Grosse Herausforderungen
Der neue Postfinance-Chef Beat Röthlisberger im Zinsgewitter

Postfinance-Chef Beat Röthlisberger will mit der Stärkung des Payment-Geschäfts punkten – und hofft auf ein Ende des Kreditverbots. Was seine grössten Herausforderungen und Ziele sind.
Publiziert: 05.05.2025 um 15:53 Uhr
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Aktualisiert: 05.05.2025 um 15:59 Uhr
Der oberste Banker unter den Pöstlern: Beat Röthlisberger, CEO Postfinance.
Foto: Keystone

Darum gehts

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Holger Alich und Michael Heim
Handelszeitung

Wenn ein neuer CEO antritt, stellt er seine neue Strategie in der Regel in einer Powerpoint-Schlacht vor. Beat Röthlisberger, der neue Postfinance-Chef, kam mit einer einzigen Folie aus: Die Kundenbedürfnisse sollen ins Zentrum rücken, er will eine «moderate Wachstumsstrategie» fahren und dafür das zinsindifferente Geschäft ausbauen, so die Eckpunkte der Strategieperiode bis 2028.

Das tönt nach wenig und weitgehend bekannt. Aber Röthlisberger hat die «Mission impossible» im Schweizer Banking übernommen. Denn aufgrund der gesetzlichen Einschränkung – die Postfinance darf keine Kredite vergeben – ist sein Handlungsspielraum begrenzt.

Das schreckt offenbar derart ab, dass der Verwaltungsrat fast ein Jahr lang einen Nachfolger für Langzeitchef Hansruedi Köng suchen musste: Dieser hatte im März 2023 seine Demission für Ende Februar 2024 angekündigt. Doch mehrere Topshots wie UBS-Bankerin Simone Westerfeld hatten keine Lust. Seit Juli 2024 leitet nun der 53-jährige Röthlisberger die Postfinance, zuvor Vizechef der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB). Auf die neue Postfinance-Strategie konnte der Baselbieter daher nur noch auf der Zielgeraden einwirken.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

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Bis 2028 will der neue CEO an jenen Stellschrauben drehen, die ihm zur Verfügung stehen: So hat er der Postfinance eine Reorganisation verpasst – mit dem Ziel, die Produktentwicklung zu beschleunigen. Das Kerngeschäft rund um den Zahlungsverkehr will er ausbauen, gerade im Firmenkundengeschäft. Im Bereich der Privatkunden will er die Kundenberater von Kleinkram entlasten, damit diese endlich mehr Zeit haben, lukrative Vorsorge- und Anlageprodukte zu verkaufen. Denn das Anlagegeschäft trat in den vergangenen Jahren auf der Stelle.

Ziel: Schnell einen Impact haben

Als Weitschuss hat sich Röthlisberger etwas vorgenommen, an dem schon Köng gescheitert ist: das Kreditverbot zu lockern. Doch anders als sein Vorgänger will er nicht ins Hypothekar-, sondern ins Firmenkundengeschäft einsteigen. «Volkswirtschaftlich macht es keinen Sinn, dass die Postfinance 25 Milliarden im Ausland anlegen muss, während Schweizer KMU Probleme haben, Finanzierungen zu erhalten», sagt Röthlisberger der Handelszeitung. Die Welt der KMU kennt er. Bei der BLKB arbeitete er neun Jahre im Firmenkundengeschäft, davor hatte er das Segment auch schon bei der UBS betreut.

«Bei zwei Themen könnten wir rasch einen Impact haben», erklärt er. Erstens: bei Liquiditätsfinanzierungen mit einer Laufzeit von bis zu zwölf Monaten – das Geschäft ist nahe am Kerngeschäft des Bezahlens. «Das zweite sind Konsortialkredite.» Dabei schliessen sich mehrere Banken zusammen, um einer Unternehmung einen ungedeckten Kredit zu sprechen. Röthlisberger kann sich vorstellen, bei solchen Konsortien, die in der Schweiz von der UBS oder der ZKB angeführt werden, Tranchen zu zeichnen.

Allerdings sind solche ungedeckten Kredite mangels Sicherheiten auch die riskantesten. Und dass auch als sicher geltende Schuldner Verluste verursachen können, hat die Postfinance bereits in ihrem Schuldscheingeschäft schmerzhaft erfahren. 2024 musste sie hier Abschreibungen von 40 Millionen Franken vornehmen, unter anderem weil das Spital Wetzikon insolvent wurde.

Support soll von der Industrie kommen

Allerdings gibt in Bern kaum jemand dem erneuten Anlauf für eine Lockerung des Kreditverbots eine Chance. Das für die Post zuständige Departement Uvek will sich auf Anfrage nicht dazu äussern, ob das Ansinnen unterstützt wird. Der Bundesrat habe dazu derzeit keine Vorlage auf dem Tisch, heisst es lapidar.

Röthlisberger setzt in der Frage auf den Druck der Industrie. Denn die Firmenkredite werden nicht nur wegen des Verschwindens der CS rarer und teurer. Auch die neuen Basel-III-Regeln und der damit steigende Eigenmittelbedarf verknappen das Kreditangebot. Und nach dem Debakel einiger Kantonalbanken mit Signa-Krediten dürfte der Risikoappetit bei vielen reduziert sein.

Röthlisbergers Chefs: Post-Direktor Roberto Cirillo (l., bis März 2025) und Post-Verwaltungsratspräsident Christian Levrat (r.).
Foto: keystone-sda.ch

Der Postfinance-Chef zeigt sich zuversichtlich: «Ich halte es für denkbar, dass eine gezielte Lockerung des Kreditverbots im Zuge einer anstehenden Überarbeitung des Postorganisationsgesetzes angegangen wird.» Immerhin: Post-Präsident Christian Levrat hat sich bereits positiv zu Röthlisbergers Vorstoss geäussert. Schliesslich ist die Postfinance für den Staatskonzern eine wichtige, wenn auch fragile Säule. Im vergangenen Jahr steuerte sie gut die Hälfte des Jahresgewinns der Mutter bei.

Doch die sinkenden Zinsen lassen die Erträge der Postfinance gefährlich schmelzen. Schlimmer noch: Angesichts des Handelskriegs und der Flucht in den Franken tauchen Negativzinsen am Horizont auf. Und die Hälfte der gut 100 Milliarden Franken umfassenden Bilanz steckt in Wertpapieren, meist Obligationen. «Wir haben unsere Learnings aus der Phase der Negativzinsen gezogen», sagt Röthlisberger. «Eines besteht darin, dass wir früher grössere Einzahlungen individuell mit Negativzinsen belasten werden, etwa wenn Firmen grosse Liquiditätsbestände bei uns in Sicherheit bringen wollen», kündigt er an. Anders als Vorgänger Köng will er keine grossen Zuflüsse zulassen.

Fokus auf DNA der Postfinance

Die Kernklientel – private Kunden – sollen möglichst von Strafzinsen verschont bleiben; auch an der Gebührenschraube will Röthlisberger nicht drehen. Vorgänger Köng hatte just damit Tausende Kundinnen und Kunden vergrault. Darunter wohl auch wohlhabende Anlegende, wie nicht zuletzt Abflüsse aus den verwalteten Vermögen in den Negativzinsjahren zeigen. Diese Kundschaft fehlt der Postfinance nun im profitablen Anlagegeschäft. Den Fehler mit höheren Gebühren und Negativzinsen für Private will Röthlisberger nicht wiederholen.

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Für mehr Wachstum setzt er verstärkt auf die historische DNA der Postfinance: das Bezahlgeschäft. Es steuert rund 40 Prozent des Kommissions-Ertrags von gut 750 Millionen Franken bei. Wie Insider berichten, hatte die Postfinance in der Zeit der Negativzinsen die Akquise von grossen Firmenkunden mehr oder weniger eingestellt, aus Sorge, dass die Konzerne dann auch flüssige Mittel bei der Post-Tochter parkieren wollen und damit deren Bilanzproblem verschärft hätten.

Nun sagt der neue Chef: «Wir wollen das Geschäft mit internationalem Zahlungsverkehr weiter ausbauen. Nach dem Wegfall der Credit Suisse ist das für uns eine strategische Achse.» Beim Vertrieb sollen auch die Verkäufer der Post-Mutter helfen, also vor allem jene, die Firmenkunden im Logistikgeschäft betreuen. Ihnen sollen die Pöstler die Payment-Lösungen der eigenen Bank schmackhaft machen, so die Idee. Bereits seit ein paar Jahren spürbar ist der Anspruch, im Geschäft mit Kartenzahlungen zu wachsen, wo die Postfinance ihre Dienstleistungen deutlich ausgebaut hat.

Produktentwicklung wird zentral gemanagt

Der sichtbarste Fussabdruck des neuen Chefs ist bisher ein Umbau der Struktur der Postfinance. Dieser hat intern für Unruhe und Abgänge gesorgt: Die Sparten «Payment Solutions» und «Retail» werden zu Vertriebsorganisationen zurechtgestutzt und in «Firmenkunden» und «Privatkunden» umbenannt. Die Produktentwicklung löst der CEO aus den Sparten heraus und siedelt sie zentral in der neuen Sparte «Customer Experience» an. Der Grund: Die Sparten hätten in der alten Struktur quasi als Silos funktioniert und oft zu lange an Neuheiten herumgetüftelt, für die es am Ende dann keinen Kundenbedarf gab. Röthlisberger dazu: «Weil sie sich in ihren Ideen verloren haben.» Nun wird zentral gemanagt. Was auch bedeutet: Röthlisberger will deutlich mehr Einfluss auf das operative Geschäft nehmen als sein Vorgänger.

Doch reicht das alles, um den absehbaren Rückgang der Zinseinnahmen im Zuge sinkender Zinsen zu kompensieren? Schon jetzt ist die Quote aus Kosten zu Einnahmen mit 84 Prozent erschreckend hoch – was die Postfinance nonchalant mit den fehlenden Einnahmen aufgrund des Kreditverbots begründet. Von einem Sparkurs will der neue CEO bisher indes nichts wissen – zumindest noch nicht. Ja, die Bank müsse effizienter werden, «aber nicht in erster Linie mit dem Ziel, beim Personal abzubauen». Einen Bericht von «Inside Paradeplatz» über einen Abbau von 105 Stellen bezeichnet die Medienstelle als «Spekulation». Aber sich mit der bestehenden Struktur gegen den Tiefzinstrend zu stemmen, ist ungefähr so leicht, wie ein Auto in einer Garage zu wenden.

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