Grosser SonntagsBlick-Test deckt auf
Zwei von drei Handwerkern arbeiten auch schwarz

«Wie viel Rabatt gewähren Sie mir, wenn Sie keine Rechnung ausstellen müssen?» Das fragte SonntagsBlick 32 Handwerker. Die meisten waren daraufhin zur Schwarzarbeit bereit.
Publiziert: 11.01.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 23:35 Uhr
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Nicht nur Handwerker ausländischer Herkunft, sondern auch Schweizer Unternehmer waren bereit, ihre Arbeit an der Legalität vorbei anzubieten.
Foto: Illustration: Igor Kravarik
Von Ulrich Rotzinger

Ein brutaler Preiskampf tobt auf Schweizer Baustellen. Es fängt schon bei kleineren Aufträgen für Umbau- und Renovationsarbeiten an, wo Eigenheimbesitzer und Handwerker um jeden Rappen feilschen. Um den Zuschlag zu erhalten, unterbieten sich die Gewerbler mit Dumpingpreisen. Ihren Wettbewerb tragen sie vor allem im Internet aus.

Handwerker-Portale wie Renovero.ch bieten die Plattform für das Einholen und den Vergleich von Offerten. «Gute Handwerker zu guten Preisen», lautet die Eigenwerbung dafür im Internet. Wer einen Maler, Gipser oder Plättlileger für Arbeiten an Haus oder Wohnung sucht, wird hier fündig. Auftrag ausschreiben, Offerten vergleichen und Betrieb auswählen. Alles per Mail und mit wenigen Klicks.

Das Prinzip ist simpel – und lockt auch die schwarzen Schafe der Handwerkerzunft an. Ein grosser SonntagsBlick-Test auf Renovero.ch liefert jetzt den Beleg dafür. Gesucht waren Maler- und Gipserprofis für eine renovierungsbedürftige Dreizimmerwohnung (siehe Box oben rechts). Schon beim Preis tun sich zwischen den Offerten der Handwerker Abgründe auf. Was das Malergeschäft P.* für 1080 Franken (inkl. Mehrwert­steuer) erledigen will, bietet das Unternehmen Georg B.* für 4860 Franken an. Preisdifferenz: 350 Prozent! Nur wenige verzichten auf die Angabe eines Preises – alles andere sei unseriös, werden sie später sagen.

SonntagsBlick kontaktierte alle 32 Interessenten. Und machte ihnen ein unmoralisches Angebot: Wir verzichten auf die Rechnung, wenn wir im Gegenzug einen Rabatt erhalten. Der Auftraggeber kann die Kosten dann zwar nicht bei den Steuern abziehen, dafür bezahlt er weniger. Der Auftragnehmer kann sich die Abgabe von Steuern ebenfalls sparen –  für die Einnahme gibt es ja keinen Beleg.

Das Resultat: 23 Handwerker, also 72 Prozent, waren bereit, schwarz zu arbeiten. «Für unsere Arbeit brauchen wir keine Rechnung auszustellen. Dafür wird es für Sie billiger», sagte einer von ihnen. Er und andere locken mit Rabatten von 5 bis 15 Prozent. Nur fünf Handwerker (16 Prozent) bestehen auf einer ordentlichen Abrechnung. Vier Betriebe (12 Prozent) antworteten nicht.

Auffallend: Nicht nur Handwerker ausländischer Herkunft, sondern auch Schweizer Unternehmer waren bereit, ihre Arbeit an der Legalität vorbei anzubieten. Und: Unter den Anbietern finden sich sowohl Malerbetriebe als auch Reinigungsfirmen oder selbst ernannte «All-round»-Handwerker.

Renovero.ch – ein Tummelplatz für Schwarzarbeit? Die Plattform gehört zur Olmero AG. VR-Präsident ist Christoph Brand, Ex-Sunrise-Chef und Mitglied der Tamedia-Geschäfts­leitung. Der Tamedia-Verlag ist mit 20 Prozent an der Olmero AG beteiligt. Grössere Aktienpakete halten die Baufirmen Implenia und Steiner AG sowie der Werkzeughersteller Hilti. Olmero-Geschäftsleiter Markus Schulte zeigte sich erstaunt, als ihn SonntagsBlick mit den Testresultaten konfrontierte: «Wir haben keine Hinweise darauf, dass es bei Auftragsvergaben via Renovero.ch vermehrt zu Schwarzarbeit kommt», sagt Schulte. Das Ergebnis des Tests störe ihn, sagt er. Und betont, er lehne Schwarzarbeit klar ab. Zugleich weist er jegliche Verantwortung zurück: «Wir sind nur Vermittler. Die eigentliche Auftragserteilung und Abrechnung findet allein zwischen Handwerker und Kunde statt.»

SonntagsBlick sprach mit Vertretern alteingesessener Handwerks­betriebe. Weil sie Sanktionen ihrer Mitbewerber befürchten, wollen sie anonym bleiben. «Es ist leider so, dass Schwarzarbeit in unserer Branche weit verbreitet ist», sagt, stellvertretend für viele, der Zürcher Roland N.* Seit 35 Jahren ist er Maler, davon 20 Jahre selbständig. N. resigniert: «Es wird immer schlimmer. Das Preisdumping der Billiganbieter und die Bereitschaft zur Schwarzarbeit bricht uns Etablierten das Genick.»

Es gibt keine Statistiken über die Verbreitung von Schwarzarbeit, nur Schätzungen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) meldet: Fast jeder dritte Schweizer und jeder vierte Arbeitgeber kennt jemanden, der selbst Schwarzarbeit leistet oder jemanden schwarz beschäftigt. In seiner Kampagne gegen die Schwarzarbeit spricht das Seco von gegen 39 Milliarden Franken, die in der Schattenwirtschaft umgesetzt werden. Man dürfe Schwarzarbeit zwar nicht mit Schattenwirtschaft gleichsetzen. «Dennoch sind die durch Schwarzarbeit hinterzogenen Beträge nicht geringfügig», so Sprecherin Antje Baertschi. Laut Seco hat Schwarzarbeit vielfältige negative Auswirkungen, so etwa Einnahmeausfälle beim Staat und bei den Sozialversicherungen, Lohndumping sowie Ausbeutung von Arbeitnehmenden. Baertschi: «Schwarzarbeit muss darum aus wirtschaftlichen, juristischen und ethischen Gründen bekämpft werden.»

*Namen der Redaktion bekannt

So lief der Test ab

Unter einem Pseudonym gab SonntagsBlick Mitte November 2014 eine Offert-Anfrage auf Renovero.ch auf. Gesucht: Maler-/Gipserprofis für die Renovierung einer Dreizimmerwohnung (Stockwerkeigentum). Ein Detailbeschrieb der auszuführenden Arbeiten folgte. Innerhalb von zwei Wochen meldeten sich 32 Handwerksbetriebe per Mail. Jeder wurde telefonisch kontaktiert. Bei der Frage nach Rabatten stellten zwei Drittel der Firmen Arbeit ohne Rechnung in Aussicht. Als Gegenleistung versprachen sie bis zu 15 Prozent Rabatt.

Unter einem Pseudonym gab SonntagsBlick Mitte November 2014 eine Offert-Anfrage auf Renovero.ch auf. Gesucht: Maler-/Gipserprofis für die Renovierung einer Dreizimmerwohnung (Stockwerkeigentum). Ein Detailbeschrieb der auszuführenden Arbeiten folgte. Innerhalb von zwei Wochen meldeten sich 32 Handwerksbetriebe per Mail. Jeder wurde telefonisch kontaktiert. Bei der Frage nach Rabatten stellten zwei Drittel der Firmen Arbeit ohne Rechnung in Aussicht. Als Gegenleistung versprachen sie bis zu 15 Prozent Rabatt.

Nachahmen nicht empfohlen

Werterhaltende Aufwendungen für den Unterhalt des Eigenheims können vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden. Dazu braucht es jedoch Belege. Wer auf die Rechnung verzichtet, erwartet im Gegenzug, dass es billiger wird. Und zwar, weil der Auftragnehmer keine Mehrwertsteuer berechnet und Steuern spart. Ob das schon Beihilfe zur Steuerhinterziehung ist, liegt im Graubereich. Seco und Renovero.ch raten, sich erst gar nicht auf Schwarzarbeit einzulassen. Es sei Betrug, und für Garantieansprüche brauche es unbedingt eine Rechnung.

Werterhaltende Aufwendungen für den Unterhalt des Eigenheims können vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden. Dazu braucht es jedoch Belege. Wer auf die Rechnung verzichtet, erwartet im Gegenzug, dass es billiger wird. Und zwar, weil der Auftragnehmer keine Mehrwertsteuer berechnet und Steuern spart. Ob das schon Beihilfe zur Steuerhinterziehung ist, liegt im Graubereich. Seco und Renovero.ch raten, sich erst gar nicht auf Schwarzarbeit einzulassen. Es sei Betrug, und für Garantieansprüche brauche es unbedingt eine Rechnung.

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