BLICK: Herr Rudolph, die Schweiz im Dauerausverkauf. Shoppt gar niemand mehr zu Normalpreisen?
Thomas Rudolph: Immer mehr Einkäufe werden zu Sonderpreisen getätigt. Der Anteil erreicht in einigen Branchen bereits 40 Prozent. Grund sind die schlechten Umsätze in diesem Jahr. Mit Sonderangeboten soll die Nachfrage angekurbelt werden.
Die Schweiz ist ein Gutverdienerland. Warum schauen dennoch alle nur auf den tiefen Preis?
Das Internet mit den vielen Möglichkeiten für Preisvergleiche, die zunehmende Gewohnheit online einzukaufen und auch der Einkaufstourismus haben das Preisinteresse der Schweizer Bevölkerung verstärkt. Smart-Shopping nennen wir dieses Phänomen, wenn insbesondere Gutverdiener verstärkt auf den Preis achten.
Was treibt diese Smart-Shopper an?
Sie agieren nach dem Motto «Ich bin doch nicht blöd» und vergleichen Preise systematisch. Gutverdiener folgen diesem Trend genauso häufig wie Durchschnittsverdiener.
Leidet unter den Sale-Rabatten die Qualität der Beratung und des Angebots im Laden?
Wenn die Durchschnittsmarge sinkt, also unter dem Strich aufgrund der vielen Rabatte die Gewinne dahinschmelzen, müssen auch die Kosten runter. Personal wird dann häufig abgebaut, was sich auf die Servicequalität tendenziell negativ auswirkt.
Wo führt die Rabattschlacht hin?
Kunden werden immer preissensibler. Dies zwingt Unternehmen, ihre Verkaufskonzepte zu verbessern. Die Vergleichbarkeit der Sortimente muss verringert werden. Gelingt dies den Managern nicht – und danach sieht es in vielen Unternehmen aus – droht kurzfristig ein massiver Personalabbau. Langfristig verschwinden einige Anbieter. Die Lage ist schon heute ernst.
Braucht es wie früher fixe Termine, die den Ausverkauf einschränken?
Mit dem Internet als Hauptkonkurrent geht das nicht mehr. Schon heute kaufen Schweizer Konsumenten sehr häufig auf ausländischen Webseiten ein. Mit Ausverkaufszeiten im stationären Handel würde dieser Trend weiter zunehmen. Die Zeiten einer Marktabschottung sind definitiv vorbei.