Nach SNB-Entscheid haben Keynes-Jünger wieder Konjunktur
Lesen Sie bitte den Joseph Schumpeter!

Der Ruf nach staatlichen Konjunkturprogrammen wird in der Krise lauter werden. Ein Irrweg.
Publiziert: 18.01.2015 um 22:20 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 01:05 Uhr
Von René Lüchinger

Sachte bringen sie sich wieder in Stellung, die Keynesianer, die bei jeder Wirtschaftskrise aus den Löchern kriechen. Ihr Rezept: Stottert die Wirtschaft, muss der Staat die Nachfrage stimulieren. Nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch Nationalbankpräsident Thomas Jordan haben Keynesianer wieder Hochkonjunktur.

Noch wagt keiner, staatliche Konjunkturprogramme zu fordern – die ideologischen Positionen jedoch werden bezogen.

«Wir müssen die Lage jetzt beobachten», meint Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Sofort zur Stelle ist die Sozialdemokratin Susanne Leutenegger Oberholzer und macht auf Empörung: «Brandgefährlich» sei, was Jordan da getan habe. «Massive Gefährdung», diagnostiziert Daniel Lampart, Chefökonom der Gewerkschaften. Und SP-Nationalrat Cédric Wermuth macht sich «Sorgen um den Industriestandort Schweiz». Da ist der Weg zur Forderung nach staatlichen Konjunkturprogrammen nicht mehr weit.

Alle diese Staatsgläubigen haben einen wortgewaltigen Fürsprecher: John Maynard Keynes. Der britische Ökonom schrieb 1926 mit dem Epochenwerk «The End of Laissez-faire» die Bibel der Staatsinterventionisten. Darin zertrümmert er das seit Adam Smith gültige Axiom der Wirtschaftspolitik, wonach die «unsichtbare Hand des Marktes» Konsum und Arbeit, Preise und Zinsen in einem System der Selbststeuerung der Wirtschaft zum Wohle aller reguliert. Der Schotte Smith, ein Kind der Aufklärung, gilt als Begründer der Nationalökonomie.

150 Jahre später wird John Maynard Keynes zu seinem Gegenspieler. Zum Begründer der Staatsregulierung, die diese Hand des Marktes in Ketten legen will. Er postuliert in Zeiten der Krise das sogenannte Deficit spending – Staatsverschuldung in grossem Stil: Infrastruktur- und Investitionsprojekte sollen den Menschen Arbeit geben und die Nachfrage ankurbeln.

Es gibt freilich eine Alternative zu Keynes’ Theorie der ökonomischen Krisenbewältigung: Sie heisst Joseph Schumpeter. Der Ökonom aus Österreich veröffentlicht 1912 sein 600-Seiten-Werk «Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung»: ein Gegenprogramm zu Keynes’ Ruf nach dem Schuldentreiber Staat. Darin beschreibt er die Kraft der «schöpferischen Zerstörung», die jeder prosperierenden ökonomischen Entwicklung innewohne. Er prägt den Begriff des «dynamischen Unternehmers», der mit Innovationskraft immer Neues kreiert – neue Produkte, neue Märkte, neue Jobs – und so Überholtes überwindet, eben zerstört.

Dieser Prozess erfolgt nach Schumpeter «in Wellenschlägen von Prosperität und Depres­sion» und prägt die Konjunkturzyklen. Leben und Tod, Innovation und Zerstörung sind, frei nach Schumpeter, der chaotisch wuchernde Humus, auf dem Fortschritt und Prosperität wachsen. Damit wird Schumpeter zum grossen Gegenpol von Keynes’ Staatsglauben.

Beide Ökonomen sind 1883 geboren. Schumpeter wird Professor in Harvard (USA), Keynes in Cambridge (Grossbritannien). Beide lieben das pralle Leben.

Der Österreicher pflegt in jungen Jahren mit Prostituierten um die Häuser zu ziehen und hegt die Ambition, zum «besten Liebhaber Wiens» aufzusteigen.

Keynes lebt seine Homosexualität zunächst promiskuitiv aus, heiratet schliesslich eine russische Ballerina und bedauert, wie er einmal sagt, in seinem Leben nicht mehr Champagner getrunken zu haben.

Während Schumpeter ausserhalb der Wissenschaft in Vergessenheit gerät, wird Keynes zum Säulenheiligen der Politiker in westlichen Wohlfahrtsstaaten. Die meisten von ihnen verdrängen allerdings den zweiten Teil seiner Theorie: Die in der Krise aufgebauten Schulden sind im nächsten Aufschwung vollständig abzutragen.

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