdisch im Boden, entsprechend viel Dreck hängt an ihnen.
Was sauber ist, fällt über Trichter in den Raum darunter. Auch hier macht der Lärm eine Unterhaltung fast unmöglich. Zwei Röstmaschinen nehmen die Erdnüsse auf. Eigentlich sind sie für Kaffeebohnen gebaut. Der Röstprozess muss genau überwacht werden. «Wir arbeiten hier mit Lebensmitteln aus der Natur, da gibt es immer Unregelmässigkeiten», ruft Weiss. «Konsumenten vergessen das immer wieder und erwarten perfekte, möglichst einheitliche Produkte.»
In der Adventszeit macht Gerelli 85 Prozent seines Umsatzes. Geröstet werde aber über das ganze Jahr. Nur halt nicht rund um die Uhr und die ganze Woche über. Auf Hochtouren läuft die Rösterei bis zum Samichlaus-Tag. Dann sind auch alle drei Abpackstrassen in Betrieb. Gegen Weihnachten stehen nur noch zwei Mitarbeiterinnen an einer Station. Die meisten spanischen Nüssli sind längst an ihrem Ziel angekommen – auch an Neujahrsapéros dürften sie gefragt sein.
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