Franziska B.* regt sich auf: «Kollegen werden von unseren Ausbildnern oft verhätschelt und bevorzugt.» Die junge Frau ist angehende Pflegefachfrau in einer grossen Zürcher Klinik. «Ich habe selten gesehen, dass ein Stift einem Patienten den Po wischen musste», sagt die 17-Jährige.
Viele Kolleginnen pflichten Franziska B. bei. Die jungen Frauen glauben zudem, schlechter bewertet zu werden als ihre männlichen Kollegen. Mit Bild und Name wollen sie nicht hinstehen, sie befürchten Repressalien ihrer Lehrbetriebe.
Was die Stiftinnen sagen, belegt auch das Resultat einer aktuellen Studie der Universität Freiburg: «Frauen werden von ihren Ausbildnern bei gleichem Potenzial schlechter beurteilt als Männer.» Ein Befund, der auch in Gesundheits- und Sozialberufen gilt, die traditionell in Frauenhand sind. (BLICK berichtete).
Resultate sehr ernst zu nehmen
Yvonne Ribi, Geschäftsführerin beim Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK, zeigt sich erstaunt: «Es darf nicht sein, dass Männer in der Ausbildung weniger streng beurteilt werden.» Stimmen die Resultate der Studie, sei dies sehr ernst zu nehmen, sagt Ribi und fordert: «Die Ausbildungsbetriebe müssen die Ausbildnerinnen und Ausbildner für Geschlechterfragen sensibilisieren.»
Schlechtere Karten als ihre männlichen Kollegen haben auch Lehrabgängerinnen im kaufmännischen Bereich. «Junge Frauen werden eher kritisch beurteilt», sagt Michael Kraft vom Kaufmännischen Verband. Das habe ganz konkrete Auswirkungen: «Lehrabgängerinnen erhalten nach ihrer Ausbildung weniger Lohn als Männer, und sie erleben die Stellensuche als schwieriger.»
* Name der Redaktion bekannt