Ihre Forderung war klar: Es brauche einen zweiten Lockdown, verkündeten knapp 60 Ökonomen vor rund drei Wochen in einem offenen Brief. Die aktuelle Politik der Schweiz hielten sie ökonomisch für «desaströs». Sie würde zu einer höheren Todesrate führen. Unterm Strich sei dem Land mit einem «gut organisierten» Lockdown besser gedient.
Es war ein Brandbrief. Unterschrieben von Wissenschaftlern, die in der ganzen Schweiz unterrichten. An den Universitäten in Genf, Lausanne, Freiburg, Neuenburg, Bern, Zürich, St. Gallen oder Lugano. Die Nachricht fand grosse Resonanz. Selbst die «Financial Times» nahm das Thema auf.
Die Rückmeldungen aber hatten es in sich. Der Lausanner Professor Florin Bilbiie (44), der die Aktion initiierte und koordinierte, berichtet von «einigen unangenehmen Kommentaren». «Aber das Schlimmste war eine Morddrohung auf Facebook.» «Erschiesst diese Ökonomen», habe jemand geschrieben. Drei Leute gaben ein Like.
Auch positives Feedback
Der Post sei mittlerweile von Facebook entfernt worden, sagt Bilbiie. «Wir haben uns bei der Polizei beschwert, auch formell, aber wir wissen nicht, ob sie die Sache in irgendeiner Weise verfolgt haben.»
Bilbiie und die anderen unterzeichnenden Ökonomen haben auch viel Zuspruch geerntet. Insbesondere das Feedback anderer Wissenschaftler und Gesundheitsexperten sei zuweilen «enthusiastisch» gewesen. Auch die meisten Ökonomen aus der Task Force hätten die Forderung «informell» unterstützt. Offiziell als Unterzeichner der Erklärung durften sie jedoch nicht auftreten.
Ob die Forderung letztlich begründet war, bleibt abzuwarten. Die Bilanz der zweiten Welle ist noch nicht gemacht. Die Todeszahlen sind traurig. Und ob das Schlimmste wirklich ohne nationalen Lockdown überstanden ist, kann noch nicht beurteilt werden. Selbst Anne Lévy, Chefin des Bundesamts für Gesundheit, ist vorsichtig. Im Interview mit SonntagsBlick sagt sie einzig: «Es sieht nach einer Trendwende aus.»