Nach BLICK-Enthüllung über Burn-out-Fall bei der Unia
Jetzt melden sich weitere Stress-Opfer

BLICK berichtete darüber, wie sich ein Unia-Mitarbeiter sich mit über 800 Überstunden ins Burn-out ackerte. Nun zeigen Recherchen: Es ist nicht der einzige Fall in der Unia-Region, für die SP-Nationalrat Corrado Pardini zuständig ist.
Publiziert: 16.06.2017 um 23:58 Uhr
|
Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:12 Uhr
SP-Nationalrat Corrado Pardini (51) ist für die Unia-Region Biel-Seeland/Solothurn zuständig. Dort gab es mehrere Fälle von Burn-out.
Foto: Keystone
Vinzenz Greiner

Ein Mitarbeiter der Arbeitslosenkasse (ALK) der Unia-Region Biel-Seeland/Solothurn hat über 800 Überstunden in 13 Monaten angehäuft. Seine Hilferufe stiessen bei den Chefs auf taube Ohren. 2014 brach er mit einem Burn-out zusammen. BLICK machte den Fall letzte Woche öffentlich.

Die Unia-Zeitung «Work» gesteht nun Fehler der Vorgesetzten ein. Solche Vorfälle zeigten, wie wichtig es sei, Arbeitszeiten zu kontrollieren. Ähnlich hatte sich SP-Nationalrat Corrado Pardini (51) geäussert, als BLICK ihn mit dem Fall konfrontierte. Pardini ist in der Unia-Geschäftsleitung für die Region zuständig.

Weiterer Gewerkschafter erlitt 2015 ein Burn-out

Pardini wusch seine Hände in Unschuld: Als er vom Problem erfahren habe, habe er sofort gehandelt und schwer sanktioniert, sagt Pardini zu BLICK. 

Doch noch 2015, als Pardini nach eigenen Angaben am Aufräumen war, brannte ein weiterer Mitarbeiter der ALK Biel-Seeland/Solothurn aus. D.* kratzte bereits im August 2014 mit 150 Überstunden an der legalen Höchstüberzeit von 170 Stunden pro Jahr. Diese Grenze überschritten mehrere Mitarbeiter der Region, D. überschritt seine eigene: Er erlitt ein Burn-out. 

«Ich musste ständig erreichbar sein»

«In anderen ALK werden 150 Dossiers bearbeitet, wir hatten 300!», erinnert sich D. Der Druck sei aber auch in der klassischen Gewerkschaftsarbeit ähnlich gross gewesen. D. hatte ihn gespürt, als er 2013 als Gewerkschaftssekretär in Solothurn schon einmal in ein Burn-out fiel.

«Überstunden sind das eine», sagt D. «Das andere waren die Aufgaben. Wir mussten mindestens 100 Mitglieder pro Jahr werben!» Nicht mal am Wochenende habe er sich erholen können. «Ich musste ständig erreichbar sein. An Demonstrationen teilzunehmen, gilt in der Unia als Engagement!», erklärt D.

«Hopfen und Malz verloren!»

Pardini sagte vor Wochenfrist, die Mitarbeiter leisteten freiwillig Extraschichten und müssten vor sich selbst geschützt werden. «Notfalls vor ihrer eigenen Übermotivation.»

Burn-out-Opfer D. ist entsetzt über die Aussage: «Wenn ein Gewerkschafter so etwas sagt, dann ist Hopfen und Malz verloren!» Es habe schlicht «zu wenig Personal und zu viele Aufgaben» gegeben.

Neben D. brachen drei weitere Unia-Mitarbeiter aus Pardinis Region unter dem Druck zusammen, wie ein ehemaliger Mitarbeiter berichtet. So sei Gewerkschaftssekretärin E. in Olten SO 2009 in ein Burn-out gefallen. ALK-Mitarbeiterin C. sei im September 2015 an einem Burn-out erkrankt.

Wie viel weiss die Unia wirklich?

Auf Anfrage von BLICK bestätigt sie dies, zieht später aber die Aussage zurück – sie habe mit der Unia abgeschlossen. Ein anderer Gewerkschaftssekretär in Solothurn, G., der laut dem Informanten 2008 in ein Burn-out fiel, bestreitet dies.

Als BLICK Pardini mit den Fällen konfrontiert, schickt er Unia-Sprecher Pepo Hofstetter vor: «Uns sind keine weiteren Fälle von Burn-outs bekannt», teilt der mit.

Bis 2009 war Pardini Regionalsekretär. Jetzt steht er als Industriechef an der Spitze der grössten Gewerkschaft. «Pardini setzt seine Leute strategisch in Orten und Regionen ein, um seine Macht zu sichern», sagt ein ehemaliger Mitarbeiter.

Gefolgsleute von Corrado Pardini in Regio-Leitung

So sitzen Alain Zahler (45) und Jesus Fernandez (58), die beiden Leiter der Region, fest im Sattel. 2016 übertrug Pardini die regionale ALK-Leitung an Zahler, der als Freund von Pardini gilt.

Opfer D. sagt, die Burn-out-Fälle seien Folge davon, dass bestimmte Leute am Ruder sässen. «Das Ganze fängt ganz oben an.»

Ein anderer Mitarbeiter, der noch immer dort arbeitet, gesteht der Führung Fortschritte zu: «Es kann sein, dass mit Verspätung reagiert wurde, aber man hat reagiert», sagt er. Heute werde die Überzeit kontrolliert.

* Namen der Redaktion bekannt

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Wo die Unia sonst gegen eigene Forderungen verstösst
  • Arbeitszeiterfassung

Geht es nach der Unia, müssen Arbeitszeiten exakt erfasst werden. Forderungen nach einer Liberalisierung geisselte Vania Alleva (47) im Sommer 2016 als «Angriff auf das Arbeitsgesetz».

Kurz vorher sagte die Unia-Präsidentin laut einem Sitzungsprotokoll, die Einführung eines einheitlichen elektronischen Instruments zur Arbeitszeiterfassung sähen manche in der Gewerkschaft «skeptisch, da sie eine künftig buchhalterische Handhabung der Arbeitszeiten befürchten».

Die Unia-Region Zürich-Schaffhausen erfasst seit Oktober 2016 die Arbeitszeit – widerwillig. «In der Schweiz gilt seit 1. Januar 2016 die Pflicht, die Arbeitszeit zu erfassen. Dem müssen auch wir nachkommen», hiess es in einem internen E-Mail. Allein, die Arbeitszeiterfassung ist seit 1966 verpflichtend.

  • Fristlose Kündigungen

Im März gipfeln Diskussionen in der Unia Aargau über einen Zusammenschluss mit der grössten Unia-Region Nordwestschweiz in einem Eklat: Mehrere Mitarbeiter verlangen eine Aussprache mit ihren Vorgesetzten. Und werden mündlich und fristlos gekündigt.

Erst als Gewerkschafter aus anderen Regionen anreisen, um ihre Solidarität zu demonstrieren und die Stimmung zu besänftigen, widerruft die Regio-Leitung Aargau die Kündigungen.

  • Sexuelle Belästigung

Der Leiter der Unia-Region Zürich-Schaffhausen, Roman Burger (40), hatte eine Mitarbeiterin über mehrere Wochen mit SMS sexuell belästigt. Er wurde ermahnt – das ist die geringste aller Sanktionsmöglichkeiten.

Ein Mitglied der Personalkommission (Peko) wurde dagegen im Rahmen der Affäre verwarnt – wegen seines Umgangs mit angeblich schützenswerten Informationen. Die Unia-Peko meuterte und kündigte die Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung. Erst auf Druck linker Kreise und der Medien wurde Burger freigestellt.

  • Keine allgemeine Lohnerhöhung

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) forderte fürs Jahr 2017 eine Lohnerhöhung von 1,5 Prozent für alle. Doch Gewerkschaftsmitarbeiter mussten selbst Nullrunden hinnehmen. Weder bei der Unia noch bei der Gewerkschaft Syna gab es eine allgemeine Lohnerhöhung.

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