Neue Regeln für Stablecoins
Der Wettlauf um den digitalen Franken nimmt Fahrt auf

Seit die USA Stablecoins reguliert haben, bekommt das Thema weltweit Auftrieb. Nun will die Schweiz nachlegen. Doch es bleiben Hürden.
Publiziert: 11:38 Uhr
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Aktualisiert: 14:28 Uhr
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Schweizer Franken sind als Bargeld beliebt. Künftig soll es auch Stablecoins geben, die mit Franken besichert sind.
Foto: ©RMS VISUALS / JULIE BODY (Diese Illustration wurde von einem KI-Modell generiert und von einem Menschen überprüft und finalisiert.)

Darum gehts

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Holger Alich und Michael Heim
Handelszeitung

Die Zukunft des Zahlungsverkehrs konnte Janko Hahn schon ausprobieren. Der Leiter Treasury des Autozulieferers Autoneum hat im vergangenen November das neue «UBS Digital Cash» bei grenzüberschreitenden Zahlungen in Dollar und chinesischen Yuan in einem Pilotversuch getestet. Beim Digital Cash handelt es sich vereinfacht gesagt um Bankeneinlagen, die auf einer Blockchain abgebildet werden.

Hahn ist begeistert, das digitale Geld sei «bei grenzüberschreitenden Zahlungen ein echter Fortschritt». Denn die Zahlung werde unmittelbar auf dem Konto des Empfängers gebucht, der Absender habe volle Transparenz, und «wir bewegen uns im regulierten Rahmen, da wir weiterhin mit Banken arbeiten».

Solches Blockchain-Geld verspricht nicht nur schnellere, sondern auch billigere Zahlungen über Landesgrenzen hinweg: Denn bei klassischen Banküberweisungen ins Ausland sind je nach Währung bis zu drei Kreditinstitute beteiligt, daher können die Gebühren für eine Zahlung von einer Million zum Teil vierstellige Beträge erreichen. Gelder schnell und günstig mittels einer Blockchain zu versenden, das gilt als eine der Zukunftstechnologien im Finanzsektor.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

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Auch die Schweizerische Bankiervereinigung hat hierzu jüngst mit Erfolg einen Pilotversuch mit einem Deposit-Token durchgeführt). Neben solchen tokenisierten Bankeinlagen gelten Stablecoins als vielversprechende Lösung. Die Citibank sieht in ihnen nicht weniger als den «Chat-GPT-Moment» für die Blockchain-Technologie – sprich, damit könnte die Technik ein Massenpublikum erreichen.

Schweizer Pioniere wollen mitmischen

Tokenisiertes Bankenbuchgeld können nur Banken herausgeben, einen Stablecoin dagegen können auch andere Anbieter lancieren. Die bekanntesten Emittenten sind Tether und Circle. Allein Tether hat Token im Wert von 180 Milliarden Dollar ausgegeben. Statt mit Bankenbuchgeld sind solche Stablecoins quasi privates digitales Geld, das eins zu eins den Wert einer offiziellen Währung widerspiegelt, etwa den Dollar. Um die Wertstabilität sicherzustellen, sind die ausgegebenen Stablecoins vollständig mit Vermögenswerten gedeckt, also zum Beispiel mit Dollar-Guthaben oder US-Staatsanleihen.

Weltweit hat das Thema Stablecoin nun an Fahrt aufgenommen, auch in der Schweiz. Auslöser war, dass die USA mit dem Genius Act den Stablecoin-Sektor reguliert haben. Die USA wollen damit die Dominanz des Dollar stärken und gleichzeitig im Bereich digitales Geld eine Vorreiterrolle einnehmen.

Schweiz will Stablecoins regulieren

Das hat nun Hektik in der Schweiz ausgelöst. Die Schweiz sah sich lange als Vorreiterin in der Kryptoregulierung – in Sachen Stablecoins droht das Land jetzt überholt zu werden. Noch im Oktober will daher das Eidgenössische Finanzdepartement einen Vorschlag zur Überarbeitung des Finanzinstitutsgesetzes in die Vernehmlassung schicken. Ein Kernpunkt ist, Emittenten von Schweizer Stablecoins zu regulieren. Und am 10. Oktober tagte ein runder Tisch mit sechzig Vertretern aus Finanzindustrie, Unternehmen, Behörden und Wissenschaft, um Chancen und Risiken von in der Schweiz emittierten Stablecoins zu diskutieren.

Eingeladen hatte das Fintech Swiss Stablecoin AG, das die Emission eines Franken-Stablecoins vorbereitet. Gründerin und Verwaltungsratspräsidentin ist die ehemalige Ständerätin Pascale Bruderer. Sie selbst war schon dabei, als Facebook den Stablecoin Libra lancieren wollte – was vor rund drei Jahren aber am Widerstand der Regulierer scheiterte. Die Trump-Regierung will sich nun dagegen an die Spitze der Bewegung stellen.

Und die Schweiz muss nachziehen. «Es gibt ein immer breiter getragenes gemeinsames Verständnis, dass die Schweiz in Sachen Regulation nachbessern muss, um international nicht abgehängt zu werden», sagt Bruderer. «Ein Franken-basierter Stablecoin wird kommen. Entweder souverän und reguliert aus der Schweiz hinaus – oder aber lanciert durch einen ausländischen Anbieter.»

Banken müssen reagieren

Daher bewegen sich in der Frage mittlerweile auch die Banken: «Vor allem internationale Zahlungsverkehrsbanken haben jetzt die Sorge, dass Stablecoin-Anbieter aus dem Ausland ihnen Geschäft wegnehmen. Daher müssen Banken sich mit dem Thema auseinandersetzen», sagt Alexander Thoma, Leiter Digital Assets bei der Postfinance.

Die bisherige Zurückhaltung der Banken hat einen handfesten Grund: Sollte ein Franken-Stablecoin ein durchschlagender Erfolg werden, würden Kundinnen und Kunden ihre Einlagen von den Banken abziehen und umtauschen. Weniger Einlagen heisst für Banken aber, dass sie weniger Geld für Kredite haben. Damit steigen die Refinanzierungskosten, oder die Banken müssen alternativ ihre Kreditgeschäfte einschränken.

Die US-Bank Citi schätzt in einer Studie, dass das Volumen der ausgegebenen Stablecoins bis 2030 von derzeit rund 280 Milliarden auf rund 1,9 Billionen Dollar steigen wird. Rund die Hälfte dieses Volumens stamme von klassischen Bankeinlagen – das wären 2,5 Prozent aller ausstehenden Einlagen der US-Banken.

Stablecoins kommen in der Realwirtschaft an

Aber warum soll das Angebot an digitalem Geld derart emporschnellen? Bisher wurden Stablecoins primär genutzt, um Dollar in die Kryptowelt zu übertragen. Mit dem USDT – dem Tether-Coin – wurden dann Kryptowährungen wie Bitcoin gekauft. Doch laut einer Studie des Zahlungsabwicklers Visa hat sich der Umlauf von Stablecoins mittlerweile von Kryptoanlagen entkoppelt. Stablecoins werden zunehmend in der Realwirtschaft eingesetzt.

In Schwellenländern mit hoher Inflation werden Dollar-Coins genutzt, um einfach und schnell Zugang zu Dollar zu bekommen. Oder sie werden gebraucht, um billiger Geld vom Ausland in die Heimatländer zu schicken, da in Schwellenländern die Bankeninfrastruktur noch unterentwickelt ist. Daher lauten derzeit fast 98 Prozent aller Stablecoins auf den Dollar.

Doch selbst die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) glaubt, dass es einen Nutzen für Franken-Stablecoins geben kann. «Den grössten potenziellen Nutzen sehen wir bei grenzüberschreitenden Zahlungen und beim Liquiditätsmanagement», sagt Martin Hess, Leiter Wirtschaftspolitik der SBVg. «In Zukunft könnten programmierbare Zahlungen ein Nutzungsargument sein» – etwa, wenn sich Maschinen autonom untereinander Leistungen verrechnen.

Hess betont aber, dass die SBVg noch keine abschliessende Meinung zu dem Thema formuliert habe – dazu müsse der Bankenverband erst wissen, was Bern in Sachen Regulation plane. «Es gibt zahlreiche Use-Cases für einen gut regulierten Stablecoin: beim Handel mit digitalen Vermögenswerten, im Treasury-Management, als kostengünstiges Zahlungsmittel – speziell bei grenzüberschreitenden Zahlungen – und für intelligente Transaktionen, zum Beispiel automatisiert ausgelöst direkt bei einer Lieferung. Stablecoins lassen sich in Treueprogramme integrieren, und Zahlungen lassen sich programmieren», erklärt Fintech-Unternehmerin Bruderer.

Die Finma-Regeln bremsen

Doch damit ein digitaler Franken als Schweizer Stablecoin ein Erfolg wird, muss die Regulierung angepasst werden. Darin sind sich alle Beteiligten einig. «Die strengen Geldwäscheregeln der Finma für Stablecoins führen dazu, dass de facto deren Emission in der Schweiz unterbunden wird», sagt SBVg-Experte Hess.

Derzeit verlangt die Finma, dass die Nutzer von Stablecoin jederzeit identifiziert sein müssen. Dies kann durch die Herausgeber selbst oder durch andere Finanzintermediäre erfolgen, die den Geldwäsche-Regeln unterliegen. Damit soll eine anonyme Verwahrung und Übertragung des Digitalgeld verhindert werden. Kritiker halten dies für zu streng.

Wie die Reform aussehen soll

Die Finma verteidigt sich und verweist auf die erheblichen Geldwäscherisiken, sollten Stablecoins anonym übertragen werden können. Dem Vernehmen nach sollen die sehr strengen Geldwäscheregeln etwas gelockert werden, wie auch schon die «Finanz und Wirtschaft» schrieb. So sollen Emittenten nur noch beim Ein- und Auszahlen von Stablecoins gegen Franken die Inhaber identifizieren und prüfen – aber nicht mehr, wenn die einmal geprüften Wallet-Inhaber untereinander mit Coins zahlen.

Bei der Prüfung der Wallet-Inhaber soll eine Blacklist eingeführt werden– sprich, dubiosen Gestalten soll es verboten werden, ein Wallet zu besitzen. Das zuständige Staatssekretariat für internationale Finanzfragen will zum Inhalt der Vorlage noch nichts sagen.

Doch selbst mit neuer Regulierung wird ein Schweizer Stablecoin kein Selbstläufer. So verdienen Tether und Circle ihr Geld damit, dass sie die Zinsen kassieren, welche die Vermögenswerte im Sicherungsfonds abwerfen. «In der Schweiz werfen Franken-Anleihen aber nichts ab, und damit ist der Business-Case eines Franken-Stablecoins komplexer», sagt Thoma von der Postfinance.

Die Migros winkt ab

Zudem stellt sich die Frage: Wer braucht wirklich einen digitalen Franken? Stablecoin-Pionierin Bruderer ist überzeugt, dass dieser auch für den Handel interessant sein könnte, um den Gebühren von Visa, Mastercard und Twint zu entgehen.

Doch das ist noch Zukunftsmusik, wie eine Nachfrage bei der Migros zeigt: «Aktuell sehen wir kein Bedürfnis, Stablecoins in unser Bezahlsystem oder für alltägliche Einkäufe zu verwenden.» Auch Autoneum-Treasurer Hahn ist bei Stablecoins von privaten Emittenten skeptisch. Banken können also vorerst aufatmen: Sie dürften nicht so schnell obsolet werden.

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