Darum gehts
Vom «gelben Gold» schwärmen die einen, über das «Bünzlitum in Dosen» höhnen andere. Aromat polarisiert landesweit in vielen Küchen und gilt doch als Salz in der Swissness-Suppe.
Anatomie einer Streuwürze, die Fans findet und bindet – bis nach Südafrika.
Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
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Wer hats erfunden? Und wo?
Aromat wurde im Jahr 1952 vom Schweizer Walter Obrist erfunden, der zu jener Zeit als Versuchskoch bei der Firma Knorr in Thayngen im Kanton Schaffhausen arbeitete. Das geschmacksverstärkende Produkt wurde zunächst in Würfelform auf den Markt gebracht, was die Konsumentinnen und Konsumenten aber nicht goutierten. 1953 wurde Aromat neu als Streuwürze in einer Dose verpackt – und damit begann ein Gewürzsiegeszug, der bis heute anhält.
Der Produktname Aromat hat zwei Zutaten
Der Markenbegriff Aromat ist ein klassisches Kofferwort, also eine Bezeichnung, die aus der Verschmelzung zweier Wörter entsteht. In diesem Falle ist es die Verbindung aus «Aroma» und «Glutamat». Zum nicht unumstrittenen Wesen des Glutamats kommen wir noch. Vorab eine Zahl zur Bekanntheit von Aromat: Gemäss Knorr hat das Produkt in der Schweiz eine ungestützte Markenbekanntheit von 97,8 Prozent. Oder kurz: Nicht alle mögen Aromat. Aber alle kennen es.
Was macht Aromat eigentlich so beliebt?
Die Streuwürze hat wohl deshalb ihre Fans, weil sie jeder Speise einen vollmundigen Geschmack verleiht, was als «Umami-Effekt» bekannt ist. Die genaue Rezeptur verrät man beim Aromat-Mutterkonzern nicht. Nur so viel gibt Bernhard Schober, General Manager Unilever Schweiz, preis: «Sicher sorgt Kurkuma für das charakteristische Sonnengelb; die Würzkraft des Glutamats unterstreicht den Eigengeschmack der Speisen.» Da haben wir es wieder, das Glutamat. Jahrelang wurde an diesem Geschmacksverstärker kritisiert, dass er Allergien hervorrufen könne. Heute geht man davon aus, dass Glutamat – massvoll eingenommen – für die meisten Konsumentinnen und Konsumenten unbedenklich ist. Unilever-Schweiz-Chef Schober kennt die Thematik. Man habe reagiert und eine Alternative lanciert: «Es gibt auch eine Aromat-Variante ohne Glutamat. Aber sie wird nicht sehr stark nachgefragt.»
Sechs Sorten und ein Bestseller
Momentan ist Aromat in der Schweiz in sechs Varianten erhältlich: Original, ohne Zusatz von Glutamat, Kräuter, Knoblauch, Chili, Fleisch. Die Klassikervariante Original sorgt gemäss Unilever für rund 80 Prozent des Umsatzes. Alle zwei oder drei Jahre werden neue Geschmacksrichtungen lanciert. Letztmals 2023 Chili und Knoblauch. Anfang 2026, heisst es bei Unilever Schweiz, «wird wieder mit Neuheiten zu rechnen sein».
Für Aromat ist Ostern Weihnachten
«Im Ostermonat werden Verkäufe erzielt, die zwei normalen Monaten entsprechen», sagt Bernhard Schober. Dies aufgrund der «grossen Verbundenheit zwischen Ei und Aromat». Der Chef von Unilever Schweiz schiebt nach: «Ostern ist Weihnachten für Aromat.»
Salz und Pfeffer sind die natürlichen Gegner von Aromat
Zwar spielt Aromat in Ländern wie Deutschland, den Niederlanden oder Grossbritannien eine gewisse Rolle – aber der Hauptmarkt ist die Schweiz. Man prüfe aktuell weitere Exportländer, sagt Schober. Aber: «Weil der Gewürzmarkt je nach Land sehr unterschiedlich und stark fragmentiert funktioniert, ist es nicht leicht, in die Köpfe der Konsumenten und in die Gestelle der Supermärkte hineinzukommen.» Im Ausland brauche es einen besonderen Effort: «Schweizer werden schon in der Kindheit oder dann spätestens im Militär mit Aromat sozialisiert. Wo Konsumenten ihr Ei nur mit Salz und Pfeffer kennen, wird es kompliziert – dort müssen wir zunächst einmal Überzeugungsarbeit leisten.»
Südafrika: BBQ statt Ei
Nach der Schweiz ist Südafrika das zweitwichtigste Aromat-Land. Wie und warum Aromat dort so populär wurde, kann man sich bei Unilever Schweiz «nicht so richtig erklären». Fakt aber ist: Aromat für den südafrikanischen Markt wird nicht in Thayngen produziert, sondern lokal in Südafrika. Und: «In der Schweiz sind Ei und Aromat untrennbar miteinander verbunden. In Südafrika heisst das Gespann Barbecue und Aromat.»
Von der Beizentisch-Menage zu Tiktok
Dass Aromat derart in den Köpfen der Bevölkerung verankert ist, hat wohl auch mit den Beizentisch-Menagen zu tun, die man – zumindest früher – auf vielen Schweizer Restauranttischen antraf. Diese schmiedeeisernen Kleingestelle – auch «Plattmenagen» genannt – sorgten für Visibilität. Und sie befeuerten wohl auch das Thema des «Bünzlitums». Tempi passati, sagt Unilever-Manager Schober: «Aromat ist der Geschmack der Schweiz – und weit weg vom Bünzlitum. Das sehen wir zum Beispiel auf Tiktok, wo junge Menschen ständig neue Verwendungsmöglichkeiten erfinden und zeigen.» Der allergrösste Teil der Influencer mache das freiwillig und stehe nicht auf der Aromat-Lohnliste. Der bekannte Schweizer Influencer Zeki Bulgurcu hingegen ist ein offizieller und bezahlter Aromat-Ambassador.
Automat, Tattoo, Ferienbegleiter
Die Streuwürze taucht in der Schweiz dann und wann im Aromat-Automaten, dem sogenannten Aro-Mat, auf. Zusammen mit Merchandise im Non-Food-Bereich, sagt Schober: «Besonders begehrt sind dabei die Aromat-Mützen. Die kosten ab Automat 29.90 Franken – es sind aber auch schon welche auf Ricardo aufgetaucht, für die 2000 Franken verlangt wurden.» Die Aromat-Liebe wandle manchmal auf wunderlichen Wegen, sagt der Unilever-Schweiz-Chef: «Wir wissen von vielen Menschen, die ihr Aromat in die Ferien mitnehmen. Und es ist uns ein Fall bekannt von einem Schweizer, der sich die klassische Aromat-Dose auf den Arm tätowieren liess.»