Darum gehts
Die Schweizerische Nationalbank wird am Donnerstag ihren nächsten Zinsentscheid bekannt geben. Analysten rechnen damit, dass der Leitzins erneut fällt – von derzeit 0,5 Prozent auf 0,25 Prozent. Damit rücken Nullzinsen oder gar Negativzinsen immer näher.
Bereits im letzten Herbst hat der neue SNB-Präsident das Unwort Negativzinsen in den Mund genommen. Im Dezember dann hat Martin Schlegel (48) an einer Veranstaltung ausgeführt, dass «niedrige Zinssätze und negative Zinssätze nicht von unserem Werkzeugkasten ausgeschlossen sind». Und Schlegel betonte: «Niemand mag Negativzinsen, die SNB mag keine Negativzinsen, aber wenn es notwendig ist, sind wir bereit, den nächsten Schritt zu tun.»
Auch wenn die offensive Wortwahl eines SNB-Präsidenten noch ungewohnt ist, für langjährige Beobachter kommt sie nicht völlig überraschend.
«Angesichts der Geldpolitik der letzten Jahre halte ich die Wiedereinführung von Negativzinsen – leider – für ein sehr realistisches Szenario», sagte der Ökonom Adriel Jost (39) letzten Dezember zu Blick. «Wir haben uns an Negativzinsen gewöhnt, obwohl sie 2015 ursprünglich nur als Gegenschocktherapie zur Aufhebung des Mindestkurses eingeführt wurden.» Allerdings habe die SNB zu lange an dem Instrument festgehalten.
«Die Nationalbank kann nicht anders», erklärte der Geldökonom Fabio Canetg (36) noch Ende 2024. «Würde sie Negativzinsen von vornherein ausschliessen, würde der Franken sofort massiv aufwerten.»
Zinsprognosen sinken rapide
Noch ist der Leitzins einige Zinsschritte vom Negativbereich entfernt, doch das könnte sich bereits an der nächsten geldpolitischen Lagebeurteilung der SNB am Donnerstag ändern. Senkt sie den Leitzins auf 0,25 Prozent, wären es noch zwei kleine Zinsschritte oder ein grosser Schritt über 0,5 Prozent – und Negativzinsen würden ihr Comeback feiern.
Immer mehr Prognostiker haben in den letzten Monaten ihre Zinsprognose nach unten angepasst. Wie zum Beispiel Raiffeisen. Die Bank sieht den Leitzins in der Schweiz schon im nächsten Sommer gegen 0 Prozent sinken. «Wenn die Nationalbank der Exportwirtschaft helfen kann, dann wird sie ihren Spielraum ausnutzen. Spielraum hat sie, da die Inflation in der Schweiz besiegt ist», hiess es vonseiten der Bank auf Anfrage im Dezember.
Im November lag die Teuerung noch bei 0,7 Prozent, im Februar noch bei 0,6 Prozent. Wenn sich das für die meisten anders anfühlt, hat das damit zu tun, dass zum Beispiel die stetig steigenden Krankenkassenprämien nicht im Warenkorb für die Berechnung der Inflation berücksichtigt sind. Und in der Schweiz vor allem Inlandgüter nach wie vor teurer werden.
Banken fehlt Geld für Hypotheken
Sinkende Zinsen wären ein Grund zur Freude für Eigenheimbesitzer – und solche, die es werden wollen. Kaufen ist wieder attraktiver als Mieten, trotz steigender Immobilienpreise. Doch wer ein leistbares Objekt findet, steht plötzlich vor einem neuen Problem.
«Die Banken sind ausgeschossen. Sie haben kein Geld mehr, um noch mehr Hypotheken zu vergeben», sagt Andrian Wenger (52), Hypotheken-Experte beim VZ Vermögenszentrum. «Das gilt vor allem für die Inlandbanken, die Hypotheken von UBS und CS übernommen haben.»
Die Folge: Die weiteren Zinsschritte der Nationalbank werden die Zinsen gerade für Festhypotheken nicht mehr viel weiter sinken lassen. Das sei alles schon eingepreist, heisst es bei den von Blick befragten Banken. Gemäss Wenger haben die Finanzinstitute kein grosses Interesse mehr an der Vergabe neuer Hypotheken: «Ich höre immer wieder von Kunden, dass sie Banken um eine Offerte für eine Hausfinanzierung anfragen und gar keine Antwort mehr erhalten.»
Problem könnte sich verschärfen
Die Hintergründe: Die SNB hat die Mindestreserven erhöht und nimmt den Banken Liquidität weg. Zudem wurden die Eigenmittelanforderungen für Banken nach oben angepasst. Dadurch können die Banken weniger Hypotheken finanzieren. «Das Hypothekenkapital wird somit rar, der Preis fürs Geld steigt, auch wenn der Zinstrend klar sinkend ist», erklärt Wenger.
Das Problem könnte sich noch verschärfen: Je tiefer die Zinsen fallen, desto unattraktiver wird es, Geld auf dem Sparkonto zu bunkern. Allerdings brauchen die Banken diese Spargelder, um damit Kredite an Hausbesitzer und -käufer zu vergeben. Rund 90 Prozent der Hypotheken in der Schweiz sind mit den Spargeldern der anderen Bankkunden finanziert.
Nicht ohne Nebenwirkungen
Die letzte Phase der Negativzinsen hat gezeigt, die Kleinsparer wurden für ihre Einlagen nicht zur Kasse gebeten. Selbst als der Leitzins zwischen Anfang 2015 und Mitte 2022 bei minus 0,75 Prozent lag, fielen die Sparzinsen nicht unter Null. Umgekehrt können auch Hypothekarschuldner nicht von Negativzinsen profitieren, da sich die Banken vertraglich abgesichert haben. Der Ausgangszins für die Berechnung einer Hypothek kann auch nicht unter Null fallen.
Viele denken mit grossem Unbehagen an die Zeit der Negativzinsen zurück. Denn wie es Adriel Jost auf den Punkt bringt: «Negativzinsen gibt es nicht umsonst. Ohne Nebenwirkungen geht es nicht.» Angefangen bei den Pensionskassen, denen die sicheren Anlagen für die Verzinsung der Altersguthaben fehlen, über heiss laufende Aktien- und Immobilienmärkte bis hin zu Firmen, die in riskante Projekte investieren, die sich in normalen nie rechnen würden.