Darum gehts
Ihre Tiktok-Videos haben bis zu 3 Millionen Views: Gründerin und CEO Naomi Dirlewanger (29) setzt sich und ihr Unternehmen auf den sozialen Medien erfolgreich in Szene. Auch auf Instagram bewirbt sie ihre Menstruationsschwämme und erklärt in kurzen Videosequenzen, wie sie funktionieren. Das kommt an.
Vor vier Jahren gründete die Luzernerin zusammen mit ihrer Freundin – die inzwischen ausgestiegen ist – das Start-up Hera Organics. Mit natürlichen Schwämmen bieten sie eine Alternative zu herkömmlichen Menstruationsprodukten. Die Schwämme stammen aus dem Mittelmeer, sie werden in 50 bis 100 Meter Tiefe geerntet. Dirlewanger bezieht sie von einem Familienbetrieb in dritter Generation aus Griechenland.
Tampon ohne Chemie
Dirlewanger war vor einigen Jahren selbst unzufrieden mit den herkömmlichen Periodenprodukten wie Tampons und Binden. Sie wollte sich über die Inhaltsstoffe der Produkte informieren – und ist schockiert, dass diese nicht einmal in der Packungsbeilage aufgelistet sind. «Es fehlt an Richtlinien», sagt die Jungunternehmerin. «Der weibliche Zyklus ist mit Tabus behaftet – auch das würde ich mit meinen Videos auf Social Media gerne ändern», sagt Dirlewanger.
Tatsächlich wird der weibliche Zyklus in der Gesellschaft wie auch in der Medizin jahrelang unter den Tisch gekehrt. Doch das Bewusstsein für Frauengesundheit ist dank Gendermedizin inzwischen gestiegen. Heute wissen die meisten Frauen: Die Menstruationsprodukte, die im Detailhandel erhältlich sind, enthalten oft Plastik und Chemiefasern sowie giftige Metalle wie Blei, Arsen und Kadmium.
Start-up statt Studium
Für Dirlewanger ist der Schwamm eine nachhaltige Alternative – und eine gute Geschäftsidee! Für das Start-up bricht sie ihr BWL-Studium ab. «Auch wenn ich zu Beginn noch belächelt wurde – ich habe von Anfang an daran geglaubt», sagt sie. Mit einem Startkapital von 20'000 Franken und «einer grossen Portion Naivität» sei sie gestartet. Inzwischen durfte sie bereits einige Erfolge feiern.
Letztes Jahr machte sie mit Hera Organics über 300'000 Franken Umsatz. Dirlewanger schaffte es auf die Liste der 30 unter 30 der Schweiz von «Forbes». 2023 holte Dirlewanger sogar einen Deal in der TV-Sendung «Höhle der Löwen». 140'000 Franken für 15 Prozent der Firmenanteile. Der Deal kam dann doch nicht zustande – die junge Geschäftsfrau wollte sich die Hoheit über ihre Firma bewahren.
Tabu brechen
Die 29-Jährige ist zielstrebig und ehrgeizig. Lange macht sie alles selbst – auch die Werbevideos auf Social Media. Inzwischen holt sie sich auch mal Hilfe von Freelancern. «Anfangs sprach ich auf Social Media in kurzen Videosequenzen vor allem darüber, was unsere Schwämme können», sagt Dirlewanger. «Denn die allermeisten Frauen haben keine Ahnung, dass es überhaupt Alternativen zu Tampons oder Binden gibt.»
Dirlewanger geht es auch um Aufklärung, wenn sie ihr Produkt auf Tiktok und Instagram präsentiert. «Die Schwämme gibt es schon seit Jahrhunderten – sie sind so etwas wie der Ur-Tampon», sagt sie. Sie wollte, dass mehr Frauen davon wissen und Gebrauch machen können. Eine Frau menstruiere im Schnitt 2600 Tage oder rund 7 Jahre ihres Lebens. «Es lohnt sich also, sich damit auseinanderzusetzen.»
Social Media zahlt sich aus
Auch über Nachhaltigkeit spricht Dirlewanger auf Social Media. Die Schwämme stammen aus dem Meer und können nach rund drei Zyklen im Grünabfall entsorgt werden. Doch die meistgeklickten Videos sind jene, in denen Dirlewanger darüber spricht, dass man mit den Schwämmen während der Periode Sex haben kann. «Diese Videos erreichen auf Tiktok und Instagram jeweils Millionen», sagt die Unternehmerin.
Ihr Konzept geht auf: Dirlewanger sagt, dass die meisten Kundinnen über Social Media auf ihr Produkt kommen. Inzwischen seien es über 10'000 Frauen – die meisten sind zwischen 20 und 35 Jahre alt. Und es sollen noch mehr werden. Im nächsten Jahr will Dirlewanger die Umsatz-Marke von 1 Million Franken knacken. Sie möchte nicht nur in der Schweiz wachsen, sondern auch Frauen in Deutschland und Österreich mit ihrem Produkt erreichen. Menstruationsschwämme sollen künftig genauso bekannt sein wie Tampons.