Gefahr auch für die Schweiz
Ökonomen sehen Welthandel durch USA-China-Konflikt bedroht

Der Handelskonflikt zwischen den USA und China könnte nach Einschätzung von Ökonomen die internationalen Wirtschaftsbeziehungen dauerhaft beschädigen. Besonders exportabhängige Volkswirtschaften wie die Schweiz dürften darunter leiden.
Publiziert: 11.06.2019 um 08:20 Uhr
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Chinesen beim Einkaufen in einer Shopping Mall in Peking. China beschuldigt die USA, den Handelskonflikt zu verschärfen, die Chinesen dagegen hätten Wort gehalten.
Foto: AP

«Die goldenen Jahre der Globalisierung sind vorbei», kommentiert Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Vor knapp einem Jahr, am 15. Juni 2018, verhängte US-Präsident Donald Trump erste Strafzölle auf Waren aus China. Es war der Auftakt zu einem sich hochschaukelnden Handelsstreit zwischen den beiden grössten Volkswirtschaften der Welt. China reagierte mit Gegenmassnahmen.

Krämer ist überzeugt: «Finden die USA und China keinen Modus vivendi, droht die Weltwirtschaft über die Jahre in eine westliche und östliche Sphäre zu zerfallen. All diese Risiken haben sich wie Mehltau auf die Weltwirtschaft gelegt.» Nach Einschätzung von Carsten Brzeski, Deutschland-Chefökonom der Grossbank ING, haben die «Spannungen zwischen den USA und China deutlich den Abschwung der Weltwirtschaft beschleunigt.»

Verunsicherung bremst

Ökonomen Gabriel Felbermayr sieht in der Verunsicherung durch Trumps Handelspolitik aktuell das grösste Risiko für die Weltkonjunktur. «Das Hauptproblem ist die Unsicherheit, die Trump schafft. Man weiss nicht, welches Land demnächst in sein Visier gerät», sagte der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW/Kiel) der Nachrichtenagentur dpa. »Verunsicherte Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück, Verbraucher verschieben möglicherweise Anschaffungen.»

Dieser Schaden sei «wahrscheinlich deutlich grösser als der, der tatsächlich durch Zölle verursacht wird», sagte Felbermayr. Den Schaden für den Welthandel durch Zölle schätzt er langfristig auf circa 90 Milliarden Euro jährlich - sollten die Abgaben zwischen China und USA dauerhaft auf dem aktuellen Niveau bleiben. «Angesichts eines Welthandelsvolumens von 15 Billionen Euro ist das vergleichsweise wenig», rechnete der IfW-Präsident vor.

Gift für exportabhängige Länder

Der Präsident des Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW/Berlin), Marcel Fratzscher, nennt den Handelskonflikt eine «massive globale Wachstumsbremse»: «Die wirtschaftlichen Konflikte der USA schaffen enorme Unsicherheit, die Gift für jedes Unternehmen ist.» Zu leiden hätten vor allem exportabhängige Volkswirtschaften wie Deutschland.

Zu diesen Volkswirtschaften, die stark vom Export abhängig sind, zählt auch die Schweiz. Und läuft es in der deutschen Wirtschaft schlecht, dann bekommen das auch viele Firmen in der Schweiz zu spüren. Vor allem in der Maschinenbau-Branche oder bei den Zulieferern für die deutsche Autoindustrie. 

In manchen Branchen zeigen sich bereits deutliche Bremsspuren. «Wir stehen möglicherweise vor einer kompletten Neuvermessung der Weltwirtschaft», analysiert Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. «Insbesondere im Bereich höherwertiger Technologie wird die Globalisierung zurückgedreht. Das bedeutet enorme Unsicherheiten und Anpassungskosten für aussenwirtschaftlich orientierte Unternehmen.»

Für die Schweiz und Deutschland erwarten Ökonomen eine deutliche Wachstumsverlangsamung gegenüber dem Vorjahr. Denn läuft es in der deutschen Wirtschaft schlecht, dann bekommen das auch viele Firmen in der Schweiz zu spüren. 

«Die Spannungen vermehren weltweit die Unsicherheit und belasten so die Konjunktur», sagt Ifo-Präsident Clemens Fuest. «Diese Belastung trifft auch Deutschland. Zölle und Handelshemmnisse zwischen China und den USA betreffen direkt deutsche Unternehmen, die in diesen Ländern produzieren, zum Beispiel deutsche Autobauer in den USA.» Und das wiederum spüren die Schweizer Zulieferer dieser Industrie. 

Asiatische Länder könnten profitieren

Profitieren von umgelenkten Handelsströmen könnten nach Einschätzung mancher Ökonomen - zumindest vorübergehend - andere asiatische Länder, beispielsweise die Textilindustrie in Pakistan oder Vietnam. «Die grössten Verlierer weltweit sind die Verbraucher», konstatiert Dekabank-Volkswirt Kater.

«Wenn Preise für Güter und Dienstleistungen steigen und einige Angebote überhaupt nicht mehr verfügbar sind, dann trifft das am Ende die privaten Haushalte in allen Ländern», erklärt Kater. «Handelskriege kann man nur insoweit gewinnen, dass man meint, die geringeren Schäden davonzutragen.» (SDA/koh) 

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