Franziska Tschudi, Chefin seit 13 Jahren
«Ich stehe gern im rauhen Wind»

Franziska Tschudi Sauber ist Marathonläuferin mit Qualitäten, die sie als CEO der Wicor Holding AG in Rapperswil SG braucht.
Publiziert: 03.06.2014 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 23:05 Uhr
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Von Sabine Klapper (Text) und Philippe Rossier (Fotos)

Franziska Tschudi Sauber (55) ist Dauerläuferin. Als ob Marathon nicht genug wäre, rennt sie auch noch den Berg hinauf. Den Jungfrau-Marathon läuft sie in diesem September zum fünften Mal. Sie liebt solche Herausforderungen, sie ist leicht, zäh und trittsicher.

Ausdauernd und geländegängig ist sie auch auf ihrem Posten. Seit 13 Jahren führt sie in Rapperswil SG am Zürichsee die Geschäfte der Wicor-Gruppe (vormals Weidmann), das weltweit führende Unternehmen auf dem Gebiet der Elektroisolation für Hersteller und Betreiber von Transformatoren. Das Umfeld des international ausgerichteten Zulieferers ist hochdynamisch. Ein beweglicher CEO ist hier am richtigen Ort.

Die vergangenen Wochen waren anspruchsvoll für das Familienunternehmen und die Mitarbeiter. Die Wicor Holding AG verkaufte den Bereich Automobil- und Industrietechnik an die amerikanische Techniplas Group, einen Hersteller von Kunststoffkomponenten für die Automobilindustrie. Von der Transaktion unberührt blieben die Wicor-Unternehmensbereiche Electrical und Medical Technology.

Franziska Tschudi hatte den verkauften  Geschäftsbereich mit aufgebaut. Zwar war der Verkauf ein unternehmerischer Entscheid, dennoch sind Emotionen im Spiel. Es sei, wie wenn man ein Kind, weggeben müsse. Dieses Kind sei jetzt aber in guten Händen, sagt sie. Jetzt will sie etwas Neues aufbauen. Tschudi weiss, dass Gegenwind zum Geschäft gehört – so wie Rückenwind auch, das liegt in der Natur der Sache. «Mit der Zeit habe ich eine gewisse Gelassenheit gegenüber diesen Schwankungen entwickelt», sagt sie.

Ihre Werte und Ziele hingegen bleiben immer gleich: «Ich will unser Unternehmen erfolgreich weiterentwickeln. Wir wollen unseren Kunden der bestmögliche Partner sein und ein wertschätzender Arbeitgeber. Das ist mein ganzes Streben. Es geht uns nicht darum, den Profit zu optimieren.» Sie ist der Familie, der Tradition verpflichtet, das sei wie eine Ehe, die sie eingegangen sei. Sie lebt in keiner Villa, «jeder im Unternehmen weiss, wo und wie ich wohne, ich fahre ein siebenjähriges Auto, kaufe im Ort ein und renne auch schon mal schwitzend herum.» Reichtum gehört also nicht zu ihren Zielen, vielmehr das Wohl der Firma, die  1877 gegründet wurde.

2001 wurde die studierte Juristin CEO der Wicor Holding AG, nachdem sie hier bereits sechs Jahre als Leiterin Unternehmensentwicklung tätig gewesen war. Der Vorgänger, ihr Vater Felix, war für die Angestellten «Dr. Tschudi», eine Respektsperson. Sie hingegen kannte man als «die Franziska». Sie ist greifbar für die Mitarbeiter. Und sie ist meistens dort, wo die Herausforderungen am grössten sind. In den letzten Monaten war sie viel in der Schweiz.

Tschudi trägt grosse Verantwortung auf ihren Schultern. Weil sie auf ein sehr gutes Führungsteam und loyale Mitarbeiter zählen kann, ist sie nie allein. Die Wertschätzung, die sie ihren Mitarbeitern entgegenbringt, ist keine Einbahnstrasse. Was sie gibt, jeden Tag, oft nur mit kleinen Gesten, kommt zu ihr zurück. «Viele spüren, wenn es mir schlecht geht. Das sieht man mir auch an.» Auf ihrem Schreibtisch liegt ein sechsblättriges Kleeblatt, das habe ihr neulich eine Mitarbeiterin aus der Kantine geschenkt. Das hat sie gefreut.

Sie ist schon lange CEO, das hat viele Vorteile. Wenn in anderen Unternehmen in Krisenzeiten kurzum der Kopf der Firma ausgewechselt wird, «wundere ich mich oft». Ein neuer Chef bringt Unruhe, «wir haben genug Hektik in unserem Geschäft». Bei Sturm sollte man nicht auch noch den Kapitän auswechseln, sagt sie. «Ich stehe gerne im rauhen Wind.»

Ausgerechnet sie selbst stellt ihre eigene Langlebigkeit in ihrer Firma immer wieder in Frage: «Bin ich noch die Richtige?» Sie will das Beste fürs Unternehmen, darum prüft sie auch ständig ihre Position. Zeichen aus ihrem Umfeld, dem Verwaltungsrat, der Familie, den Banken, geben ihr Antworten. «Ich spüre, dass man hinter mir steht.»

Bei ihrem Nachdiplomstudium in Unternehmensführung (Executive MBA) an der HSG St. Gallen Anfang der 90er-Jahre hat sie eine Formel gelernt, die zu ihrem Unternehmen wie auch zu ihr persönlich passt: «Zelte statt Paläste bauen.» Als junge Frau wollte sie vier Kinder, eine Familie, ein Haus mit Garten. «All das habe ich nicht.» Vor zwei Jahren hat sie zum zweiten Mal geheiratet. «Es kommt immer wieder anders, als man denkt.»

Langfristige Pläne kann es auch bei Wicor nicht geben. Hier zählen Flexibilität und die Fähigkeit, sich auf die Bedürfnisse der Kunden, die sich schnell verändern können, einzustellen. Im Denken brauche man auf ihrem Stuhl einen «offenen Horizont». Wenn sie einen Berglauf absolviere, habe sie einen Plan. Im Geschäft gehe das so nicht, da müsse sie Pläne umstossen und dann reagieren, wenn es nötig ist. Kaum sei ein Feuer gelöscht, «habe ich schon wieder das nächste Problem auf dem Tisch», so Franziska Tschudi.

Entscheidend sei, in Alternativen zu denken. Sie gibt ein Beispiel: In der Ukraine hat Wicor anderthalb Stunden von Kiew entfernt ein Unternehmen aufgebaut. Die politischen Umstände könnten sie rasch zum Handeln zwingen. Was ist, wenn ein Machtwechsel geschieht und das Unternehmen enteignet wird?

Sie hat sich für alle denkbaren Möglichkeiten so gut wie möglich vorbereitet, denn unverhofft kommt oft.

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Verpflichtung – gegenüber dem Unternehmen und der Familie. «Ich nehme meine Aufgaben sehr ernst.»

Wertschätzung – den Mitarbeitern und den Geschäftspartnern gegenüber. «Chefs, die Menschen nicht mögen, sind auch nicht erfolgreich. Ich bin jeden Tag neugierig, Menschen kennenzulernen.»

Zufall und Glück – «Ich habe viel Glück gehabt in meinem Leben. Ich stehe jeden Morgen mit einer grossen Dankbarkeit auf.»

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Wicor Holding AG

Rapperswil SG – Die Wicor Holding AG ist eine international tätige, auf Isolations- und Kunststofftechnik spezialisierte Schweizer Unternehmensgruppe. Sie ist an mehr als 30 Standorten vertreten und beschäftigt über 4000 Mitarbeiter.

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