Landwirte leiden unter Bussenwucher
Beamte knechten unsere Bauern

Weil eine Kuh einen Metallbügel um einen Zentimeter verbiegt, muss ihr Besitzer 5600 Franken Strafe zahlen. Die Bauern ächzen unter den Gesetzen.
Publiziert: 27.12.2016 um 14:15 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 23:14 Uhr
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«Die Strafen für geringe ­Ver­gehen sind ­un­gerechtfertigt.» Franz Hagenbuch, Landwirt in Rottenschwil AG
Foto: PHILIPPE ROSSIER
Konrad Staehelin

Nur wenige Bauern würden in der Schweiz ohne die Hilfe des Staates überleben. Sie erhalten gesamthaft 2,8 Milliarden Franken pro Jahr an Direktzahlungen. Dafür erbringen sie Leistungen für die Allgemeinheit: Sie pflegen die Landschaft und fördern die Artenvielfalt.

Trotz des Milliardensegens werden die meisten Bauern nicht reich. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen beträgt 44'000 Franken pro Vollzeitstelle.

Umso bitterer für die Landwirte, wenn ihnen auch noch die Direktzahlungen gekürzt werden. Das kann schnell passieren. Die Kantone kontrollieren genau, ob die Bauern die vorgeschriebenen Leistungen für die Direktzahlungen erbringen. Bis zu 1300 Vorgaben müssen sie beachten.

2300 Franken Strafe wegen fünf Tagen

Wer die Spielregeln nicht einhält, dem werden die Bundesgelder zusammengestrichen. 2015 verweigerten die Behörden den Bauern deshalb 6,2 Millionen Franken an Direktzahlungen. 

So auch Franz Hagenbuch (55), Landwirt in Rottenschwil AG. Ihm wurden 2300 Franken abgezogen, weil er auf einem Feld ein paar Tage zu früh erntete.

Hagenbuchs Mais war eher reif als sonst. Darum erntete er schon am 27. August und nicht wie sonst erst im September. Nun schreibt aber eine der 1300 Regeln vor, dass auf einem Feld, das vor Anfang September abgeerntet wird, etwas Neues angesät werden muss. Hagenbuch aber liess das Feld brach – und kassierte eine Busse von 2300 Franken. Ein halber Monatslohn war weg. 

«Ich habe Verständnis für die Kontrollen», sagt Hagenbuch. Aber er kritisiert die Härte der Strafen: «Die Abzüge sollten angemessen sein. Wie brutal wir für geringe Vergehen bestraft werden, ist manchmal ungerechtfertigt.» Er habe einen vielseitigen Hof. Da könne ihm schon mal etwas durch die Lappen gehen. 

Werner Locher (62) aus Bonstetten ZH musste wegen einer anderen Sache Geldbussen hinnehmen. Zwei Tage vor der Inspektion löschte ein Computervirus seine Dokumente vom Vorjahr. Folge: ein Direktzahlungsabzug von 4000 Franken für seine Betriebsgemeinschaft. Locher: «Die Höhe der Busse ist übertrieben, zumal ich ja alle ökologischen Vorgaben eingehalten habe.»

Noch drastischer erwischte es einen anderen Zürcher Bauern: Er hält in seinem Stall 28 Kühe in Liegeboxen, für die eine Mindestbreite von 1,10 Meter gilt. Weil sich eine Kuh etwas stark gegen einen Metallbügel stemmte, der die Boxen voneinander trennt, verschoben sich die Abstände um einige Zentimeter. Die Strafe betrug 5600 Franken.

Bauernpräsident: «Die Abzüge sind nicht angemessen.»

Bauernpräsident Markus Ritter (49) versteht den Frust: «Die Abzüge sind in diesen Fällen nicht angemessen. Wir verlangen, dass die Konsequenzen verhältnismässig ausfallen.»

Das Bundesamt für Landwirtschaft kontert: «Regeln sind da, um eingehalten zu werden. Die Tarife für die Kürzungen wurden 2014 in eine breite Vernehmlassung an alle betroffenen Organisationen und Kantone verschickt. Die Rückmeldungen wurden beachtet.» 

Die Einwände der Bauern seien damals übergangen worden, so Ritter: «Wir haben mit Nachdruck auf die Probleme aufmerksam gemacht. Trotzdem konnten wir auf die Ausgestaltung der Abzüge kaum Einfluss nehmen.»

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