Gopfried Stutz
Versicherter ist nicht gleich Versicherter

Ein junger, frischgebackener Familienvater braucht einen anderen Versicherungsschutz als ein 55-jähriger Mann, dessen Kinder selbständig sind und dessen Frau wieder voll berufstätig ist.
Publiziert: 04.10.2021 um 10:31 Uhr
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Versicherungen verstehen viel von Kapitalanlagen, aber viel mehr verstehen sie von Verkäufen.
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Claude ChatelainKolumnist und Wirtschafts-Publizist

«Gemischte Versicherungen sind teuer und intransparent», schrieb ich im «Gopfried Stutz» vom 4. Juli. Dabei zitierte ich das Beispiel von Bruno G. 1996 schloss er bei der Fortuna, heute Generali, eine kapitalbildende Versicherung über einen Betrag von 100'000 Franken ab. Als die Versicherung nach 25 Jahren ausbezahlt wurde, erhielt Bruno einen Überschussanteil von 1017 Franken. Das ist etwas mehr als 1 Prozent. Man hatte ihm aber 5 bis 7 Prozent in Aussicht gestellt.

So schlecht sei das gar nicht, schrieb mir ein gewisser Toni H. nach der Publikation meiner Kolumne: «Ziehen Sie von der einbezahlten Prämie noch den Kostenteil für den Todesfall und die Prämienbefreiung weg und schauen dann auf die Rendite. Was merken Sie? War gar nicht so schlecht. War sicher keine Superrendite, aber durch das Zwangssparen war mindestens das Geld noch vorhanden.»

Toni H. macht eine ganz andere Renditeberechnung als Bruno G. Er berechnet die Rendite nicht auf der Bruttoprämie, sondern auf der Sparprämie. Das geht so: Wie der Name sagt, wird mit der kapitalbildenden Versicherung nicht nur Kapital gebildet, sondern auch ein Risiko versichert, deshalb spricht man von der «Gemischten». Versichert wird eine Todesfallsumme oder eine Rente bei Erwerbsunfähigkeit oder beides zusammen.

Für diesen Risikoschutz bezahlt man eine Prämie, die zusammen mit den Abschlusskosten von der Bruttoprämie in Abzug gebracht wird. Das Ergebnis dieser Subtraktion heisst Sparprämie. Je nach Risikoschutz beträgt diese 60 bis 85 Prozent der Bruttoprämie.

So gesehen könnte man Toni H. beipflichten, dass die Rendite gar nicht so schlecht war, wenn man sie auf der Spar- und nicht auf der Bruttoprämie berechnet. Doch ein Beratungsgespräch verläuft anders. Der Versicherungsvertreter sagt: So viel zahlst du Prämie, so viel erhältst du bei Ablauf der Versicherung. So war es auch im Fall von Bruno G.

Bei einer angenommenen Fondsrendite von 5 Prozent hätte Bruno G. laut Fortuna 132'000 Franken und bei einer Fondsrendite von 7 Prozent gar 174'400 Franken erhalten. Bekommen hat er schliesslich eben nur 101'017 Franken.

Dieses Beispiel stützt meine Aussage vom 4. Juli: «Versicherungen verstehen zwar sehr wohl etwas von Kapitalanlagen; aber viel mehr verstehen sie von Verkäufen. Je höher die in Aussicht gestellten Überschüsse, desto leichter lässt sich das Produkt verkaufen.» Die Fortuna machte es vor.

Und noch ein Nachteil: Gemischte Versicherungen sind starr. Der gleiche Versicherungsschutz gegen Tod oder Erwerbsunfähigkeit bleibt bis zur Auszahlung des Kapitals mit Alter 60 unverändert. Doch die Verhältnisse ändern sich: Ein junger, frischgebackener Familienvater braucht einen anderen Versicherungsschutz als ein 55-jähriger Mann, dessen Kinder selbständig sind und dessen Frau wieder voll berufstätig ist.

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