Fast wie von Hand, nur in grösserem Stil, werden in Root LU Kerzen gefertigt. In 55 Minuten schafft die Anlage von Kerzen Fischer 1956 Stück. Der Chef des Traditionsunternehmens, Daniel Kretz (48), zeigt BLICK seine Produktion und erzählt: «In Spitzenzeiten vor der Eurokrise haben wir elf Millionen Stück pro Jahr hergestellt, davon sind wir heute weit entfernt.»
Der Export-Anteil am Umsatz ist seither auf unter fünf Prozent geschmolzen. Nur noch eine von zwei Maschinen ist regelmässig in Betrieb. Zwei weitere wurden abgebaut, das Geschäft hat nicht mehr rentiert. Dennoch ist Kretz' Firma heute noch einer der grössten Kerzenproduzenten der Schweiz.
Statt Maschinenlärm spielt das Radio
In der Produktion des 1962 gegründeten Unternehmens wabert dem Besucher feiner Kerzenduft entgegen, die Farbenpracht überwältigt. Kretz setzt auf gegossene Kerzen. So wie vor ihm auch schon seine Eltern, die das Unternehmen vor 42 Jahren übernommen hatten. Ob Kretz' Sohn (8) dereinst die Familientradition weiterführen wird, ist völlig offen, so der Familienvater.
Kretz zeigt auf eine Abfüllstation: Flüssiges Wachs – genauer Paraffin, ein Nebenprodukt aus der Schmierölherstellung – wird in Metallformen gegossen und erkaltet dort als runde, eckige oder kugelige Kerze. Was überrascht: «Roboter sucht man bei uns vergebens.» Keine Maschine rattert, im Hintergrund plätschert Popmusik aus einem Radio. «Wir sind ein Handwerksbetrieb», erklärt Kretz stolz. «Den speziellen Effekt der Rustico-Kerzen gibts nur von Menschenhand, Maschinen können das nicht.»
Schweizer sind bei Kerzen farbentreu
Die trendigen Rustico-Kerzen haben eine raue Oberfläche und sehen unregelmässig aus. Genau das macht ihren Charme aus. «Typische Weihnachtsfarben sind Bordeaux, Weiss und Elfenbein. Damit machen wir 70 Prozent unseres Umsatzes», so der Kerzenfachmann. Trotzdem müsse man immer Neues bieten. Für nächstes Jahr tippt er auf Korallenrot und schliesst sich damit den Farbexperten von Pantone an, die den Ton zur Farbe des Jahres 2019 gekürt haben.
15 Mitarbeitende sind bei Kerzen Fischer tätig. In der Produktion sind sie mit einer Ausnahme weiblich. «Frauen können das einfach besser», ist Kretz überzeugt. Gefragt seien Fingerspitzengefühl und Ausdauer. Allerdings sei Kerzengiessen ein Knochenjob. Die schweren Giesskannen mit Wachs müssen ständig hin- und hergetragen werden. Geschätzte 600 Abfüllungen machen die Frauen pro Tag.
Gute Qualität, schneller Service
Der einzige Mann im Team ist seit 28 Jahren dabei. Er steht kurz vor der Pensionierung. Seine Spezialität sind meterhohe Kerzen, 17 Kilo wiegen sie. In all den Jahren hat sich an seiner Arbeit nichts verändert. Wer kauft sich solche Riesenkerzen für fast 200 Franken? Manchmal seien das Privatkunden, sagt Kretz. «Eine solche Kerze ist fast ein Einrichtungsgegenstand.» Rechne man den Preis auf die lange Brenndauer von bis zu 2800 Stunden runter, seien sie gar nicht so teuer. Doch Privatkunden sind trotz des steigenden Onlinehandels und des Fabrikladens noch ein Nebengeschäft. Kretz' wichtigste Kundschaft sind Gastrobetriebe.
«Mit dem Preis können wir nicht punkten, da sind Import- und Massenprodukte einfach billiger. Deshalb setzen wir auf Qualität und Service», erklärt Kretz. Zum Geschäftsmodell gehört auch, dass Kerzen Fischer Kleinstmengen auf Bestellung produziert.
Am Schluss des Rundgangs durch den farbenprächtigen Fabrikladen gesteht Kretz, dass er traditionell Weihnachten mit Kerzen am Baum und allem Drum und Dran erst feiere, seit der Nachwuchs da ist. Allerdings brenne in seinem Haushalt immer eine Kerze. Dafür sei aber seine Frau verantwortlich.
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