So werden Zalando-Retouren vernichtet
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Whistleblower-Video zeigt:So werden Zalando-Retouren vernichtet

Lager voller Geheim-Retouren Schweizer Kunden
Zalando in Erklärungsnot – wegen Nicht-Deklaration von Einfuhrzöllen

Onlineriese Zalando hätte Fehlsendungen an Schweizer Kunden dem Zoll deklarieren müssen. Doch stattdessen verschwinden diese übers Retouren-Partnernetzwerk zum Teil in zusätzlich angemieteten Lager. Vertuschen statt verzollen? Die Vorwürfe von Insidern wiegen schwer.
Publiziert: 00:35 Uhr
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Aktualisiert: 01:06 Uhr
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Im Industriepark St. Gallen in Gossau SG lagert Zalando-Partner MS Direct angeblich unverzollte Ware.
Foto: Raphaël Dupain
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Milena KälinRedaktorin Wirtschaft

Mäntel, T-Shirts, Parfüms und vor allem Schuhe: Zalando liefert täglich zwischen 200'000 und 300'000 Artikel an Schweizer Kundinnen und Kunden. Europas grösster Onlinemodehändler ist hierzulande beliebt, die Nachfrage gross. Immer wieder kommt es da auch zu Fehlsendungen, im Fachjargon Überlieferungen genannt. Und mit diesen beschäftigt sich nun der Schweizer Zoll, wie Recherchen zeigen.

Wie kommts zu den Fehlsendungen? Im Zalando-Paket befinden sich neben Bestelltem – aus Versehen oder Unachtsamkeit im Lager – auch andere Textilien oder Parfüms, die nicht bestellt wurden, aber dort fälschlicherweise landeten. Der Empfänger in der Schweiz schickt diese «überlieferten» Produkte, die beim Zoll nicht deklariert wurden, zurück. Dies läuft über den Zalando-Retourenpartner MS Direct mit Sitz in St. Gallen. Dieser lagert sämtliche Fehlsendungen, die an Schweizer Kunden gingen, als gesperrte Waren in Aussenlagern.

Felix P.* (50) stand bis vor kurzem im Sold von MS Direct, hatte zuvor mehrere Jahre beim Retourenverarbeiter gearbeitet und möchte anonym bleiben. Der Ex-Angestellte berichtet, wie die gesperrte Ware mehrere Jahre eingelagert und danach vernichtet wird.

Jetzt wirds pikant: Das Gesetz schreibt vor, dass Waren aus Überlieferungen nachträglich beim Zoll gemeldet werden müssen. Die Behörden bestätigen, dass dies im Handel die Regel ist. Offenbar nicht bei Zalando in der Schweiz. «Wir reden da von einem Warenwert von 100 Millionen Franken, der in den letzten zehn Jahren nicht verzollt wurde», sagt P. im Gespräch. Blick liegen Bilder von angeblichen Überlieferungen vor. Es macht den Anschein, dass es sich dabei um einwandfreie Ware handelt.

Hier sind angebliche Überlieferungen von Zalando zu sehen.
Foto: zVg

P. wirft Zalando und dessen Retourenpartner «Vertuschung» vor. Das sei kostengünstiger als eine Wiedereinfuhr nach Deutschland.

Moderiese räumt Fehler ein

Zalando weist den Vorwurf zurück. «Wir legen grössten Wert auf die strikte Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen», sagt eine Sprecherin. Das gelte auch für die Partner. Die Firma räumt aber bezogen auf die Blick-Informationen ein: «Da menschliche und technische Fehler jedoch passieren, haben wir im Schweizer Retourennetzwerk Produkte identifiziert, die wir nicht sofort einer Importverzollung zuordnen können.»

Dies könne durch operative Fehler geschehen, wie Falsch- oder Überlieferungen. Oder durch «Probleme in den Datensätzen» oder das «Verhalten» der Kundschaft. Etwa, wenn Waren retourniert würden, die nicht von Zalando stammten.

Die Zalando-Sprecherin: «All diese Fälle erschweren die Beurteilung, ob die Einfuhrabgaben, insbesondere Zoll und Mehrwertsteuer, ordnungsgemäss entrichtet wurden oder nicht.» Währenddessen würden diese Artikel nicht in die EU zurückgeführt und gelangten darum auch nicht in den Verkauf.

Zalando beziffert den Anteil «der uns bekannten Waren ohne Zuordnung auf weniger als ein Prozent bezogen auf das Gesamtvolumen der Retourenabfertigung». MS Direct bearbeitet gemäss dem Ex-Angestellten P. im Schnitt bis zu 60'000 Retouren – pro Tag. Bezieht man das auf die Aussagen der Zalando-Sprecherin, so wären pro Tag mehrere Hundert Artikel betroffen.

Der Onlinemoderiese spricht von «festgestellten Unregelmässigkeiten», Insider P. von einem organisierten Geschäftsmodell. «Diese Behauptung weisen wir entschieden zurück», so die Zalando-Sprecherin.

Zalando im Kontakt mit dem Zoll

Inzwischen hat sich Zalando offenbar selbst beim Schweizer Zoll angezeigt. Dieser wurde erstmals im April 2025 auf unverzollte, gesperrte Zalando-Waren durch die MS-Direct-Mitarbeiterin Cassandra G.* aufmerksam gemacht. Ihr E-Mail-Verkehr mit der Behörde liegt Blick vor.

«Wir stehen bereits mit den Schweizer Behörden in Kontakt, die wir im September 2025 darüber informiert haben, dass es Retourenwaren gibt, bei denen Herausforderungen mit der Vollständigkeit der Datensätze bestehen und die wir daher aktuell keinem Importvorgang zuordnen können», bestätigt die Zalando-Sprecherin. Ziel sei eine korrekte Verzollung sowie eine Rückführung in den Verkaufskreislauf. Gleichzeitig wolle der Onlineriese eine langfristige Lösung für die Behandlung von Retouren mit unvollständigen Datensätzen finden.

Das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) will «aus rechtlichen Gründen» keine Informationen gegenüber Blick preisgeben. Vom deutschen Zoll, der ebenfalls Bescheid wissen soll, gab es keine Bestätigung, aber auch kein Dementi.

Augenschein im Aussenlager

Blick weiss: Der Schweizer Zoll hat inzwischen zwei Retouren-Aussenlager im Visier. Dort würden die Überlieferungen bis zur Vernichtung gelagert werden, wie Insider P. angibt. Laut Zalando-Partner MS Direct gibt es kein Versteckspiel. Man müsse die Überlieferungen als «gesperrte Ware» hierzulande einlagern, bis Zalando als Eigentümer über das weitere Vorgehen entscheidet.

Blick hat sich bei einem Aussenlager im Industriegebiet von Gossau SG umgeschaut. Kein Hinweis auf Zalando oder MS Direct. Letzterer mietet dort gemäss eigenen Angaben Lagerflächen hinzu, wenn die eigene Kapazität nicht ausreicht. Ist das Lager in Gossau voll, kommt die gesperrte Ware gemäss P. nach Arbon TG – an einen ehemaligen Standort von MS Direct. Es handle sich um einen Lagerstandort, der nur in Ausnahmefällen für den verarbeitenden Betrieb genutzt werde, so der Zalando-Partner.

Der Fall mit den angeblichen Nichtverzollungen wird nun durch die Schweizer Behörden untersucht. Es drohen Bussen bis maximal 100'000 Franken. Generell kann der Zoll die entgangenen Einnahmen bis zu fünf Jahre nachfordern. Ein Entscheid der Behörden steht noch aus.

*Namen geändert

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