Interview Teil 2: Swatch-Chef Hayek attackiert die Börse
Entschuldigen Sie, dass mein Vater zur falschen Zeit starb!

Lesen Sie den zweiten Teil des exklusiven SonntagsBlick-Interviews mit Swatch-Chef Nick Hayek.
Publiziert: 13.04.2013 um 23:58 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 17:20 Uhr
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«Mein Vorschlag hilft dem ganzen Werkplatz», sagt Uhrenunternehmer Nick Hayek.
Foto: Daniel Kellenberger
Interview: Peter Hossli, Rolf Cavalli; Fotos: Daniel Kellenberger

Warum sind Sie so streitlustig?
Bin ich nicht. Ich bin emotional.

Sie streiten mit der Börse, mit der Economiesuisse, der UBS, mit Bloomberg und Tiffany.
Wir haben keinen Streit. Wir sind emotional und gradlinig und wir tun dies im Interesse der Firma und Ihrer Angestellten. Wir stehen zu dem, was wir sagen. Dabei sind wir kompromissfreudig und friedfertig.

Ihre Piratenflagge ist nicht gerade ein friedliches Symbol.
Sie besagt nur, dass wir uns nicht jedem Standard beugen wollen. Probleme spreche ich so an, wie mir der Schnabel gewachsen ist.

Kann man rebellisch sein mit 6,2 Millionen Franken Lohn und einem Umsatz von 8 Milliarden?
Es geht mir nicht um den Rebell. Die Piraten-Flagge mahnt mich daran, Regeln nie zu akzeptieren, ohne sie zu hinterfragen, neugierig zu bleiben wie ein kleines Kind, egal, was die anderen darüber denken.

Die Swatch ist 30 Jahre alt. Warum wirkt sie noch immer frisch?
Weil sie nie fertig entwickelt ist, sich immer neu erfindet und wir unermüdlich weiterforschen.

Mit der Swatch rettete Ihr Vater die Uhrenindustrie. Wie sichern Sie ihren Fortbestand?
Indem wir uns bewusst sind, was unsere Stärken sind. Und dass der Kunde der König ist. Wir stellen Uhren her – und zwar in der Schweiz. Wir bleiben innovativ, suchen ständig nach neuen Materialien und Produktionsmethoden. Wir agieren nicht kurzfristig, orientieren uns nicht nach der Börse. Und wir verschulden uns nicht.

Sie wahren den Besitzstand. Was fehlt, ist ein grosser Wurf. Was wird die Swatch von Nick Hayek?
Das brauche ich nicht, ich habe keinen Minderwertigkeitskomplex. Meine Schwester und ich führen die Firma im Geiste unseres Vaters. Es kommt nicht auf eine Person an, sondern auf die Firmenkultur.

Was ist nötig, um etwas so Geniales wie die Swatch zu kreieren?
Hören Sie auf mit dem Wort «genial». Es geht darum, ein Produkt zu schaffen, das vielen gefällt, einen Nutzen hat und das Menschen positiv beeinflusst. Dazu braucht es Mut, Energie, ein sehr kompetentes Team – und natürlich Glück.

Das erinnert an das Konzept von Apple-Gründer Steve Jobs. Apple entwickelt jetzt eine SmartWatch, ein iPhone fürs Handgelenk. Das bedroht Swatch.
Falsch, ich finde das super und sage zu Apple: «Welcome!» Wann immer grosse Firmen die Uhrenbranche entdecken, ist das unser Vorteil. Es macht Uhren attraktiver.

Hat jeder ein iPhone statt eine Swatch am Handgelenk, können Sie doch bald dichtmachen.
Ich bin überzeugt, der Uhrenmarkt wächst weiter. Einst hiess es, das Mobiltelefon verdränge die Uhr, weil es die Zeit anzeige. Das Gegenteil passierte. Menschen sind dank Handys mobiler geworden und kaufen mehr mechanische Uhren, ohne jegliche Elektronik. Obwohl sie täglich vielleicht eine Minute nachgehen, die teuersten sogar zwei.

Apple und Swatch passen zusammen. Gibt es Pläne?
Ich kann mir vieles vorstellen, aber wir brauchen Apple nicht.

Apple ist technologisch ein Treiber.
Wir kennen Apple gut. Apple-Leute kommen oft zu uns, um zu sehen, mit welchen Materialien wir arbeiten, wie wir Produkte verkleben, wie unsere Batterien funktionieren, wie wir mit Energie umgehen.

Lernt Apple von Swatch?
Ja. Schon vor Jahrzehnten kam Tissot mit einem Touchscreen auf den Markt. Bis heute ist die Swatch die einzige Uhr mit einem gekrümmten Touchscreen aus Plastik. Wir haben mit Renata eine der weltbesten Batteriefabriken.

Wann erreichen Sie Ihr Ziel, zehn Milliarden Umsatz zu machen?
Das war nie mein Ziel. Ich habe jeweils gesagt, wir können allein mit internem Wachstum zehn Milliarden Franken Umsatz erreichen. Damit wollte ich das grosse Potenzial der Gruppe aufzeigen.

Wann sind Sie so weit?
Vielleicht in zwei oder drei Jahren. Ein primäres Ziel ist es nicht. Mir ist es wichtiger, in der Schweiz zu wachsen, Arbeitsplätze und Lehrstellen zu schaffen und zufriedene Kunden zu haben. Was ist Ihr Ziel für die Auflage Ihrer Zeitung?

Uns ist es wichtig, gute Geschichten im Blatt zu haben.
Das ist wie bei uns. Stellen wir gute Produkte her, steigen die Umsätze automatisch. Die Leute bei Swatch Group sind kreativ genug, um 10 Milliarden Umsatz zu erzielen.

Müssten Sie Ihr Sortiment nicht um Mode und Parfum erweitern?
Sind Sie wahnsinnig? Brand-Extension ist sehr gefährlich. Das würde unseren Marken eher schaden. Das Potenzial des Uhrenmarktes ist noch längst nicht ausgeschöpft. Es gibt viele Menschen ohne Uhr. Andere kaufen mehrere Uhren, verschenken sie, wechseln sie für Sport, Arbeit, den Ausgang.

Jetzt bedroht eine Vogelgrippe in Asien das China-Geschäft.
Gefahren gehören zum Leben. Aber ich sehe mehr die Chancen. Wer kurzfristig denkt, sieht nur Gefahren. Und wer Zeitungen liest, könnte ohnehin denken, das Leben bestehe nur aus Katastrophen.

Russische Oligarchen sollen die Uhrenbranche missbrauchen, um Gelder zu waschen. Stimmt das?
Oligarchen, die ich sehe, tragen ihre Uhren am Arm, wie ihre Frauen auch. Mehr weiss ich über ihre Gewohnheiten nicht.

In Zürich, Lugano oder in St. Moritz steht neben jeder Bank ein Uhrengeschäft. Aus Schwarzgeld wird so schnell eine teure Uhr.
Soll ich etwa kontrollieren, woher das Geld kommt, mit dem jemand eine Uhr für 50, 100, 1000 oder 5000 Franken kauft? Möchten Sie, dass wir das tun müssen?

Der Bundesrat will Barzahlungen über 100000 Franken verbieten. Das trifft die Uhrenbranche.
Es passiert selten, dass jemand mit einem Koffer Bargeld eine Uhr kauft. Bei hohen Preisen und bei Bargeld sind wir sehr vorsichtig.

Seit Jahren klagt die Industrie über die Folgen des starken Frankens. Passiert ist wenig.
Sie verharmlosen die Situation.

Swatch ist erfolgreich und schafft Arbeitsplätze.
Wir sind eine Ausnahme, auch wegen «Swiss Made». Wir sind finanzstark und nicht verschuldet. Wir können es uns leisten, eine Zeit lang in gewissen Ländern kein Geld zu verdienen. Aber der starke Franken schadet, vor allem dem Tourismus, vielen kleinen, mittleren und Grossunternehmen.

Wie lange soll die Nationalbank 1.20 Franken zum Euro halten?
Es ist nicht gut, wenn wir bei 1.20 bleiben. Wir müssen wieder auf ein normales Verhältnis kommen – das wir früher hatten: 1.35, 1.40.

Ihr Vater sagte einmal, Ihre Schwester Nayla sei besser qualifiziert als Sie. Warum sind Sie Chef und Nayla VR-Präsidentin?
Wir ergänzen uns wunderbar. Sie ist die beste VR-Präsidentin, die ich mir vorstellen kann. Und ich bin für sie sicher der beste Konzernchef.

Könnte denn ein Aussenstehender die Swatch Group führen?
Alles ist möglich. Die Firmenkultur aber darf sich nicht ändern. Als ich 2003 CEO wurde, gab es darum keinerlei Aufsehen. Als mein Vater Ende Juni 2010 im Büro starb, verlor die Firma ihren Leader. Es gab keine Unruhe. Jeder war traurig, aber keiner hatte Angst um seine Zukunft. In drei Tagen präsentierten wir die neue VR-Präsidentin. Nur die Börsenaufsicht meckerte.

Wie bitte?
Sie beschwerte sich, wir hätten den Tod meines Vaters nicht zu börsenrelevanten Zeiten kommuniziert. Mit einem ironischen, bösen Brief entschuldigte ich mich dafür, dass mein Vater sich nicht börsenkonform verabschiedet hat.

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