Leilani Farha ist UN-Abgesandte für das Recht auf Wohnraum
«Mieterhöhungen erst nach 7 Jahren erlauben»

Die UN-Sonderberichterstatterin Leilani Farha reist um die Welt und setzt sich für das Recht auf angemessenes Wohnen ein. BLICK traf sie zum Interview.
Publiziert: 06.06.2019 um 23:10 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:07 Uhr
«Es kann nicht sein, dass Wohnraum in Städten für junge Menschen oder sogar die Mittelschicht unbezahlbar wird», sagt Leilani Farha.
Foto: Frenetic Films
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Interview: Maren Meyer

BLICK: Sie sind UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf angemessenes Wohnen. Wozu braucht es Ihren Einsatz?
Leilani Farha: Ich wurde 2014 vom UN-Menschenrechtsrat ernannt, um sozusagen in der Funktion eines Wachhundes weltweit zu prüfen, ob Regierungen das Recht auf angemessenes Wohnen achten. Oft wissen die Regierungen gar nicht, dass Wohnen ein Menschenrecht ist und was angemessenes Wohnen bedeutet. Meine Aufgabe ist es, sie zu informieren.

Was bedeutet angemessenes Wohnen?
Jeder hat das Recht, in Würde und Sicherheit zu leben. Wenn Menschen auf der Strasse wohnen, ohne Zugang zu sanitären Anlagen, dann verletzt das ihr Recht auf Wohnen. Aber es betrifft noch andere Bereiche wie Stromanschluss oder Müllbeseitigung. Es liegt in der Verantwortung der Regierungen, ihren Bürgern diese Rechte zu ermöglichen. 

Bei Ihrer Arbeit bereisen Sie verschiedene Länder, um sich ein Bild von den Lebensbedingungen der Menschen zu machen. Wo sehen Sie das grösste Problem?
Besonders in Grossstädten stehen Lohn und Mietkosten nicht im Gleichgewicht. Menschen werden aus ihren Wohnungen vertrieben, sobald sie die Mieten nicht mehr zahlen können. Seit 2012 sehe ich zudem ein zweites Phänomen, das die Immobilienlandschaft entscheidend verändert.

Wovon sprechen Sie?
Private-Equity-Unternehmen und Pensionskassen drängen vermehrt auf den Immobilienmarkt. Sie kaufen im grossen Stil Immobilien in heruntergekommenen Stadtvierteln auf, erhöhen die Mieten und drängen die Menschen, die dort leben, raus. Diese kommen oft aus der Unterschicht und können sich die Mieten nicht mehr leisten. Nach der Finanzkrise kaufte die amerikanische Investmentgesellschaft Blackstone über 45'000 Immobilien auf. In Amerika, wenn nicht sogar weltweit, ist sie die grösste Immobilienbesitzerin.

Sie sprechen von Gentrifizierung - von Stadtvierteln, die plötzlich populär und teuer werden?
Es geht weit über Gentrifizierung hinaus. Diese Stadtviertel liegen oft ausserhalb der Grosszentren. So ist zum Beispiel Uppsala in Schweden nur 45 Minuten von Stockholm entfernt. Blackstone weiss, dass es sich lohnt, hier Immobilien zu kaufen, um sie dann teurer zu vermieten. Es finden sich immer Mieter, die den geforderten Preis zahlen.

Aufgrund der schlechten Anlagesituation drängen Pensionskassen auch in der Schweiz vermehrt auf den Immobilienmarkt. Sie legen das Geld ihrer Kunden, der zukünftigen Rentner, an. Warum ist das ein Problem?
Ich verstehe, dass Pensionskassen das Geld der zukünftigen Pensionäre gut anlegen müssen. Denn wer in Rente geht, muss auch angemessen leben können. Die Renten kommen dann direkt der Wirtschaft zugute. Pensionskassen sind also sehr wichtig. Aber Wohnraum ist eine andere Anlageklasse als zum Beispiel Gold oder Stahl - das sind keine Menschenrechte. Wohnraum schon. Und ich sehe nicht, wie ein Modell, das auf Rendite basiert, Menschenrechte schützt.

Solange das Zinsumfeld tief ist, bleiben Immobilien als Anlage attraktiv. Wie kann diese Entwicklung gestoppt werden?
Das ist Aufgabe der Regierungen. In vielen Ländern machen sie es den Private-Equity-Unternehmen zu einfach, sich in den Immobilienmarkt einzukaufen. Es braucht mehr Regulierung und Gesetze. Österreich ist in diesem Bereich stark reguliert: In Wien gibt es deutlich weniger institutionelle Anleger, die in Immobilien investieren.

Was für Regulierungen meinen Sie?
Diese Anleger suchen nach kurzfristigen Investitionen und schnellen Renditen. Wenn man per Gesetz zum Beispiel Mieterhöhungen erst nach sieben Jahren erlaubt, wäre das sicher eine Möglichkeit. Immobilien würden dann weniger interessant, wenn es um kurzfristige Investitionen geht. 

Im Dokumentarfilm «Push» lassen Sie sich bei Ihrer Arbeit begleiten. Was erhoffen Sie sich?
Wir müssen die Diskussion um angemessenen Wohnraum anstossen. «Push» soll ein Weckruf sein. Denn Regierungen müssen jetzt handeln und Lösungen finden. Es kann nicht sein, dass Wohnraum in Städten für junge Menschen oder sogar die Mittelschicht unbezahlbar wird. Wir müssen das Monster - die Pensionskassen und Investmentfirmen - verstehen, damit wir es bekämpfen können.

«Push - für das Grundrecht auf Wohnen» mit Leilani Farha ist am 6. Juni in Schweizer Kinos angelaufen.

 

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