Jeder Tag folgt einem genauen Plan. Aufstehen, Arbeit, Fussball. Timing ist alles im Leben von Fatbardha Alija. Bis zu jenem heissen Dienstag im August 2008. Ein einziger Moment verändert ihr Leben. Erst einen Monat zuvor hat sie die Lehre als Malerin abgeschlossen, spielt Fussball in der Nationalliga B beim FC Baden. Sie leitet das Spiel ihrer Mannschaft aus dem zentralen Mittelfeld heraus. Zuverlässig bringt sie ihre Leistung, im Trikot genauso wie im Übergewand.
Innert Sekunden ist dieses Leben Vergangenheit: Die damals 19-Jährige streicht eine Fassade, als sie «plötzlich einen heftigen Schlag auf den Kopf» spürt. Sie stürzt vom Gerüst, verliert das Bewusstsein. Erst in der Ambulanz kommt sie wieder zu sich. Sie erleidet ein Schädel-Hirn-Trauma. So heftig, dass sie einen epileptischen Anfall hat. Was genau passiert ist, bleibt unklar. Kein Kollege hat den Unfall beobachtet.
Doch das Martyrium beginnt erst nach dem Sturz. «Die Kopfschmerzen waren die Hölle», erinnert sich Alija. «Dabei wollte ich so schnell wie möglich wieder nach Hause, zur Arbeit und zum Training.» Doch an eine Rückkehr auf Baustelle oder Fussballplatz ist nicht mehr zu denken.
Monate dauert die Rehabilitation. Nicht nur die Schmerzen sind eine Qual, zum ersten Mal ist das zweitjüngste von fünf Geschwistern abhängig von anderen. Sie muss lernen, Dinge langsam anzugehen. «Ich wollte alles schneller machen, die Ärzte mussten mich bremsen.»
Ihr Lehrabschluss nützt ihr nichts mehr. «Ich konnte nicht mehr geradeaus laufen, geschweige denn auf eine Leiter steigen.» Die Suva wird auf den Fall aufmerksam und hilft ihr. Stundenlang bespricht Alija mit Berufsbildnern ihre Zukunft. Ein Bürojob kommt für sie, allen Schmerzen zum Trotz, nie in Frage. Am Ende blieb ein Beruf übrig: Fachkraft Kinderbetreuung.
Mit eisernem Willen absolviert sie in der Folge Schnupperlehren und Praktika. Schritt für Schritt steigert sie das Arbeitspensum. Am Ende erhält Alija eine Lehrstelle in einem Kinderhort des Kantons Aargau. Im Sommer feiert sie, 25 Jahre alt, ihren zweiten Lehrabschluss. Suva-Fall-Managerin Barbara Gloor, die Alija begleitet hat, ist noch heute beeindruckt: «Frau Alija hat durchgehalten, sich beruflich neu orientiert – und das mit einer unglaublichen Energie.»
«Es geht mir wieder gut», sagt Fatbardha Alija. Sogar eine Rückkehr in den Sport scheint nicht mehr unmöglich. Mehrere Vereine wollen sie als Juniorentrainerin gewinnen. Sie will es sich überlegen. Sie hat gelernt, sich Zeit zu lassen.