Haus geerbt und angenommen
Des Pfarrers Erbsünde

Eine reiche Frau aus dem Baselbiet vermacht einem Seelsorger ihr Haus. Er nimmt das Erbe an, obwohl das höchst problematisch ist. Das berichtet der «Beobachter».
Publiziert: 31.03.2019 um 15:15 Uhr
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Aktualisiert: 13.05.2019 um 16:53 Uhr
Geschwiegen: Der Sigrist hatte Angst um seinen Job
Foto: Getty Images
Yves Demuth («Beobachter»)

Jahrelang sei er aufs Maul gehockt. «Aber jetzt kann ich auspacken», sagt Hans Bühler*. «Die Kirchgemeinde kann mich nicht mehr entlassen, weil ich pensioniert bin.»

Der ehemalige Sigrist erzählt: Der Pfarrer seiner Gemeinde habe von einer Gläubigen ein Haus geerbt. Die kinderlose Frau, die oft zu den Gottesdiensten gekommen sei, habe den Pfarrer in ihrem Testament grosszügig berücksichtigt. Heute ist das Haus laut Schätzportalen fast eine Million Franken wert.

In Bern oder Zürich wäre es illegal

Der Präsident der evangelisch-reformierten Kirche Basel-Landschaft segnete die Schenkung ab, ohne sie Juristen vorzulegen. Die Annahme des Erbes ist rechtlich aber höchst problematisch. In den Kantonen Bern oder Zürich wäre sie illegal. Pfarrer dürfen dort «Aufmerksamkeiten von geringem Wert» annehmen – bis 200 Franken.

Artikel aus dem «Beobachter»

Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.beobachter.ch.

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Die Gefahr: Wenn Pfarrpersonen erbberechtigt sind, könnten sie reiche Gemeindemitglieder besser behandeln als arme. Sich um Kinderlose intensiver kümmern als um Mütter. Damit das nicht passiert, haben einzelne Kantonalkirchen ein striktes Geschenkverbot erlassen.

«Die Tätigkeit einer Pfarrperson, insbesondere in der Seelsorge, soll nicht davon abhängen, ob sie von einer betreuten Person einen finanziellen Vorteil erwarten kann», sagt Anwalt Martin Röhl. Er leitet den Rechtsdienst der reformierten Kirche des Kantons Zürich.

Wenn ein Pfarrer von einem Gemeindemitglied ein Haus erbe, könne der Eindruck entstehen, dass er die Person beeinflusst habe. «Ein solcher Anschein der Vorteilsnahme schädigt nicht nur das Ansehen von Pfarrpersonen als Personen des öffentlichen Lebens, sondern schadet auch dem Ansehen der Kirchgemeinde und der Landeskirche als Ganzes.»

«Unglaubliche Arroganz» des Pfarrers

Der Baselbieter Pfarrer liess das geerbte Haus sanieren, um es zu vermieten. Er wohnt mit seiner Partnerin im villenähnlichen Pfarrhaus mit Gartenanlage und Garage und zahlt dafür nur rund 1900 Franken pro Monat, Heizkosten inklusive.

Der Erbgang beschäftigt Sigrist Hans Bühler noch immer, obwohl er vor 13 Jahren geschah. «Ich bin kein Frömmler. Aber das ist nicht im Sinn der reformierten Kirche.» Es zeuge von einer «unglaublichen Arroganz» des Pfarrers. Als dieser sich im Kirchenblatt als Retter der Armen inszenierte, habe er nicht mehr länger schweigen können.

«Man kann nicht auf der Kanzel von Nächstenliebe und Barmherzigkeit predigen, zur Kollekte für die Armen aufrufen und gleichzeitig auf den eigenen finanziellen Vorteil schielen.» Zumal der Pfarrer einen guten Lohn habe. Er verdient gemäss Kirchgemeinde rund 150'000 Franken im Jahr.

Recht auf Vergessen

Hans Bühler war fast sein ganzes Leben lang Sigrist bei der reformierten Kirche. Er findet, der Gemeindeseelsorger hätte das Erbe ausschlagen oder der Kirche vermachen müssen. «Ich habe mein Leben auf Christus ausgerichtet. Das bedeutet auch, dass man uneigennützig handelt.»

Deshalb hat Bühler sein Dienstaltersgeschenk von 4000 Franken nicht für sich behalten, sondern der Kirchgemeinde gespendet. «Für mich hat unser Pfarrer ein Glaubwürdigkeitsproblem. Jeder, der Kirchensteuern zahlt, langt sich doch an den Kopf, wenn er das hört.»

Da der Erbgang bereits so viele Jahre zurückliegt, gilt ein Recht auf Vergessen. Der Beobachter darf weder die Identität der Pfarrperson offenlegen noch die Kirchgemeinde nennen.

Das betont auch der Pfarrer selbst. Er sagt, er habe die Erblasserin sieben Jahre vor ihrem Tod «im privaten Rahmen» kennengelernt. Daraus habe sich eine Freundschaft entwickelt zwischen der Frau und seiner Familie. Er habe die Frau zusammen mit seiner Lebenspartnerin zum Arzt gefahren. Man habe sich oft getroffen und Kaffee getrunken. So sei man auf die Idee gekommen, zu zweit ein Projekt für die Kirchgemeinde zu starten.

Auf dem letzten Weg begleitet 

Als die vermögende Gläubige an Krebs erkrankte, habe er sie selbstverständlich auf ihrem letzten Weg begleitet. Die kinderlose Frau habe in ihm vielleicht den Sohn gesehen, den sie nie hatte. Vom Erbe sei er total überrascht gewesen. Die Nichte und der Neffe der Frau hätten ihn aber gebeten, das Haus anzunehmen. 

Er habe die Übertragung nie geheim gehalten. Zudem sei das Haus beim Erbgang nur rund 250'000 Franken wert gewesen. Weil die Freundschaft zum Mitglied seiner Kirchgemeinde «rein privater Natur» gewesen sei und nichts mit seinem Amt zu tun gehabt hätte, sehe er das Problem nicht. «Da besteht kein beruflicher Zusammenhang.»

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