Migrol-Shopleiterin Isabel Mancebo (45) nach 15 Jahren entlassen
«Ich bin keine Diebin!»

Weil 8000 Franken in der Kasse fehlen, feuert der Inhaber der Migrol-Tankstelle in Schönbühl alle drei Shopverkäuferinnen. Sie bestreiten, etwas mit dem fehlenden Geld zu tun zu haben. Sie fechten die Kündigung an.
Publiziert: 07.03.2017 um 23:46 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 10:05 Uhr
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Isabel Mancebo vor der Migrol-Tankstelle in Schönbühl. Hier darf sie nicht mehr arbeiten.
Foto: Peter Gerber
Patrik Berger

Die Migrol-Tankstelle beim Einkaufscenter Schoppyland in Schönbühl BE ist eine der grössten der Region. Fast 6,7 Millionen Franken Umsatz hat der Shop mit Werkstatt, Waschstrasse und Staubsaugerstation 2016 gemacht. Über 1,7 Millionen Liter Bleifrei 95 tankten Kunden dort im letzten Jahr.

Inhaber der Tankstelle ist Rico Kohler (47). Er führt sie als Franchisenehmer von Migrol. An der Verkaufsfront stehen drei Frauen, sie führen den Shop im Schichtdienst. Zu einem bescheidenen Lohn. Aber nur noch bis Ende April. Dann ist Schluss.

Am 27. Februar haben alle die Kündigung erhalten: Isabel Mancebo (45), seit 15 Jahren Shopleiterin, und Verkäuferin Suzana Rajcic (36), seit elf Jahren dabei. Die im fünften Monat schwangere Stefanie Wespi (37) hat erfahren, dass sie nach dem Mutterschaftsurlaub nicht mehr zur Arbeit erscheinen muss. Sie arbeitet auf Abruf im Stundenlohn.

Wer entwendete das Geld?

Grund für die Kündigungen sind rund 8000 Franken: Im September 2016 merkt Inhaber Kohler, dass in den Monaten Juli und August 2016 Tausende von Franken fehlen. Im Januar 2017 werden deshalb alle Angestellten von der Polizei befragt.

Zudem fehlen Anfang Februar 2017 im Münzwechsler für die Staubsauger 300 Franken. Aufbruchspuren gibt es keine. «Für Kohler war sofort klar, dass nur jemand von uns für den Diebstahl in Frage kommt. Weil wir einen Schlüssel haben», so Mancebo.

In den Kündigungen heisst es: «Bezugnehmend auf die polizeilichen Ermittlungen muss ich leider die Kündigung aussprechen. Durch das fehlende Geld ist für mich die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich. Das schmerzt mich persönlich sehr, jedoch ist niemand geständig und gibt die Diebstähle zu», schreibt Kohler. 

«Heute würde ich das nicht mehr tun»

Suzana Rajcic erinnert sich: «Der Chef hat uns massiv unter Druck gesetzt, die Kündigung zu unterschreiben. Heute würde ich das nicht mehr tun.»

Trotz der im Raum stehenden Vorwürfe wurden die drei Frauen vorerst nicht freigestellt. «Ich erwarte eine tadellose Arbeitsleistung bis am 30.4.2017. Es werden keine negativen Äusserungen gegenüber Kunden geduldet», steht in den Kündigungen.

Isabel Mancebo versteht das nicht. «Er hält uns für Diebinnen. Und doch haben wir immer noch alle Schlüssel, rechnen ab und können den Tresor öffnen», sagt sie. «In den 15 Jahren bei Migrol habe ich nicht ein einziges Cola getrunken, ohne es zu bezahlen.»

Die drei Frauen kämpfen gegen die Entlassungen. «Mit dieser Kündigung finden wir nie mehr eine Stelle, da können wir uns umgehend beim Sozialamt anmelden», sagt Wespi. «Ich habe Zukunftsängste. Als Mütter sind wir auf den Job angewiesen.»

Maulkorb für Migrol-Tankstellenbetreiber?

Die Migrol-Zentrale in Zürich erfährt von BLICK vom Fall. «Unsere Franchisepartner sind als selbständige Unternehmer für den Betrieb der Tankstellen verantwortlich. Einstellungen und Entlassungen liegen somit in ihrem Kompetenzbereich», sagt Migrol-Chef Daniel Hofer (55). 

Zum konkreten Fall will er keine Stellung nehmen. Hofer trifft jedoch heute Mittwoch Kohler vor Ort in Schönbühl. Man lege Wert darauf, dass Kunden und Mitarbeitende stets «mit Anstand, Fairness und im gesetzlichen und vertraglichen Rahmen behandelt werden».

Gerne hätte BLICK auch mit Rico Kohler gesprochen, der gestern Mitarbeiterin Mancebo per sofort freigestellt hat. Alle Vorwürfe liegen ihm schriftlich vor. Er darf aber keine Fragen beantworten. Mit Medien spricht nur die Migrol-Zentrale. Und die sagt nichts zu den Entlassungen. 

Missbrauch gehört zum Alltag

Franchising wird immer beliebter in der Schweiz. Gab es in den 70er-Jahren noch 20 Franchise-Systeme, sind es heute über 200. Selbständige Unternehmer arbeiten dabei auf eigene Rechnung, profitieren aber von bekannten Marken.

Sie bezahlen dafür, dass sie deren Namen und Marketingkonzepte nutzen dürfen und dass ihre Mitarbeiter geschult werden. Selbst grosse Player mischen ganz vorne mit: Migros setzt mit Migrolino auf Franchising. Coop Pronto ist eine Franchise-Tochter der Coop Mineralöl AG.

Auch die Textilkette Tally Weijl oder der Hotelriese Accor nutzen das System. Besonders weit verbreitet ist Franchising in der Gastronomie. Viele Firmen werden als Familienbetriebe geführt. Immer wieder geraten Franchisebetriebe in die Schlagzeilen. Schwarze Schafe foutieren sich um arbeitsrechtliche Bestimmungen. Sie bezahlen zu tiefe Löhne oder setzen sich über geltende Gesamtarbeitsverträge hinweg.

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