Letzter Auftritt von Schweiz-Tourismus-Chef Jürg Schmid (55)
«Ich würde jederzeit wieder Plastikstühle werfen»

Jürg Schmid (55) tritt als Chef von Schweiz Tourismus ab. In seinem letzten Interview mit BLICK erklärt er, warum er sich in seinem Job wie der Nati-Trainer fühlte und was er von der Debatte um seinen Lohn hält.
Publiziert: 08.11.2017 um 19:08 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 03:58 Uhr
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Jürg Schmid wirft im März 2014 anlässlich eines SonntagsBlick-Interviews einen Plastikstuhl von der Terrasse des Hotels Kulm in St. Moritz.
Foto: Goran Basic
Vinzenz Greiner

BLICK: Herr Schmid, wenn eine Persönlichkeit wie Sie abtritt, spricht man meist von einem lachenden und einem weinenden Auge. Warum lacht bei Ihnen eines, warum weint das andere?
Jürg Schmid: Nach 18 Jahren in diesem Job kann ich nicht einfach die Türe hinter mir schliessen und es ist gut. Wäre das möglich, hätte ich mich nicht mit meiner Arbeit identifiziert. Deswegen ist eine gehörige Portion Wehmut dabei, wenn ich gehe. Andererseits freue ich mich wirklich darauf, mich selbständig zu machen. Ich bin ein Marketing-Mensch und kann in meinem neuen Job tiefer in einzelne Projekte eintauchen.

Was waren Ihre grössten Erfolge als oberster Vermarkter des Schweizer Tourismus?
Wir sind fit aufgestellt, was Digitalisierung angeht. Unsere Social Media Community umfasst 3,2 Millionen Menschen, mit denen wir auf 22 Sprachen im Dialog stehen. Unsere Internetseite hat mehr Besucher als jede andere Website einer Tourismus-Destination. Der zweite Punkt ist die Internationalisierung: Wir waren die Ersten, die China als Markt erschlossen haben. Kein anderes alpines Land ist in Asien so präsent wie wir.

Welche grossen Fehler haben Sie gemacht? Vielleicht zu viele Bollywood- und Social-Media-Stars eingeladen?
Nein, denn mit den alten Bollywood-Filmen, die in den Alpen gedreht wurden, altert auch das Schweiz-Bild. Es war daher wichtig, Ranveer Singh zu engagieren. Er steht als junger Schauspieler für das frische, agile Indien. Auch haben wir mit einer jungen Pop-Band aus Korea zusammengearbeitet. Die Wachstumszahlen in Asien geben uns recht. Wir haben es geschafft, dass dort viele Menschen die Alpen mit der Schweiz gleichsetzen.

Sie treten zum zweiten Mal als Schweizer Tourismus-Chef ab. 2010 gingen Sie für ein paar Monate zu den SBB. Hatten Sie danach noch einmal überlegt, den Bettel hinzuschmeissen? Ich stelle mir Ihr Gesicht vor, als die Nationalbank den Euro-Mindestkurs aufhob.
Nein, ich habe mir seit meiner Rückkehr von den SBB nie überlegt hinzuschmeissen. Als die Schweiz für Touristen im Januar 2015 quasi über Nacht 20 bis 30 Prozent teurer wurde, dachte ich mir schon: «Nicht auch das noch!» Aber ich wollte nach dem Motto «jetzt erst recht» nicht aufgeben, sondern der Branche Optimismus vermitteln. Denn nur wer positiv denkt, investiert auch. Ausserdem ist niemand gerne bei einem Gastgeber zu Gast, bei dem ihm das Lächeln vergeht. Manchen Kritikern war mein Optimismus aber wohl zu viel.

Einigen ist auch Ihr Gehalt zu viel. Nagt die Kritik an Ihrem hohen Salär noch an Ihnen?
Das Etikett «Mann mit zu hohem Salär» zu bekommen, tut schon weh. Das waren keine einfachen Momente. Aber eine Lohndiskussion kann man ohnehin nie gewinnen.

Ich schon.
(lacht) Als Chef von Schweiz Tourismus steht man immer in der Öffentlichkeit. Kritik ist daher vorprogrammiert. Die Schweizer sind selbst Gäste in ihrem eigenen Land. Das heisst, es gibt über acht Millionen Leute, die wissen, was ein guter Gastgeber ist. Insofern ist mein Job vergleichbar mit dem Trainer der Nationalmannschaft. Auch hier wissen Millionen Menschen, wie die Aufstellung der Nati auszusehen hat.

Die Leute kritisierten nicht nur Ihr Gehalt. Auch Ihre Kampagne gegen Plastikstühle, die Sie bei einem SonntagsBlick-Interview über ein Restaurantgeländer warfen, kam nicht überall gut an.
Ich weiss, die Aktion hat mir Kritik eingebracht. Aber ich würde jederzeit wieder Plastikstühle übers Geländer werfen. Die Schweiz muss und kann sich nur über Qualität verkaufen. Und Stühle aus Plastik stehen symbolisch nicht für eine Qualitätsoffensive. Wir dürfen nicht auf Halligalli- und Massentourismus setzen. Deswegen fokussieren wir von Schweiz Tourismus zum Beispiel in den asiatischen Märkten auf Individualreisende und nicht auf Reisegruppen.

Trotzdem spucken Cars Scharen von asiatischen Touristen aus, die Bergrestaurants fluten und durch die Luzerner Altstadt schwärmen.
Es hält sich in Grenzen. Wir haben in der Schweiz zum Glück keine Orte wie Barcelona oder Venedig, die unter den Touristenmassen leiden – «Overtourism» nennt man das, also übermässigen Tourismus. Sicher wird es auch in der Schweiz weiterhin Top-Orte geben, die immer mehr Touristen anziehen werden. Aber die Schweiz muss insgesamt ein Gegenpol zum Overtourism bleiben.

Was raten Sie eigentlich Ihrem Nachfolger, Martin Nydegger?
Nichts. Er hat alles, was er für den Job braucht. Er muss einfach weiter er selbst bleiben.

Was machen Sie eigentlich, bevor Sie Ihren neuen Job antreten?
Ich werde mich in den Bündner Bergen auf meine neuen Aufgaben einstellen und vor allem Ski fahren gehen. Winter, das ist Schneesport für mich.

Tageskarte gilt schon am Vortag

Sonnenschein und Niederschlag sind für Ski-Gebiete das A und O. Nur Reihenfolge und Menge müssen stimmen. Beides war in den letzten drei Wintern nicht der Fall. Die Folge: Dünne Schneedecke, kurze Saisons, wenig Gäste.

Letztere wollen die Bergbahnen wieder in die Höhe locken. Nun haben 30 Schweizer Skigebiete gemeinsam mit der Vermarktungsorganisation Schweiz Tourismus (ST) ein neues Angebot lanciert. Es heisst «Upgrade Your Ski Day» (Erweitere deinen Ski-Tag).

Wer in Andermatt, auf der Riederalp oder in Scuol eine Tageskarte kauft, kann mit ihr schon am Vortag ab 15 Uhr auf die Piste – bis die Lifte stehen bleiben.

Ueli Stückelberger (48) findet, dass alle davon profitieren. «Man kann sich schon einfahren oder oben einen Apéro nehmen», sagte der Direktor des Verbands Seilbahnen Schweiz gestern zum Auftakt der ST-Winterkampagne «Upgrade Your Winter». Und die Bergbahnen hätten etwas davon, weil der Gast schon konsumiere.

Sonnenschein und Niederschlag sind für Ski-Gebiete das A und O. Nur Reihenfolge und Menge müssen stimmen. Beides war in den letzten drei Wintern nicht der Fall. Die Folge: Dünne Schneedecke, kurze Saisons, wenig Gäste.

Letztere wollen die Bergbahnen wieder in die Höhe locken. Nun haben 30 Schweizer Skigebiete gemeinsam mit der Vermarktungsorganisation Schweiz Tourismus (ST) ein neues Angebot lanciert. Es heisst «Upgrade Your Ski Day» (Erweitere deinen Ski-Tag).

Wer in Andermatt, auf der Riederalp oder in Scuol eine Tageskarte kauft, kann mit ihr schon am Vortag ab 15 Uhr auf die Piste – bis die Lifte stehen bleiben.

Ueli Stückelberger (48) findet, dass alle davon profitieren. «Man kann sich schon einfahren oder oben einen Apéro nehmen», sagte der Direktor des Verbands Seilbahnen Schweiz gestern zum Auftakt der ST-Winterkampagne «Upgrade Your Winter». Und die Bergbahnen hätten etwas davon, weil der Gast schon konsumiere.

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