Postfinance-Chef Hansruedi Köng über Sparmassnahmen beim Geldesel der Post
«Kein Lohn wird mehr als zehn Prozent sinken»

Die Postfinance muss sparen. Erstmals sagt CEO Hansruedi Köng, was das für die Angestellten bedeutet. Und was sich für die Kunden ändern wird.
Publiziert: 16.12.2017 um 23:45 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 21:20 Uhr
Interview: Moritz Kaufmann, Ulrich Rotzinger

Umbau bei der Postfinance! Im September macht BLICK ein tiefgreifendes Sparprogramm bei der Post-Tochter publik. Lange Zeit war nicht klar, was dies für die Angestellten bedeutet. Vergangene Woche informierte Postfinance-Direktor Hansruedi Köng (51) alle seine Angestellten über die Details. SonntagsBlick empfängt er in seinem Büro im Berner Hauptsitz, der direkt neben der Arena des Eishockey-Schweizermeisters SC Bern liegt. Der Chef hat seine Initialen auf den Manschetten eingestickt und wirkt sehr konzentriert.

Herr Köng, wie lang ist Ihr Arbeitsweg?
HansruediKöng: Zum Hauptsitz der Postfinance in Bern brauche ich 25 Minuten. Früher pendelte ich mehrere Jahre nach Zürich und Basel. Ich weiss also, wie es ist, wenn man zwei Stunden pro Weg hat.

Wie viel Wegzeit ist zumutbar?
Das ist von Person zu Person verschieden. Zwei Stunden sind sicher nicht für jeden zumutbar. Für mich persönlich war es das damals.

Wegen des Totalumbaus der Postfinance müssen St. Galler Mitarbeiter künftig über eine Stunde an den neuen Arbeitsort in Netstal GL pendeln, jene aus Bellinzona sogar nach Glattbrugg ZH. Wer macht da mit?
Wir hoffen, möglichst viele. Ich bin mir aber bewusst: Insbesondere für die Mitarbeiter in Bellinzona und Bulle FR ist das sehr schwierig.

Hat bereits jemand gekündigt?
Postfinance hat derzeit eine Fluktuationsrate von sechs bis sieben Prozent. Sie ist wegen des Umbaus in letzter Zeit nicht signifikant angestiegen. Aber wegen der neuen Standortverteilung gab es sicher einzelne Kündigungen.

Machen Sie uns nichts vor, solche «freiwilligen» Kündigungen haben Sie doch einkalkuliert!
Dem ist nicht so. Die Posttochter SPS (Swiss Post Solutions; Red.)will weiter wachsen und möchte unsere Mitarbeiter deshalb sehr gerne übernehmen.

2018 kostet der Umbau 45 Stellen, 120 Beschäftigte werden an die SPS ausgelagert. Die aber zahlt deutlich tiefere Löhne – Gewerkschaften sprechen von konzerninternem Lohndumping.
Wir müssen als Unternehmen effizienter werden. Das hat leider auch personelle Konsequenzen. Als reine Sparübung sehe ich die Auslagerung dennoch nicht. Es ergibt keinen Sinn, dass ein Konzern wie die Post zwei Plattformen für das Scannen von Zahlungsbelegen unterhält. Die von SPS ist moderner und unser Geschäft in diesem Bereich rückläufig. Darum macht die Verschiebung zu SPS Sinn.

Das geschieht allerdings auf dem Rücken der Mitarbeiter.
Nein. Wir haben mit den Gewerkschaften flankierende Massnahmen verhandelt. Sie gehen deutlich weiter als das, was GAV und Gesetz verlangen. Der Post­Finance-GAV ist 21 Monate lang weiter gültig – ab 1. Juni 2018 bis 29. Februar 2020. Wer von einem Wechsel des Arbeitsorts betroffen ist, erhält in dieser Zeit zusätzlich eine Mobilitätspauschale von 200 Franken pro Monat. Mitarbeiter von Bulle und Bellinzona, die noch weiter pendeln müssen, erhalten während dieser Periode aufgrund des langen Arbeitswegs fünf zusätzliche Ferientage pro Jahr.

Tiefere Löhne werden nur auf später verschoben!
Es kann nach den 21 Monaten Lohnanpassungen nach unten geben. SPS hat unseren Mitarbeitern aber zugesichert, dass kein Lohn mehr als zehn Prozent sinken wird.

Dann gibt es nach 2020 den nächsten Um- und Abbau?
Die Transformation der Postfinance geht schrittweise weiter. Ob das zu einem weiteren Personalabbau führt, kann ich heute noch nicht sagen. Sicher ist, dass wir erst am Anfang der Transformation zur digitalen Retailbank stehen. Wenn ich mich in der Branche umhöre, glaube ich, dass es für bestehende Prozesse durch die Digitalisierung künftig weniger Personal braucht.

Kunden sprechen dann mit Robotern statt mit Beschäftigten von Postfinance. Die verschickt keine Papierdokumente mehr, Kundenzonen in Filialen werden überprüft: Service-Abbau!
Es wird auch weiterhin Papierdokumente geben, wenn der Kunde das wünscht. Der Trend geht aber auch hier hin zu den digitalen Kanälen. Zum Filialnetz: Wir haben schweizweit lediglich 41 Standorte. Weniger sollen es nicht werden, denn der persönliche Kundenkontakt bleibt wichtig. Wir überprüfen aber, in welchen Filialen die Kundenzone wenig frequentiert ist, und werden in diesem Bereich gegebenenfalls Schliessungen vornehmen.

Kunden werden telefonisch motiviert, ihr Erspartes in Fonds zu stecken. Sie garantieren zwei Prozent Zins. Sind Sie so verzweifelt?
Wie andere Banken haben auch wir ein Interesse daran, dass unsere Kunden ihre Spargelder in Anlageprodukte wie beispielsweise Fonds investieren.

Kommt Ihre Fonds-Offensive an?
Fonds sind nicht für alle geeignet. Wir haben aber einen schönen Rücklauf. Über die letzten Monate sind mehrere Hundert Millionen Franken in unsere Fonds geflossen.

Ihr Büro liegt neben der Postfinance-Arena des SC Bern. Unser Sparvorschlag: Sie stellen das millionenteure Eishockey-Sponsoring ein.
Die Verträge mit dem Eishockeyverband und der Postfinance-Arena haben wir eben erst um fünf weitere Jahre verlängert, weil der Werbefranken hier sehr gut investiert ist. Wir stellen aber jeden Vertrag periodisch in Frage und haben zuletzt auch verschiedene Engagements reduziert.

Sie schlagen die Teilprivatisierung der Postfinance vor, im Gegenzug erhalten Sie das Recht, Hypotheken zu verkaufen.
Die Teilprivatisierung alleine bringt uns kein Geld. Problematisch ist, dass unser Geschäftsmodell durch das Kreditverbot eingeengt wird. Das ist schädlich für uns. Um auch in Zukunft nachhaltig profitabel zu sein, brauchen wir Zugang zu den Kreditmärkten. Aus unternehmerischer Sicht bin ich deshalb klar dafür, dass das Kreditverbot fällt.

Ab einer Million Kontoguthaben erheben Sie Negativzinsen. Werden Sie die Schwelle senken?
Im Moment sind keine solchen Schritte geplant. 2017 haben wir sogar einen Abzug von Kundenvermögen verzeichnet. Wir zahlen 2017 also weniger Negativzinsen als im Jahr zuvor.

Gibt es Gebührenerhöhungen? Bleibt das Geldabheben am Postomat gratis?
Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass es bis in alle Zukunft keine neuen Gebühren gibt. Wir machen uns natürlich Gedanken. Konkrete Massnahmen sind aber nicht geplant. Und der Bargeldbezug am Postomat vom eigenen Konto wird noch lange gratis bleiben.

Im Postfinance-E-Banking schalten Sie jetzt Werbung für Drittfirmen. Die kann man nicht wegklicken. Das nervt!
«Postfinance Benefit» ist ein Versuch, zusätzliche Erträge zu generieren. Wir werten gerade aus, was unsere Kunden davon halten.

Sie wollen aus der Postfinance ein «Digital Powerhouse» machen. Nach den E-Banking-Ausfällen in jüngster Zeit wirken Sie eher wie ein Pannenhaus!
Überall, wo man digital arbeitet, gibt es den einen oder anderen Ausfall. Das ist unschön und ärgert die Kunden. Fakt ist aber: Wir sind heute schon eine führende Digitalbank. Wir haben 1,7 Millionen E-Finance-Anwender. Über eine Million PostFinance-Kunden nutzen unsere App. Und wir haben das mobile Bezahlsystem Twint gegründet.

Der Post-Finanzchef warnt: 2017 wird die Post unter acht Milliarden Umsatz rutschen. Ein Grund: Bei der Postfinance schmelzen die Gewinne. Wie ernst ist die Lage?
Der Finanzchef des Konzerns hat recht. Ich erkläre es Ihnen ganz ­einfach: Wir haben 110 Milliarden Franken Kundengelder. Rund 80 Milliarden davon sind in Obligationen investiert. Es werden laufend Obligationen fällig, die wir durch neue ersetzen müssen. Obligationen werfen heute keine Zinsen mehr ab. Sie Fragen nach den Erträgen? Die schmelzen und schmelzen und schmelzen!

Zahlen, bitte!
Der Zinserfolg, unser Kerngeschäft, ist in den ersten neun Monaten 2017 um 57 Millionen Franken geschrumpft. Wir werden dieses Jahr zum ersten Mal seit zehn Jahren weniger als eine Milliarde Zinsertrag generieren. Damals hatten wir aber deutlich weniger Kundengelder. Diesen Rückgang können wir im laufenden Jahr noch mit ausserordentlichen Effekten im Wert von mehr als 200 Millionen überdecken.

Schreibt der Geldesel der Post demnächst Verluste?
So weit sind wir noch nicht. Und werden wir hoffentlich auch nie sein. Aber genau deshalb müssen wir uns transformieren.

Persönlich

Seit 2012 ist Hansruedi Köng (51) Chef von Postfinance. Zuvor arbeitete der Wirtschaftswissenschaftler unter anderem für die Basler Kantonalbank und das Beratungsunternehmen PwC. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.

Seit 2012 ist Hansruedi Köng (51) Chef von Postfinance. Zuvor arbeitete der Wirtschaftswissenschaftler unter anderem für die Basler Kantonalbank und das Beratungsunternehmen PwC. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.

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