Finanzspritze ist nicht für Dividenden!
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Thomas Jordan:Finanzspritze ist nicht für Dividenden!

Nationalbank-Präsident Thomas Jordan hilft den Banken – und warnt sie
Finanzspritze ist nicht für Dividenden!

Die Nationalbank macht sich Sorgen um die Wirtschaft. Noch aber habe es genügend Liquidität im System, beruhigt Nationalbankpräsident Thomas Jordan im Gespräch mit Blick TV. Und erklärt, warum Devisenkäufe derzeit das beste Mittel sind.
Publiziert: 19.03.2020 um 21:57 Uhr
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Aktualisiert: 23.03.2020 um 22:36 Uhr
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Die Schweizerische Nationalbank hat eine wichtige Rolle, um die Wirtschaft durch die Krise zu führen.
Foto: keystone-sda.ch
Christian Kolbe und Anja Müggler

In der aktuellen Krise braucht es auch die Schweizerische Nationalbank (SNB). Deshalb achten die Währungshüter peinlichst genau auf die Einhaltung der Hygiene- und Distanzvorschriften, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern.

So kann zum Beispiel nur eine Person alleine in den engen Lift, um am Hauptsitz der SNB in Zürich in den Konferenzraum hochzufahren, wo Nationalbankpräsident Thomas Jordan (57) Blick TV zum Interview empfängt. Auf eine Begleitperson im Lift wird verzichtet, der nötige Abstand wäre nicht einzuhalten.

SNB funktioniert auch im Homeoffice

Zu Beginn des Interviews beruhigt Jordan: «Im Direktorium der Nationalbank sind alle gesund. Wir haben uns so organisiert, dass alle Funktionen, die die Nationalbank in dieser schwierigen Situation wahrnehmen muss, auch wahrgenommen werden können.»

Auch auf Homeoffice ist die Nationalbank bestens vorbereitet, die Mitarbeiter haben Computer zu Hause und können über sichere Verbindungen auf die Systeme zugreifen. «Das gilt auch für das Direktorium», ergänzt Jordan. «Wir können Entscheide an Telefonkonferenzen treffen.»

So ein geldpolitischer Entscheid ist heute gefallen: Die SNB hält an ihrer lockeren Geldpolitik fest. Sie erhöht den Negativzins-Freibetrag der Banken und prüft zusätzliche Massnahmen. Der Leitzins bleibt bei minus 0,75 Prozent. Ausserdem will sie weiterhin am Devisenmarkt intervenieren, um eine weitere Aufwertung des Frankens zu verhindern. In Krisenzeiten flüchten sich Anleger gerne in sichere Währungen wie den Franken.

Einbruch der wirtschaftlichen Aktivität

«Wir müssen immer eine Güterabwägung machen: Welches geldpolitische Instrument wirkt in dieser Situation am besten? Wir sind zum Schluss gekommen, dass es jetzt besser ist, die Devisenmarktinterventionen zu verstärken, um die Aufwertung des Frankens zu reduzieren», so Jordan. Das helfe der Wirtschaft mehr als eine weitere Senkung der Negativzinsen.

Das sei die richtige Strategie, sagte Jordan am Morgen an einer Telefonkonferenz: «Zinssenkungen helfen nicht immer, wir müssen nun das Virus bekämpfen, und wir müssen vor allem sicherstellen, das es genügend Liquidität im Finanzsystem hat.»

Grossen Sorgen macht sich die Nationalbank um die Schweizer Wirtschaft. «Wir müssen damit rechnen, dass es zu einem starken Einbruch der wirtschaftlichen Aktivität in der Schweiz kommt», befürchtet Jordan: «Viele Läden sind geschlossen, Fabriken fahren die Produktion herunter, bestimmte Dienstleistungen können nicht mehr erbracht werden.»

Banken müssen Verantwortung übernehmen

Für die SNB ist klar, die Schweizer Wirtschaft wird in diesem Jahr schrumpfen. Um wie viel – eine genaue Zahl nennen nicht einmal die Experten der Notenbank: Es gebe zu viele Unsicherheiten, das mache die Prognose schwierig, erklärt Jordan.

Die Negativzinsen hat die SNB nicht verschärft, im Gegenteil: Die Nationalbank hat den Freibetrag für Banken, für den diese keine Negativzinsen auf ihren Guthaben bei der SNB bezahlen müssen, nochmals erhöht. Das sollte die Banken um rund 600 Millionen Franken entlasten. «Das wäre sehr ungünstig, müssten nun auch Kleinsparer Negativzinsen bezahlen. Auch deshalb entlasten wir die Banken, damit das nicht passiert», so Jordan. «Wir geben den Banken mehr Spielraum, damit sie ihre Verantwortung für die Wirtschaft besser wahrnehmen können.»

An der Telefonkonferenz am Vormittag wies Jordan explizit darauf hin, dass die Banken den Spielraum nicht nützen sollten, um mehr Dividenden auszuschütten. Er sei aber fest überzeugt, dass sie sich ihrer Rolle bewusst seien.

Helikoptergeld keine gute Idee für die Schweiz

Noch habe es genügend flüssige Mittel im Finanzsystem, ein Liquiditätsengpass drohe nicht. Die Nationalbank beobachte die Situation aber genau. Denn die Banken haben in der Krise eine zentrale Funktion. Sie müssen Firmen mit Krediten versorgen oder die Möglichkeit einräumen, falls nötig, das Konto zu überziehen. Denn viele Firmen haben nach wie vor laufende Kosten, während die Einnahmen wegbrechen.

Geldpolitik alleine kann die Wirtschaft nicht aus dieser Krise führen. Deshalb arbeitet die Nationalbank mit Bund und Behörden zusammen. «Geldpolitik ist wichtig, aber noch zentraler sind die Massnahmen, die der Bund ergreifen kann», erklärt Jordan.

Dem sogenannten Helikoptergeld, der direkten Geldverteilung an alle Bürger, erteilt Jordan eine Absage: «Das ist in der aktuellen Situation keine gute Idee für die Schweiz. Wenn wir mit der Giesskanne jedem 1000 oder sogar 5000 Franken geben würden, dann würde das sehr wenig zur Lösung der aktuellen Krise beitragen.»

Viel wichtiger sei es, dass man den Direktbetroffenen helfe, sei es einzelnen Personen oder ganzen Haushalten, und dass man Unternehmen mit Krediten versorge, so Jordan.

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