Darum gehts
- Studie zeigt grosses Sparpotenzial im Gesundheitswesen ohne Qualitätsverlust
- Preisunterschiede bei Implantaten zwischen Spitälern sind enorm
- Schweiz gibt pro Kopf 671 Franken für Medizinprodukte aus
Bis zu 19 Prozent der Kosten, die die Krankenkassen in der Grundversicherung bezahlen müssen, könnten eingespart werden. Und zwar, ohne dass die Qualität der medizinischen Behandlungen darunter leiden würde. Mit anderen Worten: Als Patientinnen oder Patienten würden wir die Einsparungen gar nicht bemerken – als Prämienzahlende aber sehr wohl. Es geht um bis zu 8,4 Milliarden Franken. Das sind fast 1000 Franken, die jeder Krankenversicherte pro Jahr weniger bezahlen müsste. So lautet das offizielle Ergebnis einer Studie, die im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) verfasst wurde.
4200 Franken Preisunterschied bei Herzschrittmachern
Das Sparpotenzial kommt daher, dass heute in vielen Bereichen des Gesundheitswesens zu viel bezahlt wird und die Verantwortlichen nicht sorgsam genug mit unseren Prämiengeldern umgehen. Der Preisüberwacher etwa hat Anfang dieses Jahres Erstaunliches festgestellt. Je nach Spital kostet ein bestimmtes Herzschrittmachermodell im Einkauf 1200 oder 5400 Franken – ein Preisunterschied von 4200 Franken!
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Der Preisüberwacher fand noch mehr heraus, etwa zu den Einkaufspreisen künstlicher Gelenke. Spital A kauft eine Knieprothese für weniger als 1000 Franken ein, Spital B bezahlt für die gleiche Knieprothese 5700 Franken. Wie kann das sein?
Enge Beziehungen zwischen Chirurgen und Herstellern
Antwort des Preisüberwachers: Der Markt ist komplett intransparent. Die Hersteller der Implantate erhalten damit eine grosse Verhandlungsmacht und nützen diese aus, um möglichst viel für sich herauszuschlagen. Heute weiss kein Spital, wie viel ein anderes Spital für die Implantate bezahlt. Und kann demnach keine tieferen Preise fordern, mit dem Hinweis, das Nachbarspital bezahle auch nicht mehr. Stattdessen sind die Spitäler den Preisforderungen der Hersteller ausgeliefert.
Ein weiterer Grund für die horrenden Preisunterschiede sind laut Preisüberwacher die «sehr engen Beziehungen zwischen den Anbietern medizinischer Implantate und den Chirurginnen und Chirurgen». Das fördere den Wettbewerb in der Regel nicht.
Medizinprodukte und Medikamente in der Schweiz am teuersten
Wie locker in unserem Gesundheitswesen mit den Prämiengeldern umgegangen wird, zeigen auch Marktzahlen des Branchenverbands für Medizintechnologie, Medtech Europe. Kein europäisches Land gibt pro Kopf für Medizinprodukte so viel aus wie die Schweiz. Dazu gehören Verbandsmaterial, aber auch Implantate wie Herzschrittmacher oder künstliche Gelenke. 671 Franken waren es 2024.
Zum Vergleich: Österreich begnügt sich mit 558 Franken, Deutschland mit 482 und Frankreich sogar mit nur 298 Franken.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Medikamenten. Im europäischen Ausland sind Generika um rund die Hälfte billiger (45,3 Prozent) als bei uns. Gross sind die Preisunterschiede auch bei den Biosimilars. Im Ausland kosten diese Nachahmerprodukte biotechnologisch hergestellter Arzneimittel rund 30 Prozent weniger. Das zeigt eine Auswertung des Krankenkassenverbandes Santésuisse (heute Prio Swiss) aus dem Jahr 2024.
Missstände schon lange bekannt
Ganz allgemein fehlt es im Gesundheitswesen an Checks and Balances, also effektiven Kontrollinstanzen. Das trage zum stetigen Kostenwachstum im Gesundheitssektor bei. So lautet das Fazit einer Studie des Beratungsunternehmens Swiss Economics im Auftrag des BAG.
Besonders die jährlichen Tarifverhandlungen zwischen Ärzten und Spitälern einerseits sowie Krankenkassen andererseits führten oft zu Problemen. Hier fehle schlicht der Anreiz, sparsam mit unseren Prämiengeldern umzugehen. Ärzte und Spitäler wollen möglichst hohe Tarife, während die Krankenkassen nur wenig Anreiz haben, sich für tiefe Tarife einzusetzen. Sie dürfen in der Grundversicherung keinen Gewinn machen und können von günstigen Tarifen kaum profitieren.
Das Gegenteil sei der Fall, wehrt sich Prio Swiss, der Verband der Krankenversicherer. Die Krankenversicherer hätten einen direkten finanziellen Anreiz, wirtschaftliche und sachgerechte Tarife auszuhandeln. Denn wenn die Kosten stiegen, stiegen auch die Prämien, was die Zufriedenheit der Versicherten mindere und sie dazu veranlassen könne, den Versicherer zu wechseln. «Die Kontrolle von mehr als 130 Millionen Rechnungen pro Jahr bringt Einsparungen von 3,5 Milliarden Franken pro Jahr in der Grundversicherung», so Prio-Swiss-Mediensprecher Adrien Kay.
Studie um Studie sowie Bericht um Bericht zeigen: Im Gesundheitswesen fehlen Wille und Anreize, zu sparen. Kein Wunder, explodieren die Prämien. Die Kosten für Krankenkassenprämien machen der Bevölkerung seit Jahren am meisten Sorgen, wie das Sorgenbarometer zeigt. Wie reagiert der Bund?
Nach x Studien – Bund gibt weitere Studie in Auftrag
Der Beobachter hat beim BAG nachgefragt. Wie viel des in der Studie von 2021 genannten Milliarden-Sparpotenzials wurde seither realisiert? Sinngemässe Antwort des BAG: Das lasse sich jetzt noch nicht sagen. Noch seien nicht alle Gesetzesänderungen, die sparen helfen würden, in Kraft. Um die Auswirkungen dieser Änderungen zu prüfen, sei eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben worden.