Darum gehts
- Bäcker kritisiert Verwässerung des Sauerteig-Begriffs durch industrielle Herstellung
- Aktiver Sauerteig erfordert Wissen und tägliche Pflege
- Bäckerei Vuaillat setzt seit 2016 auf Sauerteigbrote und trug wesentlich zu deren Erfolg in der Schweiz bei
«Sauerteig ist kein beliebiger Markenbegriff, sondern ein klar definierter Qualitätsbegriff», nervt sich Martin Mayer (46). Er ist Inhaber der Bäckerei Vuaillat mit sechs Filialen im Kanton Zürich und setzt seit 2016 konsequent auf Sauerteigbrote. Damit hat er wesentlich dazu beigetragen, diese in der Schweiz zu verbreiten.
Doch weil die Kundschaft bereit ist, für Sauerteigbrote mehr zu bezahlen, sei auch «die Industrie» in dieses Geschäft eingestiegen, was den Begriff Sauerteig verwässere.
Mayer erklärt: «Der Unterschied zwischen aktivem und inaktivem Sauerteig bleibt für viele Kunden unsichtbar.» Grossverteiler und von ihnen belieferte Bäckereien verkaufen vermehrt Sauerteigbrot auf der Basis von inaktivem Sauerteig.
Für Mayer ist das nichts weniger als eine Irreführung der Kundschaft. Deshalb sei eine klar gekennzeichnete Unterscheidung wichtig.
Was ist aktiver, was inaktiver Sauerteig?
Aktiver Sauerteig ist eine lebendige Kultur aus Mehl und Wasser, die durch wilde Hefen und Milchsäurebakterien fermentiert wird. Diese Mikroorganismen sind aktiv und machen das Brot geschmackvoll, frisch und bekömmlich. «Die Pflege eines solchen Sauerteigs erfordert Wissen, Zeit und tägliche Aufmerksamkeit», sagt Mayer.
Inaktiver Sauerteig hingegen sei ein durch Trocknung oder Hitzebehandlung «devitalisiertes» Produkt. Heisst: Es enthält deutlich reduzierte Mikroorganismen und dient im Wesentlichen nur noch der Aromatisierung und Säuerung.
Kunden kennen oft nicht den Unterschied. Mayer befürchtet, dass der Begriff Sauerteig angesichts völlig unterschiedlicher Produktqualitäten an Wert verliert.
Er stellt auch eine Wettbewerbsverzerrung fest: «Handwerksbetriebe, die mit aktiven Sauerteigen arbeiten, stehen unter erheblichem Kostendruck.» Wenn industriell gefertigte Produkte mit inaktivem Sauerteig im Verkauf nicht unterscheidbar seien, sei das ein klarer Wettbewerbsnachteil.
Etikettierung soll begriffliche Grauzone beenden
In der Schweiz definiert das Lebensmittelbuch Sauerteig als triebfähige Mikroflora, doch es fehlt laut Mayer eine klare Unterscheidung zwischen aktiven und inaktiven Varianten.
Deshalb fordert er: «Etiketten sollten deutlich machen, ob ein Brot mit aktivem Sauerteig, inaktivem Sauerteig oder lediglich mit Sauerteigextrakt gebacken wurde.»
Das sei wichtig: So könne gesichert werden, dass Konsumentinnen und Konsumenten Sauerteigbrote weiterhin mit Handwerk, Tradition sowie einem besonderen Geschmack assoziieren. Vor allem betont Mayer dessen gesundheitliche Vorteile wie bessere Bekömmlichkeit und längere Haltbarkeit. Sein Anliegen habe er bereits beim Bäckerverband deponiert.