Sie stempeln und stempeln und stempeln. Zahlreiche Zöllner an der Deutsch-Schweizerischen Grenze haben vor allem einen Job: Sie drücken ihren Stempel auf die grünen Ausfuhrscheine der Schweizer Einkaufstouristen. Diese holen sich damit die deutsche Mehrwertsteuer zurück.
Was die Schnäppchenjäger freut, ist für den Zoll ein gewaltiger Aufwand. 150 Beamte seien dort mit Stempeln beschäftigt, so ein Bericht der SRF-Nachrichtensendung «Echo der Zeit». Und der deutsche Fiskus muss auf Steuereinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe verzichten.
So ist es kein Wunder, dass im fernen Berlin laut über eine Vereinfachung nachgedacht wird. Die Idee: eine Bagatellgrenze von 175 Euro. Nur wenn Einkäufer mehr ausgeben, bekommen sie die Mehrwertsteuer zurückerstattet.
Jeder dritte Kunde ist ein Schweizer
Für Schweizer sind das schlechte Nachrichten. Gemäss eines aktuellen Positionspapiers, so der Bericht, könnte mit einem solchen Grenzbetrag die Rückerstattung in rund 80 Prozent der Fälle wegfallen.
Schlechte Nachrichten sind Mehrwertsteuer-Überlegungen auch für die Wirtschaft im Grenzgebiet. In der Region gebe es eine grosse Einigkeit gegen die Bagatellgrenze, erklärt Claudius Marx, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee.
Sie fürchten um die Schweizer Einkaufstouristen. Wie wichtig diese sind, zeigen Zahlen. 1,5 Milliarden Kaufkraft bringen die Schweizer jährlich mit, über alle Branchen hinweg würden sie einen Drittel der Kundschaft ausmachen.
Digitaler ist einfacher
Zudem könnte unter einem Wegbleiben der Schweizer Einkäufer auch die Infrastruktur leiden. Heute gäbe es selbst in kleinen Dörfern zum Beispiel Discounter oder Apotheken. Auch die Innenstädte von grösseren Orten lebten von den Einkaufstouristen. Selbst Gastronomie und Hotellerie profitieren.
Dass das Ausfuhrschein-Stempel-Prozedere überarbeitet werden muss, findet auch Marx. Denn nicht nur müssen die Zöllner von Hand stempeln; zunächst müssen die Kunden den Zettel im Geschäft mitnehmen, dann an der Grenze vorweisen – die Mehrwertsteuer-Rückerstattung schliesslich bekommen sie erst beim nächsten Einkaufsbesuch. Sein Verband will aber keinen Grenzbetrag, sondern auf die Digitalisierung setzen. Das Ganze könnte auch übers Handy mit Scanner erledigt werden.
Trotzdem günstiger
Noch ist die Bagatellgrenze nur eine Idee. Und selbst wenn sie kommt, ist offen, ob Schweizer deshalb vom Einkaufstourismus ablassen. Vielleicht weniger, so lange der Euro günstig bleibt. Ein Thurgauer Einkaufstourist bestätigt das auf Nachfrage von SRF: «Auf jeden Fall, klar! Weil es immer noch viel günstiger ist.» (jfr)