Milliarden-Ranking
Das sind die Steuerkönige der Schweiz

Die grossen Unternehmen liefern Milliarden an die Schweizer Staatskasse ab. Der Geldsegen füllt die Kassen der Kantone. Aber auch einzelne Personen müssen mächtig abdrücken. Das grosse Steuer-Ranking 2024.
Publiziert: 11:35 Uhr
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Aktualisiert: 15:23 Uhr
Weltweit zahlt Thomas Schineckers Roche Gewinnsteuern von 2,6 Milliarden Franken. Der Steuersatz: 22,1 Prozent.
Foto: Joseph Khakshouri

Darum gehts

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Stefan Barmettler
Handelszeitung

Wer hat, dem wird genommen. So lautet das Fiskusprinzip. Und der Fiskus greift zu, wo er nur kann.

Voriges Jahr trieb er bei den fünf potentesten Schweizer Konzernen – Roche, Nestlé, Novartis, UBS und Zurich – exakt 10,9 Milliarden Franken ein. So viel mussten die Top Five den Steuerämtern weltweit noch nie abliefern. Am meisten drückte die Pharmafirma Roche ab, nämlich 2,67 Milliarden. Ein Spitzenwert – im Jahr zuvor waren es bloss 1,7 Milliarden.

Auch der Schweizer Fiskus forderte von den Big Five total 3,5 Milliarden Franken ein. Gleich viel wie im vergangenen Jahr, aber mehr als 2018; da zahlten sie einen Drittel weniger. Diese Zahlen zeigen eins: Die Behauptung von SP-Co-Chef Cédric Wermuth, Firmen seien jüngst mit allerlei Privilegien entlastet worden, und zwar auf Kosten der Arbeitnehmenden, ist eine Mär.

Zurich und UBS drücken über eine Milliarde ab

Grösster Steuerzahler ist Roche, nicht nur weltweit, sondern auch in der Schweiz, und zwar mit 840 Millionen Franken. Dann folgen Novartis mit 807, Nestlé mit rund 800, UBS mit 605 und Zurich mit 450 Millionen. Das Handelszeitung-Steuerranking 2024 basiert auf den Finanzberichten der grössten fünfzig Firmen, auf Erfahrungswerten und Gesprächen mit den Firmen. Dass die Ertragssteuern auch im vergangenen Jahr derart nach oben ausschlugen, hat einen simplen Grund: Die Firmen sind rentabel, was sich in ihrer Ertrags- und Steuerkraft widerspiegelt.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

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Zum Beispiel Zurich Insurance: Vor ein paar Jahren zahlte sie in der Schweiz noch 240 Millionen Franken, heute dürfte es fast das Doppelte sein. Noch grösser ist das Plus bei der UBS. Die Bank versiebenfachte ihre Ertragssteuer im Inland innert zehn Jahren – von 90 auf 605 Millionen Franken. In der Finanzkrise 2008, als die Bank am Abgrund stand, musste sich der Schweizer Fiskus mit 50 Millionen bescheiden. Und die Steuern blieben eine Zeit lang tief, weil die UBS Verlustgutschriften aus der Vergangenheit abrechnen konnte.

Novartis forscht und produziert in der Schweiz

Es klimpert also in der Staatskasse – aus zwei Gründen: Der eine Steuertreiber ist der Geschäftserfolg, der andere die hohe Stammhausdichte. ABB, Liebherr, Kühne + Nagel, Richemont, Swiss Re, Syngenta oder Clariant – Dutzende von Weltmarken haben ihren Stammsitz hier. Das schenkt überproportional ein, wie eine Analyse der Steuerzahlungen zeigt. Am Firmendomizil, wo sich die Chefs und zentrale Funktionen befinden, bleiben in der Regel 20 bis 30 Prozent des weltweiten Steuersubstrats hängen, der Rest wird nach dem Country-by-Country-Prinzip, nach nationalen Sätzen und internationaler Rechnungslegung, abgebucht. Vorbei ist die Zeit, als die Steuerlast durch abenteuerliche Offshore-Konstrukte in der Karibik minimiert wurde. Bei der Sportschuhmarke On, die für 2024 Steuern in der Höhe von 35 Millionen ausweist, streicht der Sitzkanton Zürich also locker 10 Millionen Franken ein, der Rest wird unter den grössten Absatzmärkten verteilt. Bei Novartis ist der Hauptsitzanteil besonders hoch, nämlich 39 Prozent respektive 807 Millionen Franken. Dies, weil der Pharmakonzern nicht nur mit dem Hauptsitz in der Schweiz vertreten ist, sondern hierzulande auch noch forscht und produziert.

Die 39 Prozent sind eine beeindruckende Quote, zumal die Weltfirma hierzulande nur einen Siebtel des Personals beschäftigt und nur 3 Prozent des Konzernumsatzes generiert. Bei Sulzer und Nestlé sind es noch weniger, nämlich unter 2 Prozent, doch die Steuerabgaben fallen überproportional aus. Für Kantone mit Weltkonzernen sind das paradiesische Zustände, um die sie das Ausland beneidet.

Was diese Konzernsitze zusätzlich attraktiv macht, sind ihre gut bestallten Kaderleute. Es sind in der Regel hundert bis tausend Topleute, die Hunderttausende Franken Bruttolohn kassieren, der bei progressiven Sätzen zu versteuern ist. Der Geldfluss aus den Firmen freut besonders Tanja Soland, die Finanzdirektorin von Basel-Stadt: Von den gesamten Steuereinnahmen des Kantons – 3 Milliarden Franken jährlich – dürfte die Hälfte von Lonza, Novartis, Roche und Syngenta und ihrem Topkader stammen. Konkret: Der Stadtkanton hängt am Finanztropf von Big Pharma. Das passt längst nicht allen. Die Grünen fordern schon lange «die Verstaatlichung und demokratische Kontrolle der grossen Konzerne». Es ist ein eher bizarrer Plan, die Lokalpolitik über die Produkte-Pipeline eines globalen Konzerns bestimmen zu lassen.

Narasimhan zahlt 6 Millionen Franken in Basel-Stadt

Es zeigt einen ziemlich unbedarften Um mit Standortvorteilen, der in den Medien seine Fortsetzung findet. Dass Novartis jährlich in der Schweiz Hunderte von attraktiven Arbeitsplätzen schafft, 4 Milliarden Franken in Forschung investiert und gegen 1 Milliarde in die Staatskasse abliefert, ist der Journaille jedenfalls kaum eine Zeile wert. Dagegen gehört die Aufregung über die Kompensation der Chefs zum Standardprogramm. Richtig, Novartis-Chef Vas Narasimhan erhielt im vergangenen Jahr 19,2 Millionen Franken als Honorierung zugeteilt, wovon immerhin 6 Millionen Franken an den Fiskus und 1 Million Franken an die AHV/IV fliessen.

Wer kühl rechnet und die Marktwirtschaft nicht abschaffen will, weiss: Die lange Liste von Konzernen ist ein Segen für die Schweiz. Dabei wird dieser im Handelszeitung-Ranking noch unterschätzt, denn längst nicht alle Firmen lassen sich in die Karten blicken. Zu den Verschwiegenen gehören die Privatfirmen, darunter die Genfer Reederei MSC mit über 80 Milliarden Franken Umsatz, die Autogrosshändler Emil Frey und Amag, zudem der Verpackungskonzern Tetra und das Handelshaus Omya, seit 141 Jahren im Eigentum des Plüss-Stauffer-Clans. All diese traditionsreichen Familienunternehmen dürften in Genf, Zürich, Safenwil, Zug, Pully und Oftringen Hunderte Millionen Steuerfranken abliefern. Ihre Abgaben fallen umso mehr ins Gewicht, weil mehr als 50 Prozent der Firmen einen zu bescheidenen Gewinn erwirtschaften und deshalb kaum Steuern generieren.

Wegziehen wollen die Konzerne nicht, zumal die Schweiz kompetitive Steuersätze bietet. So ziehen alljährlich mehr als zweihundert internationale Firmen ins Land, darunter grosse Fische wie der Pharmakonzern DSM-Firmenich, der Kaiseraugst AG zum neuen Hauptsitz gekürt hat. Das schenkt ein, zumal die Firma im vergangenen Jahr 136 Millionen Franken ans Steueramt ablieferte. Oder da wäre der japanische Tech-Gigant NEC, der seinen EMEA-Sitz für Digital Finance von Tokyo nach Zürich verlegt.

Das zeigt: Der Kampf ums Steuersubstrat tobt global, dabei sind Rohstofffirmen besonders heiss umworben. Sie reagieren steuersensitiv, können ohne Aufwand den Hauptsitz oder Konzernfunktionen von einem Land ins andere verschieben. Und sie tun es: Der brasilianische Bergbaukonzern Vale verliess 2006 Rio de Janeiro und zog nach Saint-Prex am Genfersee, später kehrte er in die Heimat zurück. Der Ölförderer Transocean übersiedelte 2010 von Houston (Texas, USA) nach Steinhausen ZG. Kurz nach dem Umzug explodierte seine Bohrinsel Deepwater Horizon im Golf von Mexiko, worauf die Gewinne und die Steuern für Jahre einbrachen.

Schweiz-Konkurrent Singapur unter Druck

Auf Rohstofffirmen hat es auch Singapur abgesehen und ködert sie mit unverschämten Steuerdeals wie dem Global Trader Programme, das Tiefsteuersätze von 5 Prozent offeriert. Trafigura und Gunvor, beide vorgängig in Genf ansässig, erlagen dem pekuniären Reiz und transferierten ihr Handelsgeschäft in die asiatische Metropole, Hunderte von Firmen folgten und mit ihnen Tausende von hoch bezahlten Händler. Ob diese Anwerbe nachhaltig ist, zeigt sich jetzt: Mit der Einführung der OECD-Mindeststeuer von 15 Prozent muss Singapur die Steuerlast ums Dreifache anheben. Dieser Sprung könnte eine Abwanderungswelle auslösen und die Steuerbasis schwächen, befürchtet Singapurs Finanzminister Lawrence Wong. Ähnlich könnten die Golfstaaten leiden; auch sie bliesen mit Tax Holidays und Minimalsätzen zur Jagd auf Rohstoff- und Finanzfirmen.

Um den drohenden Abfluss abzuwenden, orientieren sich Singapur und Dubai an der Schweiz, die bereits Anfang 2024 eine Ergänzungssteuer einführte, um der 15-Prozent-Minimalsteuer Genüge zu tun - und um gleichzeitig die Firmen mit anderweitigen Goodies von der Fahnenflucht abzuhalten. Die Schweiz unter Finanzchef Ueli Maurer reagierte schneller als alle anderen und führte per Anfang 2025 auch noch die «Income Inclusion Rule» ein, die Schweizer Konzerne dazu verpflichtet, auch bei ihren Tochterfirmen im Ausland die Mindeststeuer einzuführen. So soll vermieden werden, dass die Ableger Novartis oder Clariant die Steuerlücke an Drittstaaten abführen müssen. Bei dieser Steuerverteidigungsübung zog der Kanton Zug alle Register, denn trotz Mehrbelastung durch die 15-Prozent-Vorgabe ist der Rohstoff-Cluster nicht geschrumpft.

Bislang ging die Rechnung für die Schweiz auf, denn die finanziellen Folgen der OECD-Neuregulierung sind bescheiden, wie UBS, Lindt & Sprüngli oder Novartis konstatieren. «No material impact», heisst es in den Finanzreports. Nur Roche ist eine Ausnahme: Die Firma muss in der Schweiz Ergänzungssteuern von 189 Millionen Franken abliefern, um die OECD-Mindeststeuer zu erreichen. Als Begründung verweisen die Basler auf Goodwill-Wertminderungen, die steuerlich nicht angerechnet wurden, was auf Dispute mit Steuerbehörden hinweisen könnte. Auch die Zürcher Kantonalbank (ZKB) – als Staatsbank eigentlich steuerbefreit – ist von der OECD-Regulierung betroffen und weist neu Steuern von 168 Millionen Franken aus. Doch die Ausgleichszahlung fällt nicht bei der Bank an, sondern wird vom Eigentümerkanton übernommen und mit der Gewinnausschüttung verrechnet. So erfüllt die ZKB die OECD-Vorgaben und kann sich obendrein schadlos halten. «Die ZKB schlägt der OECD ein Schnippchen», schrieb die NZZ.

Ems-Chemie: Mehr Steuern für die Schweiz

Der Angriff auf die Firmenhochburg Schweiz ist fürs Erste gescheitert. Hingegen beschert die Einführung der OECD-Minimalsteuer Firmen mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz einen immensen Beratungsaufwand und viel Bürokratie. Begeistert davon ist niemand, doch nur EMS-Chefin Magdalena Martullo-Blocher leistet sich im Finanzbericht eine kleine Protestnote: «Die Ems-Gruppe muss diese Gesetze anwenden», steht da trotzig.

Die ungeliebte Gesetzesnovelle führt allerdings dazu, dass die Firmen keine Steuerdaten und Abrechnungssätze je Land publizieren, weil das bei ausländischen Behörden nur Argwohn wecken könnte. Bloss ein paar wenige Firmen setzen gleichwohl auf Transparenz – Novartis, UBS und Ems-Chemie. Es sind Unternehmen, die mit der Offenlegung wohl ihr millionenschweres Bekenntnis zur Schweiz kundtun wollen.

Auch hier leistet sich die Ems-Gruppe eine Exklusivität: Im Gegensatz zu allen anderen globalen Konzernen zahlte die Martullo-Blocher-Firma in der Schweiz viel mehr Steuern als im Ausland. Mehr Liebe zum Standort Schweiz geht nicht.

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