Rainer Zitelmann macht sich für die Minderheit der Gutbetuchten stark
«Reiche müssen als Sündenböcke herhalten»

Der Bentley-Fahrer aus Berlin besitzt nicht nur Geld, sondern auch zwei Doktortitel. In seinem neuen Buch beklagt er, dass die Reichen eine Minderheit seien, die mit vielen Vorurteilen zu kämpfen hat.
Publiziert: 23.03.2019 um 23:41 Uhr
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Aktualisiert: 24.03.2019 um 11:52 Uhr
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Rainer Zitelmann hat 21 Bücher geschrieben. Darunter auch eines mit dem Titel «Erfolgsfaktoren im Kraftsport».
Foto: rainer-zitelmann.de
Interview: Harry Büsser

«Kill your landlord» stand auf dem Transparent: «Töte deinen Vermieter.» Als der Berliner Autor Rainer Zitelmann (61) diesen Aufruf vor etwa einem Jahr bei einer Demo an seinem Wohnort las, fand er ihn unerhört. Zitelmann, der selbst Vermieter ist, stösst sich vor allem daran, dass die Parole «Tötet Türken» oder «Tötet Schwule» zum Glück undenkbar sei, während man sie bei Reichen völlig in Ordnung finde.

Die Veranstaltung an der Universität Zürich trägt den Titel: «Wie mit Vorurteilen gegenüber Reichen umgehen?» Zitelmann hat über dieses Thema ein Buch ­geschrieben, für das er nach eigener Darstellung 150000 Euro privates Kapital aufgewendet habe. Vor allem, um die Umfragen ­darin zu finanzieren.

Ein Ergebnis: Jeder zweite Deutsche hält Reiche für rücksichtslos und gierig. Ein anderes: Die meisten sind sich einig, dass es nicht in Ordnung ist, Minderheiten wie Muslime oder Juden zu verunglimpfen. Bei Reichen wird das gleiche Verhalten nur von einer Minderheit verurteilt.

Auf die Interview-Anfrage reagiert Zitelmann mit dem Vorschlag, es schriftlich zu führen. Dann erreicht BLICK ihn am Telefon. Er fliege bald in die USA, sagt er, drängt ­erneut auf schriftliche ­Fragen. Wir fragen, wieso es nicht einfach jetzt am ­Telefon gehe. «Also gut», sagt er, «dann los.»

Wann wurden Sie das letzte Mal mit Vorurteilen konfrontiert, weil Sie reich sind?
Rainer Zitelmann: Ich selbst habe damit gar keine Probleme. Das hängt auch mit dem Umfeld zusammen, in dem ich mich bewege. Aber mich stört es, wenn ich im Fernsehen Talkshows schaue und mir jeden Abend anhören muss, dass Reiche schreckliche Menschen seien.

Es regt Sie auf, obwohl Sie nicht betroffen sind?
Versetzen Sie sich mal in die Rolle von jemandem mit schwarzer Hautfarbe, der jeden Abend im Fern­sehen zu hören bekommt, Menschen mit schwarzer Hautfarbe seien ganz schrecklich.

Sie werden also gar nicht persönlich mit Vorurteilen über Reiche konfrontiert, sondern nur auf dem 
Umweg über die Medien?
Das hängt auch damit zusammen, dass ich kein Schild trage, auf dem steht, dass ich reich bin.

Vielleicht sieht man Ihnen den Reichtum ja an, wenn Sie in Ihrem Auto der 
Luxusmarke Bentley 
unterwegs sind?
Da kann es eher mal passieren, dass im Auto nebenan jemand ist – meist sind es Ausländer –, der den Daumen hebt und rüberruft: «Geiles Auto, was kostet das?» Da sind die Reaktionen eher positiv.

Geiles Auto, cooler Typ: Es ist demnach genau andersherum als in Ihrem Buch.
Es gibt ja nicht nur Leute, die neidisch sind. Ganz viele junge Männer finden das klasse, die wollen auch mal so sein wie ich, wenn sie 
60 sind.

Klar.
Ich habe ja auch eine gute Figur und eine hübsche junge Freundin.

Als Reicher werden Sie also bewundert.
Ja, als Reicher ist man ja nicht nur mit negativen ­Reaktionen konfrontiert, sondern hat auch positive Dinge im Leben, sogar überwiegend.

Da wohlhabende Zeitgenossen durchaus Vorteile im Leben haben, steht Ihr Buch über die benachteiligten, mit Vorurteilen konfrontierten Reichen für viele wohl etwas schräg in der Landschaft.
Es gab über dreissig Besprechungen meines Buchs in den Medien. Die waren erfreulicherweise alle sehr positiv.

Wow!
Natürlich gibt es auch Leute, die das anders sehen. Ich diskutiere gerne mit Andersdenkenden, beispielsweise mit Linken. Dort höre ich dann auch, dass ich und Reiche allgemein sich doch nicht beklagen könnten.

Was antworten Sie da?
Natürlich haben Reiche ein gutes Leben. Die eigentliche Gefahr sehe ich auch nicht in einer Situation wie heute.

In welchen Situationen sehen Sie sie sonst?
Wenn eine grössere Verwerfung kommt, etwa eine Neuauflage der Finanz­krise. Dann kommt der kritische Moment für Reiche, wo sie als Sündenböcke herhalten müssen. Das war schon immer so. Dann gibt es ganz gravierende negative Massnahmen gegenüber Reichen.

Sie sprechen von einer Zukunftsangst.
Vorurteile und das Sündenbockdenken sind schon jetzt latent da. Gravierende negative Auswirkungen kommen dann erst in Krisensituationen.

Zu solchen Krisensituationen kann es kommen, wenn die Unterschiede zwischen Arm und Reich sehr gross werden.
Eine Krise muss nicht unbedingt damit einhergehen, dass die Unterschiede besonders gross werden. Mit Krise meine ich, dass wir grosse wirtschaftliche Verwerfungen haben.

Ein Beispiel?
Etwa die Finanzkrise. 
99,9 Prozent der Menschen haben deren Ursachen doch gar nicht verstanden.

Das ist ja auch ein 
komplexes Thema.
Immer wenn sich die Menschen ein Unglück nicht erklären können, neigen sie dazu, die Schuld dafür auf Minderheiten zu schieben. Das war schon in der frühen Neuzeit so, da hat man Hexen dafür verantwortlich gemacht, später gab man die Schuld oft Juden.

Man sucht Sündenböcke.
Und dabei sind die Reichen besonders in Gefahr.

Sie sehen tatsächlich die Gefahr, dass Reiche bald als Sündenböcke hinhalten müssen?
Ja, wir sind ihr jedenfalls in den vergangenen Jahren nähergerückt.

Woran machen Sie das fest?
Weltweit werden die Attacken auf Reiche verschärft.

Und zwar wie?
In den USA sieht man das bei den Demokraten, der eine fordert 70 Prozent Steuern, der andere 77 Prozent und dazu noch hohe Vermögenssteuern. Und in Frankreich greifen die Gelbwesten Luxusrestaurants an.

Und in Berlin, wo Sie wohnen?
Dort soll im April ein Volksbegehren zur Enteignung von privaten Immobilienbesitzern beginnen.

Da ist sie also schon, die aggressive Stimmung 
gegenüber Reichen ...
Politiker wollen nie schuld sein, deshalb brauchen sie Sündenböcke, und das sind dann die Reichen.

In der Regel sind die 
Sündenböcke wohl eher die Ausländer.
Das kann beides sein. Menschen am rechten Rand des politischen Spektrums, in Deutschland die AfD-Wähler, sind sehr stark gegen Ausländer und gleichzeitig gegen Reiche. Das hat unsere Befragung gezeigt.

Sie geben in Ihrem Buch spannende Umfrageresultate wieder. Etwa dass man Lottomillionären den Reichtum viel eher gönnt als Managern.
Das zeigt, wie irrational das ist! Die Leute sagen, dass der Manager zu wenig arbeitet, um so viel zu verdienen. Aber der Lottospieler hat noch viel weniger getan, der hat nur den Lottoschein ausgefüllt und Glück gehabt.

Mit dem Lottospieler können sich alle identifizieren.
Auch das ist absurd. Die Wahrscheinlichkeit auf ­einen Hauptgewinn im ­Lotto liegt bei einer zu 140 Millionen. Auch viele Selbständige haben keine Aussicht auf Erfolg, aber die Wahrscheinlichkeit, als Unternehmer vermögend zu werden, ist immerhin höher als beim Lotto. 

Eine Million Euro pro Jahr

Der Immobilieninvestor Rainer Zitelmann hat Geschichte und Politikwissenschaft studiert und ist zweifacher Doktor. Er war Journalist, dann gründete er ein PR-Büro, das vor allem Dienstleistungen für ausländische Immobilienfonds anbot. Nach eigenen Angaben verdiente er meist über eine Million Euro pro Jahr. Er ist Autor von insgesamt 21 Büchern, sein neustes heisst: «Die Gesellschaft und ihre Reichen». 

zvg

Der Immobilieninvestor Rainer Zitelmann hat Geschichte und Politikwissenschaft studiert und ist zweifacher Doktor. Er war Journalist, dann gründete er ein PR-Büro, das vor allem Dienstleistungen für ausländische Immobilienfonds anbot. Nach eigenen Angaben verdiente er meist über eine Million Euro pro Jahr. Er ist Autor von insgesamt 21 Büchern, sein neustes heisst: «Die Gesellschaft und ihre Reichen». 

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