Nicht krank genug für die Versicherung
Diese Patientin heilten indische Medikamente

Tausende Hepatitis-C-Kranke in der Schweiz können sich offizielle Präparate nicht leisten, weil ihre Kasse die Zahlung verweigert. Jetzt bewegt sich auch das BAG.
Publiziert: 26.02.2017 um 19:32 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 15:53 Uhr
Kathia S.* ist endlich wieder gesund! Dank Hepatitis-C-Medikamenten aus Indien, die sie allerdings selber bezahlen musste. Hinter ihr liegt eine über 20 Jahre lange Leidenszeit.
Foto: Sabine Wunderlin
Bastian Heiniger

Kathia S.* steht im Garten ihrer neuen Wohnung. Dankbar hebt sie den Blick zum Himmel über den Bergen: Endlich ist sie wieder gesund! Dank Hepatitis-C-Medikamenten aus Indien, die sie allerdings selber bezahlen musste.

Hinter ihr liegt eine über 20 Jahre lange Leidenszeit. Vorbei der Streit mit der Krankenkasse, die nicht für ihre Behandlung zahlen wollte. Vorbei die ewige Müdigkeit, die Gliederschmerzen, die depressive Verstimmung.

Vorbei die Angst, einem neuen Partner von der Krankheit erzählen zu müssen. «Mir kamen die Tränen vor Freude, als ein erster Test zeigte, dass das Virus nicht mehr im Blut ist», sagt die 43-jährige Ostschweizerin.

Kathia S. gehört zu rund 15'000 Infizierten in der Schweiz, die unter Beschwerden durch das Hepatitis-C-Virus leiden – aber keine medikamentöse Behandlung bekommen, weil ihre Leber nicht ausreichend geschädigt ist.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat die Präparate wegen der hohen Preise rationiert und auf schwere Fälle beschränkt. Die dreimonatige Kur kostet zwischen 40'000 bis über 100'000 Franken.

1500 statt 100'000 Franken

«Es ist absurd», sagt Kathia S. «Man hat eine schwere Krankheit, muss aber warten, bis man noch kränker ist.» Auch der Arzt Philip Bruggmann (46) versteht das nicht.

Vor drei Jahren gründete er deshalb die Interessengemeinschaft Hepatitis-Strategie: «Das BAG engagiert sich zu wenig im Kampf gegen die Krankheit», sagt er.

Philipp Bruggmann setzt sich für Hepatitis-C kranke Personen ein. Und hilft ihnen, Medikamente aus Indien zu beziehen.
Foto: zvg

Seiner Meinung nach fehlt ein Hepatitis-C-Massnahmenplan, um die Behandlung für mehr Patienten möglich zu machen. Dadurch, glaubt Bruggmann, könnten die Medikamente günstiger werden. «Doch solange die Behandlungszahlen nicht steigen, sind die Pharmafirmen kaum zu Preissenkungen bereit.»

Seinen Patienten empfiehlt er, übers Internet Medikamente aus Indien zu bestellen, die dort umgerechnet 1500 Franken kosten. Vergangene Woche verkündete die Concordia als erste Krankenkasse, dass sie künftig diese Pillen für ihre Zusatzversicherten bezahlen werde.

Wie eine Umfrage von SonntagsBlick zeigt, ist nur Groupe Mutuel bereit, dem Beispiel eventuell zu folgen: «Wir überprüfen diese Möglichkeit», sagt Sprecher Yves Seydoux. Es fehle noch eine Garantie der Zulassungsstelle Swissmedic, welche die Qualität von Medikamenten sicherstellt. 

Bruggmann versichert, er habe mit den Lizenzprodukten aus Indien nur gute Erfahrungen gemacht. Sie seien identisch mit teuren Originalpräparaten. Dennoch müsse man sie auf eigene Gefahr bestellen.

Deshalb verschweigt sie ihre Krankheit

Kathia S. ist eine von bisher 50 Patienten, die das Risiko eingegangen sind. Denn ihre Gesuche für eine reguläre Behandlung in der Schweiz wurden zweimal abgelehnt. Auch ein Schreiben ans BAG half nicht.

Infiziert hat sie sich vor 25 Jahren in der Drogenszene. Es folgten Entzug, Rückfall, Entzug. Mit 26 Jahren holte sie die KV-Lehre nach, bildete sich weiter. «Heute führe ich ein bürgerliches Leben», sagt sie. «Ich habe einen guten Job, rauche nicht und ernähre mich gesund.»

Wegen ihrer Vergangenheit aber verschweigt sie die Krankheit lieber. «Es wäre einfacher, wenn ich mich durch eine Bluttransfusion angesteckt hätte!» 

Das BAG hat inzwischen eingelenkt. Eine Ausweitung auf neue Patienten erfolge in drei Monaten, sagt Sprecherin Emmanuelle Jaquet von Sury: Drogenabhängige und Menschen mit einer HIV-Infektion dürften sich dann in der Schweiz mit Originalpräparaten behandeln lassen.

Zudem habe man den Pharmakonzernen signalisiert, die Rationierung weiter zu lockern, falls dafür die Preise sänken. Darüber liefen derzeit Gespräche. 

Kathia S. interessiert das nur noch am Rande: «Ich habe wieder volle Energie», sagt sie. Im März soll ein letzter Test zeigen, ob sie vollständig geheilt ist.

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