Nur der Lebenslauf zählt
Personalsuche wie zu Grosselterns Zeiten

Eine neue Studie zeigt: Die Realität der Personalsuche in der Schweiz ist konservativ und konventionell. Unternehmen setzen auf Lebensläufe, die perfekt zum Stellenprofil passen, und nutzen das Potenzial von Quereinsteigern zu wenig.
Publiziert: 30.10.2024 um 05:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.10.2024 um 13:18 Uhr
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In der Art, wie Firmen ihre Mitarbeitenden auswählen, hat sich seit Jahrzehnten nichts geändert.
Foto: Getty Images

Auf einen Blick

  • Schweizer Firmen rekrutieren konservativ und konventionell
  • Quereinsteiger-Potenzial wird zu wenig genutzt, Altersdiskriminierung bleibt bestehen
  • Studie befragte fast 1000 HR-Verantwortliche und Führungskräfte
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Christian KolbeRedaktor Wirtschaft

Schöne neue Arbeitswelt: In der modernen Firma arbeiten agile und diverse Teams. Eine bunte Mischung aus jungen Wilden, alten Erfahrenen, Frauen und Männern jeglichen Alters, Quereinsteigern und Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und sozialem Hintergrund. Das Ziel: Die Firma so aufzustellen, dass sie dank ihres Personals dem steten Wandel begegnen und sich immer wieder neu erfinden oder weiterentwickeln kann.

Die Realität in der Arbeitswelt und bei der Personalsuche ist allerdings eine ganz andere. Diese ist eher grau und düster und bei weitem nicht so bunt, wie sich das Management-Gurus in ihren Lehrbüchern ausmalen. Das zeigt die neue Arbeitsmarktstudie der Outplacement-Firma von Rundstedt zusammen mit dem Branchenmagazin «HR Today», die heute veröffentlicht wird. Eine Outplacement-Firma kümmert sich im Auftrag anderer Firmen um die berufliche Neupositionierung entlassener Mitarbeitenden.

Vom ersten Tag an produktiv

Das Fazit der Befragung von fast 1000 HR-Verantwortlichen und Führungskräften: In der Schweiz wird konservativ und konventionell rekrutiert. Das Einzige, was wirklich zählt, ist der Lebenslauf, der zu 100 Prozent auf das ausgeschriebene Stellenprofil passen muss. «Das sogenannte Zero-Gap-Denken ist in vielen Firmen nach wie vor weit verbreitet», sagt Pascal Scheiwiller (51). «Die meisten Firmen suchen einen Nachfolger, der die gleichen Qualifikationen wie der Vorgänger mitbringt – ohne über die Weiterentwicklung der Stelle nachzudenken», erklärt der von-Rundstedt-CEO weiter.

Das habe auch damit zu tun, dass Firmen sehr viel Wert darauf legen würden, dass der oder die Neue gleich vom ersten Tag an einsetzbar und produktiv sei, so Scheiwiller. Die Kehrseite: Das Potenzial von Quereinsteigern, die etwas Einarbeitungszeit brauchen, wird viel zu wenig genutzt. Kommt dazu, dass meist immer noch über konventionelle Kanäle neues Personal rekrutiert wird. Also über die Firmenwebsite oder Stellenportale. Im Vergleich zu anderen Ländern werden etwa die eigenen Mitarbeitenden in der Schweiz zu wenig bei der Suche nach neuen Kolleginnen und Kollegen eingesetzt.

Wirtschaft droht Wettbewerbsnachteil

Jörg Buckmann (55), selbständiger HR-Experte, geht mit der Lernfähigkeit der Personalabteilungen hart ins Gericht. «In 9 von 10 Firmen wird noch so rekrutiert wie vor 50 Jahren.» Also so, wie schon zu Zeiten der Grosseltern der nachrückenden Generationen auf dem Arbeitsmarkt. Dazu kommt ein weiteres Problem: «Die erste Sichtung der Bewerbungen erfolgt oft durch Juniors in der Personalabteilung. Ihnen fehlt die Erfahrung, einen Bruch in der Karriere von älteren Bewerbern richtig einzuordnen», sagt Buckmann.

Die konservative Personalsuche kann zu einem Wettbewerbsnachteil werden: «Viele Unternehmen in der Schweiz vergeben die Chance, den digitalen Wandel besser zu bewältigen als andere Volkswirtschaften», warnt von-Rundstedt-CEO Scheiwiller.

Und noch etwas zeigt die Studie: Die Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt reisse trotz Fachkräftemangel und zunehmender Sensibilisierung nicht ab. Das ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermassen schlecht: Die Firmen verzichten freiwillig auf ein wichtiges Arbeitskräftepotenzial, jammern lieber über den Mangel und rekrutieren im Ausland. Und für Arbeitnehmende erschwert es die berufliche Neuorientierung, die für alle bereichernd sein könnte.

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