Grösstes Zollfrei-Einkaufszentrum von Samnaun GR schliesst
Knall im Schnaps- und Zigi-Paradies

Der Basler Duty-free-Gigant Dufry zieht sich aus dem Engadin zurück. Das hat Folgen für das Einkaufszentrum Hermelindis. Es macht per Ende Oktober dicht.
Publiziert: 03.06.2017 um 16:37 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:57 Uhr
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Vor dem Aus: Geschäftsführerin Olga-Maria Weissenberger (54) kämpft für ihre 30 Angestellten.
Foto: Daniel Liebl
Patrik Berger

Samnaun GR hat viel zu bieten: schöne Berge, saubere Luft, ein schneesicheres Skigebiet – und ein Problem. Das Dorf liegt am Rand des Landes, ist zu weiten Teilen von Österreich umgeben. Lange gab es keine Strassenverbindung zur Schweiz.

Schon 1892 wurde Samnaun vom Bundesrat aus dem Schweizer Zollgebiet entlassen. Nahrungsmittel wären sonst unerschwinglich geworden. Bis heute sind Waren von der Mehrwertsteuer befreit.

Samnaun ist das einzige zollfreie Gebiet der Schweiz. In der 700-Seelen-Gemeinde reiht sich Geschäft an Geschäft. Sie bieten Spirituosen, Tabak, Schmuck und Parfum zu Tiefstpreisen an. 

Die heile Shoppingwelt bekommt nun Risse. Der Grund: Das Basler Duty-free-Unternehmen Dufry, das in 64 Ländern rund 2200 Shops betreibt, zieht sich aus Samnaun zurück. 30 Stellen im grössten Einkaufscenter gehen darum verloren.

«Der Betrieb des Einkaufszentrums Hermelindis wird aus wirtschaftlichen Gründen auf Ende Oktober eingestellt», bestätigt Philipp Haumüller (38) Recherchen von BLICK. Er ist stellvertretender Finanzchef der zuständigen Dufry-Division. 

«Das Geschäft darf nicht sterben!»

Seit 27 Jahren führt Olga-Maria Weissenberger (54) das Geschäft. Das Aus schmerzt die Mitinhaberin des Einkaufscenters. Doch sie kämpft um die Jobs ihrer Angestellten. «Das Geschäft darf nicht sterben!» Per Petition, die von 700 Leuten unterzeichnet wurde, fordert sie die Streichung der kommunalen Sondergewerbesteuern. «Sonst drohen weitere Schliessungen.»

1973 führte die Gemeinde zur Finanzierung ihrer Infrastruktur die Sondergewerbesteuer auf zollfreie Waren ein. Ende 2015 wurde sie für den Detailhandel auf 3,75 Prozent erhöht. Weissenberger gibt der Steuer die Schuld an der Misere. «Samnaun kann nicht willkürlich Steuern erheben und so die ganze Wirtschaft ruinieren. Es darf nicht sein, dass die Gemeinde das Zollprivileg aushebelt!»

Support erhält sie von der Gewerkschaft Unia, welche die Gemeinde auffordert, sich für den Erhalt der Jobs einzusetzen. «Die Beschäftigten wären bereit, das Unternehmen in eigener Regie weiterzuführen», schreibt Sektionsleiter Arno Russi (58) in einer Mitteilung.

«Für die Betroffenen sehr tragisch»

Auch Gemeindepräsident Hans Kleinstein (57) zeigt Mitgefühl: «Für Samnaun ist das natürlich schade, für die Betroffenen sehr tragisch.» Der Tourismus sei härter geworden in den letzten Jahren. «Das Geschäftsmodell Zollfrei-Oase ist aber längst nicht am Ende. Für Samnaun, das mit den Nachteilen einer Randregion zu kämpfen hat, ist es nach wie vor sehr wichtig.» 

Noch immer gebe es 40 ähnliche Shops, die 300 bis 400 Leuten eine Arbeit bieten. «Die Läden entrichten alle die gleichen Steuern.» Die Abschaffung der Sondergewerbesteuer kommt für ihn nicht infrage. Die Geschäfte liefen wegen des starken Frankens nicht mehr so gut wie früher. «Wer aber seriös arbeitet, der kann gutes Geld verdienen», sagt Kleinstein. 

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